topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Mehr Menschlichkeit! Die weiblichen Beschäftigten stehen immer allein im Geschäft und sind für Kundenberatung, Nach- und Einschlichten der Waren, Kassa, Saubermachen usw. zuständig. Die dünne Personaldecke des Unternehmens fordert die Beschäftigten doppelt.
Infos zum Mehrarbeitszuschlag

"Mehr Menschlichkeit!"

Schwerpunkt

Die GPA-djp hat eine Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Supermarktkette Schlecker gestartet.

Zum zweiten Mal hat die GPA-djp einen bundesweiten Aktionstag bei der Firma Schlecker durchgeführt. Bereits 2005 wurden viele Missstände aufgezeigt. Es war möglich, einige Probleme zu beseitigen und die Bedingungen für die fast ausschließlich weiblichen Angestellten zu verbessern.

Leider haben vermehrte arbeitsrechtliche Anfragen von Schlecker-Beschäftigten sowie der Abschluss einer rechtlich bedenklichen Betriebsvereinbarung zum Mehrarbeitszuschlag gezeigt, dass die Verbesserungen nur von kurzer Dauer waren.

Gemeinsam mit den Beschäftigten wurden daher die Arbeitsbedingungen erneut einer Prüfung unterzogen. Am 27. April 2009 wurden 70 Prozent aller Filialen in Österreich besucht und Fragebögen an die Angestellten verteilt. Der große Rücklauf ermöglichte einen umfangreichen und detaillierten Einblick in die Arbeitsbedingungen bei der Firma Schlecker. In einigen Bereichen zeigen die neuen Befragungsergebnisse, dass es zu Verbesserungen gekommen ist, jedoch ist immer noch eine Vielzahl von schweren Problemen existent.

Einkommen und Arbeitszeit

Jede dritte Befragte hat angegeben, dass sie regelmäßig mehr Stunden arbeitet als vereinbart. Beschäftigte haben berichtet, dass sie jederzeit für Mehrarbeit zur Verfügung stehen müssen. Die Hälfte hat auch angegeben, dass die Lage ihrer Arbeitszeit einseitig angeordnet wird. Von Vereinbarkeit und Planbarkeit des Familienlebens keine Spur. Umfang, Lage und Verteilung von Arbeitszeit und Freizeit ist ein wichtiger Faktor, der besonders für weibliche Beschäftigte darüber entscheidet, ob sie einen Arbeitsplatz mit der familiären Situation vereinbaren können.

Enormen Druck ausgesetzt

Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Wochenstunden der überwiegend Teilzeit-Beschäftigten ohne Abstimmung mit ihnen hinauf- und viel zu oft hinuntergesetzt werden. Jede Dritte hat dies bei der Befragung bestätigt. Die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die finanzielle Situation - Kürzung der Einkommen - setzt die Beschäftigten einem enormen Druck aus.

Aus den geschilderten Rahmenbedingungen ergibt sich schon fast die Antwort auf die Frage »Bekommen Sie für die geleisteten Mehrstunden einen 25-Prozent-Zuschlag ausbezahlt?«: 64 Prozent haben dies mit NEIN beantwortet und zehn Prozent haben erst gar keine Antwort auf diese Frage gegeben.

Die GPA-djp fordert von Schlecker die Rücknahme der bereits erwähnten Betriebsvereinbarung zum Mehrarbeitszuschlag, die offenbar den alleinigen Zweck verfolgt, die Beschäftigten um die Zuschläge für geleistete Mehrarbeit zu bringen und einen empfindlichen Einkommensverlust bedeutet. 76 Prozent haben angegeben, dass sie nach Verlassen der Filiale kontrolliert wurden (Taschenkontrollen). Vertrauen gegenüber den MitarbeiterInnen wird bei Schlecker nicht groß geschrieben. Obwohl derartige Maßnahmen Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre bedeuten und überhaupt nur unter sehr strengen rechtlichen Auflagen und auch dann nur sehr eingeschränkt möglich sind, scheint es Teil der Unternehmenskultur zu sein, die Beschäftigten zu verunsichern und unter Druck zu setzen. Diese Maßnahmen sind sofort einzustellen, da trotz Aufforderung der Arbeiterkammer und der GPA-djp, die Betriebsvereinbarung nach § 96 Abs. (1) Ziffer 3, zustimmungspflichtige Maßnahmen, nicht vorgelegt wurde.

