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Rechts, zwo, drei, vier Beim aktuellen Parteiobmann der FPÖ, H. C. Strache, ist eine noch stärkere Affinität zur deutschnationalen Szene gegeben als beim Vorgänger, und die Islamparanoia ist mittlerweile zum Hauptwahlprogramm aufgestiegen.

Rechts, zwo, drei, vier

Schwerpunkt

Rechtsrechte Parteien gewinnen in der EU immer mehr an Bedeutung. Sie nähren Fremdenhass und schüren Ängste.

Jene politischen Kräfte, die seit den 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts rechts von den liberal-konservativen Parteien aufsteigen, sind in Westeuropa zwei gegensätzlichen Polen zuzuordnen, während die extreme Rechte der deutschsprachigen Länder, aber auch Osteuropas eine Sonderrolle spielt.

Gegen Einwanderung und Sozialstaat
Einerseits gibt es Parteien, die eine Ein-Punkt-Programmatik oder, häufiger, ein aus zwei zentralen Punkten bestehendes Agitationsprogramm vertreten: gegen Einwanderung sowie gegen Steuern und Sozialstaat. Sie erscheinen als eine Art scharfmachendes Korrektiv zu den Konservativen und Liberalen. Dies gilt etwa überwiegend für die holländischen RechtspopulistInnen und ihre skandinavischen Pendants, zum Beispiel die seit 30 Jahren auf der politischen Bühne präsente Fortschrittspartei in Norwegen, die überwiegend eine Anti-Steuer-Politik betreibt.
Das Ziel dieser Kräfte ist, die in der bürgerlichen Gesellschaft bestehenden sozialen Hierarchien noch zu vertiefen und gegen jene zu treten, die am weitesten unten stehen. Die bis heute bestehende »ethnische« Prägung des Arbeitsmarkts durch »GastarbeiterInnen«, die nach wie vor die niedrigsten Positionen auffüllen, hat zu diesem Bewusstseinsbild beigetragen. Ebenso die Erfahrung, dass zwar der Lebensstandard in den kapitalistischen Metropolenländern weit höher liegt als in der übrigen Welt, dass aber dieser Standard für die meisten ArbeitnehmerInnen bereits wieder im Abbau begriffen ist. Teile der Gesellschaft wollen nun ein Rückzugsgefecht um ihre erreichten Positionen gegen den Rest der Welt führen.
Diese politischen Kräfte sind meistens pro-westlich eingestellt und sehen die Bedrohung in der Einwanderung, in der sogenannten Dritten Welt und in der »Einkreisung« der reichen Länder. Dabei dient »der Islam« unreflektiert als wichtigste ideologische Chiffre. Diese vermag es, die Abscheu vor der »Barbarei« der armen Länder mit jener gegen die Anwesenheit von MigrantInnen auf europäischem Boden zu verbinden. Das beinhaltet meist eine eher pro-amerikanische, und in der Mehrzahl der Fälle auch eine pro-israelische Ausrichtung.

Die »revolutionäre Rechte«
Andererseits finden wir Parteien und Bewegungen, die eher als »revolutionäre Rechte« im Sinne des israelischen Historikers und Faschismus-Spezialisten Zeev Sternhell gesehen werden können. Diese Kräfte reden nicht nur gegen jene an, die ohnehin sozial unten stehen. Sie wettern auch gegen die dominierenden gesellschaftlichen Eliten, oder jedenfalls einen Teil von ihnen. Sie betreiben dies unter Zuhilfenahme der gleichen argumentativen Grundform, nämlich auf der Basis biologisierter Kriterien wie Abstammung, »Rasse«, Geburt. Dadurch wollen sie die Nation (oder Europa) nicht nur gegen »unten« und gegen »außen« abgrenzen, sondern einfach hermetisch dicht machen.

Antisemitismus
Der Antisemitismus und verschwörungstheoretische Einlagen, etwa gegen finstere konspirative Lobbys, erlauben, was das Ein-Punkt-Programm gegen die MigrantInnen allein nicht kann, näm-lich eine alle möglichen gesellschaftlichen Aspekte umfassende, in sich geschlossene Gesellschaftstheorie und eine vermeintliche »revolutionäre Alternative« zu stiften.
Auf dieser Grundlage kann man noch weit effektiver um die Verlierer der Gesellschaft werben und eine auf Dauer von den bürgerlich-konservativen Parteien autonom auftretende, »gehärtete« politische Kraft aufbauen. Solche politischen Kräfte schmücken sich oftmals mit anti-westlichen ideologischen Versatzstücken und erklären die bestehende internationale Hierarchie auf verschwörungstheoretische Weise. Ihr Masseneinfluss wächst oftmals vor dem Hintergrund einer ideologischen Krise oder eines Niedergangs der Linken. Dies gilt etwa, in den Jahren nach 1989, für die französische Front National.
Eine Sonderstellung bei dem ganzen Fragenkomplex nimmt die Rechte in Deutschland und Österreich ein: Bei ihr steht auch die Abwehr historischer Schuld der eigenen Nation im Vordergrund, und dieser Versuch richtet sich gegen, aus der NS-Vergangenheit resultierende, Ansprüche und Kritik aus Israel. Ein Jörg Haider ebenso wie ein Jürgen Möllemann konnten erfolgreich auf der Klaviatur des »Man wird doch noch über Israel sagen dürfen ...« spielen. Die eindeutig zweideutigen Anspielungen (Ostküste, Herr Greenberg, Ariel Muzicant) sind noch in Erinnerung und geschehen namentlich vor dem Hintergrund eines sekundären Antisemitismus, der den Juden und Israel nicht verzeiht, dass eine »Normalisierung« der eigenen Nation ausbleibt. Beim aktuellen Parteiobmann der FPÖ, H. C. Strache, ist eine noch stärkere Affinität zur deutschnationalen Szene gegeben als beim Vorgänger, und die Islamparanoia ist mittlerweile zum Hauptwahlprogramm aufgestiegen.
Die osteuropäische Rechte wiederum weist wesentlich weniger die pro-amerikanische und pro-wirtschaftsliberale Komponente auf, die beispielsweise die holländischen AnhängerInnen Pim Fortuyns oder Geert Wilders’ prägten. Dies hängt damit zusammen, dass wesentliche Teile der osteuropäischen Gesellschaften, die auch die Basis dieser Parteien bilden, zu den Verlierern des Transformationsprozesses zur neoliberalen Marktwirtschaft nach 1989 zählten.

Verschwörungstheorien
Vor diesem Hintergrund ist »der Westen«, aber insbesondere auch Israel bei den dortigen rechten Parteien, die oft soziale Frustrationen ihres Publikums artikulieren und nationalistisch oder rassistisch aufladen, oft stark negativ besetzt. Heutzutage vermischt sich das mit Verschwörungstheorien, die vereinfachend und verkürzt beantworten, wie die eigenen Ländern unter westliche Vorherrschaft geraten konnten.

Partei der Wahrheit und des Lebens
In Ungarn vertritt die rechtsextreme Partei der Wahrheit und des Lebens unter dem berüchtigten Schriftsteller István Csurka (sie wurde vom konservativen Lager unter dem damaligen Regierungschef Viktor Orbán zeitweise als Bündnispartner umworben) einen rabiaten antisemitischen Diskurs. Doch mittlerweile wird das Banner der Rechten von anderen stärker geschwenkt.
»In Zusammenhang mit der Partei Jobbik (Besser/Rechter) und der Magyar Gárda (Ungarische Garde) kann und sollte man aus zwei Gründen besorgt sein. Einerseits wegen der Stimulierung und der Verstärkung der in der Gesellschaft vorhandenen Vorurteile, andererseits weil es scheint, dass sich jetzt ein rechtsradikales Lager institutionalisiert und bleibend etabliert hat«, sagt Zsolt Enyedi, Institutsvorstand für Politologie der Central European University in Budapest. Er führt die Ereignise der letzten Zeit auf einige unterschiedliche Faktoren zurück. »In den vergangenen Jahren ist es zu immer mehr Aggression im politischen Leben gekommen, erst verbal, dann auch real. Die Rechte hat zur Gewalt der Straße gegriffen, die Regierung ist wegen der Polizeigewalt ins Kreuzfeuer geraten, beide werfen sich Übergriffe vor. Dieses Gewaltpotenzial, das sich, mit Ausnahme der Linken Zivilgesellschaft, allgemein bemerkbar macht, ist der Hintergrund für den Rassismus.«
»Die Mitglieder der Parteien der extremen Rechten sind, wenn sie auch vielleicht nicht zahlreicher, so jedenfalls sichtbarer und aggressiver geworden«, sagt Péter Feldmájer, der Präsident der Ungarischen Jüdischen Glaubensgemeinschaft MAZSIHISZ.
»Früher haftete ihnen der Geruch von Mottenkugeln an, doch mittlerweile sind jüngere Intellektuelle nachgewachsen, die die modernen Gegebenheiten, seien es die Medien, sei es das Internet, zu ihrem Vorteil nutzen, und sie sprechen eine Sprache, die sowohl von einschlägigen Elementen als auch von einer breiten Bevölkerungsschicht wahrgenommen wird.
Es gibt zwar leider keinen Blödsinn, den sich Menschen nicht ausdenken, aber ich bin Optimist und denke, dass die Verschwörungstheorien und der Rassismus zurückgehen werden.«

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Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Europa
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