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Brigitte Ruprecht Um Chancengleichheit vor allem in den Vorstandsgremien und Aufsichtsräten der Wirtschaft zu erreichen, muss bei der Vergabe eines Arbeitsplatzes eine gleich hoch qualifizierte Frau einem gleich hoch qualifizierten Mann vorgezogen werden.
Brigitte Ruprecht

Frischer Wind

Interview

Brigitte Ruprecht über Krisen, Quoten, typisch weibliche Zurückhaltung und ihre Pläne als neue ÖGB-Frauenvorsitzende.

Zur Person
Brigitte Ruprecht

Geboren: 1963
Startete ihre Berufslaufbahn mit einer Lehre zur Großhandelskauffrau (damals noch Großhandelskaufmann).
Ab 1994 war die gebürtige Linzerin ÖGB-Landesfrauensekretärin in Oberösterreich.
Beim 16. ÖGB-Frauenkongress am 3. Juni 2009 wurde sie als Kandidatin der FSG mit 81,6 Prozent der Stimmen zur ÖGB-Frauenvorsitzenden gewählt.

Arbeit&Wirtschaft: Vor deiner Wahl hast du unter anderem in einem Gespräch mit den Oberösterreichischen Nachrichten gemeint, dass die Menschen dir zutrauen, frischen Wind in die ÖGB-Frauen zu bringen. Was können wir uns diesbezüglich erwarten?

Brigitte Ruprecht: Allgemein möchte ich etwas Bundesländerduft nach Wien bringen. Denn in den Bundesländern sehen manche Probleme anders aus, zum Beispiel punkto Arbeitslosigkeit. Hier kommen in ländlichen Bereichen oft noch die Pendlerproblematik oder unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten hinzu. Ansonsten ist eines meiner Hauptanliegen, die Einkommensschere zu verringern. Daran arbeiten wir schon lange, trotzdem sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen mit 25,3 Prozent in Österreich nach Estland am zweithöchsten in der EU. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Die Absicht, diesbezüglich etwas zu verändern gibt es ja schon sehr lange, und es wurde auch schon einiges getan. Welche konkreten Maßnahmen sind weiter geplant bzw. schon im Laufen?

Derzeit wird der Nationale Aktionsplan zur Gleichstellung der Frauen am Arbeitsmarkt von den Sozialpartnern erarbeitet. Dieser soll bis Ende 2009 fertig sein. Eine Maßnahme, die zu setzen ist, ist die Arbeitsplatzbewertung. Mit Hilfe entsprechender Modelle müssen verschiedenste Arbeitsplätze objektiv bewertet und vergleichbar gemacht werden. Vor allem der Vergleich von typisch weiblichen und typisch männlichen Arbeitsstellen würde sich positiv auf die Entlohnung in den klassischen Frauenberufen auswirken. Für unerlässlich halte ich auch die Einführung eines ständig aktualisierten Online-Lohn- und Gehaltsrechners, mit dem festgestellt werden kann, welches Einkommen für welchen Beruf üblich ist.

Ist eine Ursache für die großen Einkommensunterschiede nicht auch die Teilzeitarbeit, die vor allem wegen der Kinderbetreuung bei Frauen relativ häufig ist?

Natürlich, 80 bis 85 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Ich sehe hier einige Lösungsansätze: Durch eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung könnten sich auch Väter mehr um ihre Kinder kümmern. So lang dies aber nicht der Fall ist, müssen vermehrt Teilzeitmöglichkeiten in qualitativ hochwertigen Jobs mit Rückkehrrecht in eine Vollzeittätigkeit geschaffen werden. Denn ein weiterer Nachteil von Teilzeitjobs ist, dass diese ArbeitnehmerInnen meist von innerbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen ausgeschlossen werden, und somit die Aufstiegschancen insgesamt gering sind. Nicht zu vergessen ist auch, dass langjährige Teilzeitphasen im Alter zu einer niedrigen Pension führen.

Ist es nicht gerade jetzt, angesichts der Wirtschaftskrise besonders schwierig sowohl für sich persönlich etwas durchzusetzen als auch Frauenanliegen ganz allgemein?

Es gibt immer irgendein Thema, weswegen eine Forderung für realitätsfern gehalten wird.  Jetzt ist es eben die Wirtschaftskrise, und wenn es die nicht ist, dann ist es etwas anderes. Aber irgendwann müssen wir mit Gerechtigkeit anfangen. Außerdem: Wenn die Menschen mehr verdienen, dann können sie auch mehr Geld ausgeben, und das wiederum kurbelt die Wirtschaft an.

Du hast dich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, dass es Quoten geben soll. Was aber bringen Quotenregelungen den Frauen wirklich?

Die Einführung einer verpflichtenden Quote wäre eine notwendige Maßnahme, um ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in den Führungspositionen zu schaffen. Hochqualifizierte Frauen gelangen teilweise nicht in bestimmte Positionen, weil Männer in letzter Konsequenz wieder Männer unterstützen. Um eine Chancengleichheit vor allem in den Vorstandsgremien und Aufsichtsräten der Wirtschaft zwischen Frauen und Männern zu erreichen, muss bei der Vergabe eines Arbeitsplatzes eine gleich hoch qualifizierte Frau einem gleich hoch qualifizierten Mann vorgezogen werden.

Was waren deine größten Erfolge als Landesfrauensekretärin in Oberösterreich?

Das Positivste war die Erfahrung, dass wir Frauen gemeinsam viel erreichen können. Wenn sich eine auf die andere verlassen kann, dann geht auch etwas weiter. Konkret haben wir in Oberösterreich beispielsweise mit der Arbeitsstiftung FEM-Implacement für arbeitslose Frauen, die technisch oder handwerklich interessiert sind, wichtige Erfolge erzielt.

Deine Vorgängerinnen waren zusätzlich ÖGB-Vizepräsidentin und außerdem im Nationalrat.

Wir ÖGB-Frauen haben schon vor meiner Kandidatur vereinbart, dass sich die Frauenvorsitzende in Zukunft voll und ganz dieser Aufgabe widmen können soll. Dazu stehe ich. Außerdem gab es früher sechs VizepräsidentInnen, jetzt sind es zwei, was doch einiges an Mehrarbeit bedeutet. Was den Nationalrat betrifft, stehe ich derzeit sowieso auf keiner Liste. Renate Csörgits wird ihr Mandat weiter ausüben. Manche sehen das vielleicht als Machtverlust für meine Position, mir geht es aber nicht um Macht, sondern darum, für die Frauen etwas weiter zu bringen.

Last but not least: Was waren deine persönlichen Beweggründe, sich der Frauenpolitik zu widmen?

Ich komme aus einer typischen Arbeiterfamilie, wir waren fünf Töchter. Mein Vater machte drei Schichten, um das Geld für seine Familie zu verdienen, meine Mutter kümmerte sich zu Hause um alles. Irgendwie hat es mich schon in der Schule gestört, dass die Buben viel häufiger ungestraft schlimm sein konnten. Nach der Lehre bei einer Voest-Tochter, wo damals noch 30 bis 40 Lehrlinge ausgebildet wurden, war es so, dass prinzipiell alle Burschen Sachbearbeiter wurden und die Mädchen Schreibkräfte. Ich habe mich dann mehrmals um einen Sachbearbeiter-Job beworben, immer wieder wurde ein Mann vorgezogen. Erst als ich nach zweieinhalb Jahren beim fünften Mal energischer aufgetreten bin und Argumente wie »junge Frau, frisch verheiratet« etc. nicht mehr gelten ließ, habe ich den Job bekommen. Ein paar Jahre später, bei meiner nächsten Tätigkeit in einem anderen Betrieb, erfuhr ich erst nach längerer Zeit, dass mein Kollege von Anfang an 1.000 Schilling mehr bekommen hatte als ich. Die Reaktion meines Vorgesetzten war: »Hätten Sie was gesagt, wir hätten Ihnen das auch gezahlt« - und ich bekam die entsprechende Gehaltserhöhung. Das bekommen übrigens Frauen auch heute noch zu hören: »Sie haben ja nichts gesagt …!«

Frauen müssen sich also auf die Füße stellen, um entsprechend bezahlt und behandelt zu werden?

Gesetze und Quoten sind wichtig, aber das ist nicht alles. So wie in meinem Fall, wo die Bezahlung dann zwar stimmte, aber wenn der Chef Besuch bekam, dann war in der Regel ich diejenige, die Kaffee kochte. War mal schnell ein Brief abzutippen, dann bekam ich als Sachbearbeiterin diese Aufgabe und nicht mein Kollege, der die gleiche Ausbildung hatte. Mit derartigen typisch weiblichen Problemen am Arbeitsplatz - von Diskriminierung bis zur sexuellen Belästigung - war ich direkt und indirekt immer wieder konfrontiert. Irgendwann wollte ich dagegen etwas unternehmen und meldete mich für die Gewerkschaftsschule an.

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