Angst am Arbeitsplatz

Das Ergebnis der Auswertung auf die Frage »Fühlen Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz sicher?« ist nachvollziehbar. Die Hälfte hat diese Fragen mit NEIN beantwortet. Die weiblichen Beschäftigten stehen immer allein im Geschäft und sind für Kundenberatung, Nach- und Einschlichten der Waren, Kassa, Saubermachen usw. zuständig. Die dünne Personaldecke fordert die Beschäftigten doppelt. Als vorrangige Maßnahme braucht es aus Sicht der GPA-djp daher umgehend die personelle Aufstockung in der Filialbetreuung. Auch Verhaltensschulungen und baulich/technische Investitionen in die Sicherheit der Beschäftigten sind notwendig.

Aus vielen persönlichen Anmerkungen der Frauen geht hervor, dass sie »angehalten« sind abgelaufene Ware zum Vollpreis zu kaufen, damit sich die Firma die Abschreibung erspart. Der Druck auf die Erfüllung von Verkaufszielen geht so weit, dass MitarbeiterInnen und ihre Familien Bestellungen tätigen, nur um Ermahnungen und in der Folge angedrohten Kündigungen zu entgehen.

Interessen durchsetzen

Nach Veröffentlichung der Ergebnisse und der Forderungen der GPA-djp meldete sich auch das Unternehmen Schlecker und ließ über die Medien ausrichten, dass es alle Vorwürfe über schlechte Arbeitsbedingungen zurückweise, denn es handle sich bei der Befragung um eine »nicht-repräsentative, willkürliche Stichprobe«. Darüber hinaus seien die erhobenen Vorwürfe nach der anonymen Umfrage »durch nichts beweisbar und vollkommen haltlos«.

Doch auch Beschäftigte der Firma meldeten sich aufgrund der breiten Berichterstattung zu Wort und schilderten ihren Arbeitsalltag. Trotz öffentlicher Bestätigung aller Ergebnisse von diesen Beschäftigten verweigert die Geschäftsführung von Schlecker die Realität und den Dialog. Die GPA-djp scheut sich nicht auch den Rechtsweg zu beschreiten, um den ArbeitnehmerInnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Viele Frauen haben bereits den Weg zu uns in die Beratung gefunden und sich umfassend informiert.

Darüber hinaus haben an die 100 Beschäftigten bei der Befragung angegeben, dass sie sich mit Unterstützung der GPA-djp für ihre Rechte bei Schlecker einsetzen möchten. Diese Beschäftigten werden wir in die Planung weiterer Schritte miteinbeziehen, um ein Vertrauensleutesystem bei Schlecker aufzubauen. Eine eigene Internetplattform für die Beschäftigten bei Schlecker ist eine weitere Initiative, um Fragen direkt zu beantworten, oder auch den Frauen untereinander Kommunikation und Vernetzung zu ermöglichen.

Die GPA-djp hat die sozialpartnerschaftliche, paritätische Schlichtungsstelle nach dem Handelskollektivvertrag angerufen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Gewerkschaft erwartet, dass die Sozialpartner gemeinsam das Unternehmen Schlecker auffordern, alle rechtlichen Bestimmungen sofort korrekt umzusetzen und die aufgezeigten Probleme und Missstände im konstruktiven Dialog lösen, wie es auch schon einige Firmen getan haben. Wir erwarten uns, dass sich die Wirtschaftskammer klar auf der Seite des Rechts positioniert. Es muss auch im Interesse der ArbeitgeberInnen im Handel liegen, dass »Alle« die gesetzlichen Spielregeln einhalten und darüber hinaus, eigentlich selbstverständliche, menschenwürdige Arbeitsbedingungen anbieten.

Weblinks
Alle Infos zum Mehrarbeitszuschlag:
www.gpa-djp.at/Mehrarbeitszuschlag 
Alle Infos zum Thema Schlecker:
www.gpa-djp.at/schlecker

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
anita.stavik@gpa-djp.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum