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Mitschuld an der Krise Höhere Lebenserwartung führt dazu, dass ein Teil der Menschen sich bei ihren Ausgaben einschränken müsste. Finanzieren ließe sich dies nur mit höheren Pensionsabgaben und/oder Steuern.

Mitschuld an der Krise

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Der ehemalige Direktor der Nationalbank erläutert, wie Pensionssystem und Finanzmarktkrise zusammenhängen.

Zu den Opfern der weltweiten Finanzkrise mit ihren stark gesunkenen Aktienkursen zählen leider auch jene, die für Pensionen im Alter angespart haben. Sowohl diejenigen, die schon in Pension sind und nun erleben müssen, dass die Höhe der Pensionszahlungen, für die sie gespart hatten, kräftig gesenkt wird, als auch diejenigen, die derzeit noch in einen Pensionsfonds einzahlen und feststellen müssen, dass die Pension, die sie einmal erhalten sollen, wesentlich kleiner sein wird, als man für sie ursprünglich berechnet hatte. Für diese Situation wissen die FinanzmanagerInnen zahlreiche Gründe anzuführen. Was sie aber geflissentlich verschweigen ist der Umstand, dass der Ausbau der privaten Pensionsvorsorge eine der Ursachen für das ganze Dilemma auf den Finanzmärkten ist.

Güter- und Leistungsvolumen
Fangen wir aber schön der Reihe nach an: Vorerst ist es eine durch nichts wegzudiskutierende Tatsache, dass das, was sich die PensionistInnen kaufen können, immer nur ein bestimmter Anteil an dem in der Volkswirtschaft »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumen« ist. Dieses »zur Verfügung stehende Güter- und Leistungsvolumen« wird zwischen den Berufstätigen und den von ihnen erhaltenen, also neben den noch nicht berufstätigen Kindern und den nicht berufstätigen Familienangehörigen - jedenfalls die Hausfrauen - und vor allem den PensionistInnen verteilt. Jede dieser Personengruppen erhält ihren Anteil am »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumen« und zwar vorerst unabhängig davon, wie der Erwerb dieses Anteils finanziert wird.

Lebenserwartung steigt
Nehmen wir nun an, dass sich im Zeitverlauf die Anzahl der PensionistInnen erhöht, während die Anzahl der Menschen in den anderen angeführten Gruppen gleich bleibt. Das ist eine sehr realistische Annahme. Tatsächlich steigt die Lebenserwartung spürbar, sodass im Zeitverlauf immer mehr PensionistInnen einer kaum steigenden Zahl von Erwerbstätigen gegenübersteht. Das »zur Verfügung stehende Güter- und Leistungsvolumen« bleibt in dieser Annahme gleich. Tatsächlich steigt auch dieses langsam, aber viel weniger schnell, als es zur Ausschaltung der hier geschilderten Problematik notwendig wäre.
Das Resultat aus diesen Annahmen ist unausweichlich: Soll jede Pensionistin, jeder Pensionist gleich viel aus dem »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumen« wie bisher bekommen, dann muss - in Summe - jeder aus den anderen Gruppen weniger bekommen. Umgekehrt, wenn jeder aus den anderen Gruppen weiterhin gleich viel bekommt, dann muss jede Pensionistin, jeder Pensionist weniger bekommen.
Es gibt grundsätzlich drei Wege, wie dieses Dilemma gelöst werden kann:

  1. Es bekommt jede/jeder Berufstätige - und die von ihm/ihr erhaltenen Kinder und anderen Familienmitglieder - weniger Güter und Leistungen. Wohlgemerkt, hier geht es nicht um Geld, sondern um tatsächlich konsumierte Waren und Dienstleistungen. Oder
  2. es bekommt jede Pensionistin, jeder Pensionist weniger Güter und Leistungen, oder
  3. das Verhältnis zwischen der Zahl der Berufstätigen und der Zahl der PensionistInnen wird geändert, also das tatsächliche Pensionsantrittsalter wird hinaufgesetzt.

Natürlich kann es auch zu jeder beliebigen Kombination dieser drei Lösungsansätze kommen.

Umlagesystem
Wohlgemerkt: Wir haben bis jetzt nur vom »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumen« gesprochen und nicht von der Finanzierung des Kaufs dieser zur Verfügung stehenden Güter und Leistungen. In dem in Österreich und den meisten Industriestaaten traditionellen System wurde der Erwerb von Gütern und Leistungen durch PensionistInnen von diesen aus ihren Pensionen finanziert. Und diese Pensionen wurden ihrerseits aus den Pensionsbeiträgen der Berufstätigen (und - in Österreich nur zu einem sehr geringen Teil - aus Steuern) finanziert. Das nennt man mit einem Fachausdruck ein Umlagesystem.
Das hat jahrzehntelang recht gut funktioniert. Aber die steigenden PensionistInnenzahlen haben die Sorge ausgelöst, dass dieses System auf Dauer nicht funktionieren kann. Das Dilemma, dass entweder jeder weniger bekommt oder die Menschen erst später in Pension gehen können, glaubte man dadurch lösen zu können, dass man die Art der Finanzierung der Pensionen ändert. Das Umlagesystem sollte durch ein System des Ansparens für Betriebs- und Privatpensionen ergänzt werden. Weil in Zukunft für die PensionistInnen zu wenig Geld da sein wird, sollen die Berufstätigen jetzt Geld sparen, das sie dann später, wenn sie in Pension sind, ausgeben können.

Diese - teilweise - Umstellung der Finanzierung ändert natürlich überhaupt nichts an der Verteilung des »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumens«, wie wir sie oben beschrieben haben. Im günstigsten Fall kann sie dazu dienen zu verschleiern, dass die Berufstätigen eben einen Teil dessen, was sie sonst für Güter und Leistungen ausgegeben hätten, nun für die Pension ansparen. Also realwirtschaftlich würden die Ausgaben der Berufstätigen sinken müssen. Doch vom Standpunkt der FinanzdienstleisterInnen (Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften etc. und ihrer vielen Finanzprofis) war dieses Ansparen natürlich eine blendende Idee. Denn da konnte man den SparerInnen die verschiedensten Produkte verkaufen - und egal wie gut oder schlecht das einzelne Produkt auch sein mochte, der Finanzdienstleister hat daran in jedem Fall verdient.
Der Politik war diese Ablenkung vom eigentlichen Problem nur recht. Sie fürchtete sich - wahrscheinlich zu Recht - davor, den Menschen klarzumachen, dass eine höhere Lebenserwartung dazu führt, dass ein Teil der - wenn nicht sogar alle - Menschen sich bei ihren Ausgaben ein wenig einschränken müssten, und dass man dies mit höheren Pensionsabgaben und/oder Steuern werde finanzieren müssen. Ebenso waren die PolitikerInnen nicht bereit, wirkungsvolle Maßnahmen zur Erhöhung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters zu setzen. So stimmten sie begeistert zu, dass private Vorsorge die Probleme lösen könne und machten sich für diese private Vorsorge stark.

Dreisäulenmodell
Es wurde das Dreisäulenmodell zur Finanzierung der Pensionen propagiert:

  1. Staatliche Pensionen nach dem Umlageprinzip
  2. Betriebliche Zusatzpensionen aus Pensionsfonds
  3. Privates Ansparen für Pensionen, oft auch über Anlagefonds

Das Ganze erschien den allermeisten Menschen auch logisch. Wenn der Staat in Zukunft zu wenig Geld für die Pensionen haben würde - und das gaben die »Fachleute« und die von ihnen beratenen PolitikerInnen auch zu -, dann müsse der/die Einzelne eben für seine/ihre Pension rechtzeitig ansparen. Das entsprach auch der allgemeinen Lebenserfahrung der Menschen: Was man während seiner Berufstätigkeit anspart, das steht einem später in der Pension zusätzlich zur Verfügung.
Für den Einzelnen mag das sogar stimmen. Doch das Problem der Verteilung des »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumens« wird damit leider nicht gelöst. Im Gegenteil entstand nun ein gewaltiges volkswirtschaftliches Problem. Denn es waren große und immer größer werdende Ansparbeträge zu veranlagen, denen nicht unbedingt größere Anlagemöglichkeiten gegenüberstanden.
Die Finanzanlageprofis wollten an diesen Veranlagungen natürlich verdienen, sie hatten mit ihren Warnungen vor der Unfinanzierbarkeit des Pensionssystems sogar maßgeblich dazu beigetragen, dass es nun dieses nach Anlagen suchende Ansparkapital gab. Sie mussten nach - sogar hoch verzinslichen - Anlagen suchen, denn das hatten sie ja den SparerInnen - und der Politik - versprochen.

Anlageformen gesucht
Die Finanzdienstleister suchten also nach hochprofitablen Anlagen für das ihnen anvertraute Kapital. In einem Markt wo viel Kapital angeboten wurde, waren die Zinsen dafür - außer bei sehr riskanten Anlagen - natürlich nicht allzu hoch. Also mussten es Anlagen sein, bei denen man nicht nur Zinsen bekam, sondern auch am steigenden Wert der Anlage verdienen konnte.
Da boten sich vor allem zwei Anlageformen an: Aktien und Firmenbeteiligungen sowie Realitäten - Grundstücke und Gebäude - und die zu ihrem Ankauf aufgenommenen Hypotheken. Hier konnte man bei entsprechender Nachfrage mit starken Preissteigerungen und damit - zumindest am Papier - mit hohen Gewinnen rechnen. Weil das so gut zu funktionieren schien, wurden auch die verschiedensten neuen Anlageformen, welche selbst die FinanzdienstleisterInnen nicht verstanden, erfunden.
Da immer mehr Länder das »Ansparen« für die Pensionen entdeckten, war der Überhang an anlagesuchenden Geldern bald gewaltig. Sogar in Österreich, wo man noch dazu gegen den Rat von Fachleuten wie der AK eine sehr hohe Veranlagung in Aktien vorgeschrieben hatte. Die Preise für diese Anlagen stiegen angesichts der Angebote der durch die vielen Anleger erzeugten Nachfrage zwar tatsächlich stark an. Doch der wirkliche Wert dieser Anlagen hielt mit ihren gestiegenen Preisen kaum mit.
Aktien wurden zu hohen und immer weiter steigenden Preisen gehandelt, obwohl die Ertragskraft der Firmen in keiner Weise so stark gestiegen war. Realitäten wurden immer teurer, weil für immer mehr Menschen deren Kauf mit Hypotheken finanziert wurde, obwohl klar sein musste, dass die Einkommen dieser Menschen zur Abzahlung dieser Hypotheken nicht ausreichen würden - erst recht nicht zu den Preisen, zu denen sie gekauft hatten.

Die Blase platzt
Man nennt solche Überpreise »Blasen« und - wie die Erfahrung lehrt - früher oder später platzen sie immer. Plötzlich fallen die Preise für die vorher so hoch gepriesenen Anlagen ins Bodenlose. Manchmal bis auf Null! In so überhitzten Märkten machen sich aber auch stets alle möglichen - oder besser gesagt unmöglichen - GaunerInnen breit, die mit Schneeballsystemen ahnungslosen InvestorInnen das Geld aus der Tasche ziehen.
Die als Banken ein wahnsinnig großes Rad drehen, um dann urplötzlich ihre Zahlungsunfähigkeit zu erklären und ihre Anleihen nicht mehr zu bedienen. Die Aktiengesellschaften gründen, deren wirklicher Zweck darin besteht, den GründerInnen sichere Einnahmen in Form von Provisionen und Gebühren zu bescheren, unabhängig davon, ob die AktionärInnen, denen man die Aktien angedreht hatte, dabei ihr gutes Geld verlieren.
Es kommt also zur Finanzkrise, wie wir sie derzeit erleben. Die Finanzkrise schlägt sehr bald in die reale Wirtschaft durch. Denn wenn das Bankensystem nicht mehr einwandfrei funktioniert, fehlt den KonsumentInnen das Geld für den Konsum und den Unternehmen fehlt das Geld für Investitionen und sogar für den laufenden Betrieb. In der heute globalisierten Weltwirtschaft wurde diese Finanzkrise von den Ländern mit unzureichenden staatlichen Pensionen wie den USA und England ausgehend sehr rasch zu einer weltweiten Finanzkrise. Die dadurch ausgelöste Wirtschaftskrise breitete sich auch sehr rasch über die ganze Welt aus.

Die Opfer der Finanzkrise sind vor allem jene SparerInnen, deren Sparen die ganze Übernachfrage nach Anlagemöglichkeiten ausgelöst hat. Denn sie verlieren einen Teil (manchmal sogar alles) dessen, was sie für ihre Pensionen angespart hatten. Ihr Kapital wurde in der Finanzkrise zumindest teilweise vernichtet. Volkswirtschaftlich geht sich damit die Sache wieder aus. Es ist nun wieder weniger anlagesuchendes Kapital vorhanden. Aber die Hoffnung, sich mit finanziellen Tricks um die Lösung des Problems der Verteilung des »zur Verfügung stehenden Güter- und Leistungsvolumens« drücken zu können, ist gescheitert. Es war eine schöne Illusion, aber eben nur eine Illusion.
Um jedes Missverständnis auszuschließen: Die Umstellung der Pensionsfinanzierung ist sicher nicht die einzige und wahrscheinlich sogar nicht die wichtigste Ursache für die Finanzkrise. Da sind noch viele andere Faktoren am Werk. Dennoch gilt es, aus dem Fehler, den man mit dem Versuch der Lösung der Pensionsprobleme durch Ansparmodelle gemacht hat, zu lernen.

Verteilungsfrage lösen
Ob es uns passt oder nicht, wir werden die Finanzierung der Käufe von Gütern und Leistungen durch unsere älteren Menschen auch in Zukunft ganz überwiegend mit dem bewährten Umlageverfahren bestreiten müssen. Wir werden uns nicht um die Lösung der realen Verteilungsfrage, wie sie oben beschrieben wurde, drücken können. Denn alle Versuche von Finanzdienstleistern und PolitikerInnen, das mit Finanztricks zu lösen, würden wieder nur in eine Finanzkrise führen.

KURZ GEFASST
Dr. Thomas Lachs, ehemaliger Direktor der Österreichischen Nationalbank, erklärt, welchen Anteil die Umstellung vom Umlageprinzip auf Dreisäulenmodell zur Pensionssicherung auf die aktuelle Finanzmarktkrise hatte. Dieses Modell beruht auf der Pensionsfinanzierung durch staatliche Pensionen nach dem Umlageprinzip, betrieblichen Zusatzpensionen aus Pensionsfonds und privates Ansparen für Pensionen, oft auch über Anlagefonds. Durch die dritte Säule mussten immer größer werdende Ansparbeträge gut verzinst veranlagt werden. Der Markt bot aber nicht unbedingt größere Ansparmöglichkeiten. Aktien, Firmenbeteiligungen und Realitäten: In diesen überhitzten Märkten blühten windige Geschäfte. Die Blase platzte.
Der Autor schließt: "Ob es uns passt oder nicht, wir werden die Finanzierung der Käufe von Gütern und Leistungen durch unsere älteren Menschen auch in Zukunft ganz überwiegend mit dem bewährten Umlageverfahren bestreiten müssen."

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