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Mag. Hannes Schneller Mag. Hannes Schneller
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Aus AK und Gewerkschaften

Wichtige Rechte der ArbeitnehmervertreterInnen in Krisenphasen.
Teil 3: Anfechtung von »sozialwidrigen« Kündigungen und/oder Sozialplan?

Der Abbau von Arbeitsplätzen sollte das letzte Mittel sein, um ein Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage zu sanieren. Auch vonseiten der ArbeitgeberInnen-Interessenvertretungen ist zu lesen - meines Erachtens ein Zeichen einer funktionierenden Kultur der Sozialpartnerschaft: »Durch Personalabbau erreicht der Arbeitgeber die Senkung seiner Fixkosten, allerdings nur um den Preis von u. U. erheblichen Beendigungskosten (z. B. Abfertigung alt, Sozialplan, Kündigungsanfechtungsverfahren) und des Verlusts von Know-how, das oft auf Kosten des Arbeitgebers aufgebaut wurde. Personalabbau ist daher nur dann sinnvoll, wenn die Kostensenkung aus wirtschaftlichen Gründen unvermeidbar ist, und/oder wenn für die betroffenen Arbeitnehmer dauerhaft keine Verwendung mehr gefunden werden kann. Wegen dieser gravierenden Nachteile wird (neben Kurzarbeit oder Bildungskarenz; Anm.) oft der Weg der Beendigung von Arbeitsverhältnissen für zwei bis drei Monate mit Wiedereinstellungszusagen gewählt.«

Imageverschlechterung befürchtet
Hinzuzufügen ist: Nicht nur Know-how, sondern auch Motivation bei der »übrig gebliebenen« und stärker belasteten Belegschaft und »Betriebsgeheimnisse« sowie die eingespielte, koordinierte Produktivität eines Teams gehen durch Kündigungen verloren. So befürchten mehr als die Hälfte dazu befragter ManagerInnen die Verbreitung negativer Gerüchte (unter KundInnen, LieferantInnen etc.), die Störung des Betriebsfriedens und ganz allgemein eine Imageverschlechterung, wie aus einer aktuellen deutschen Umfrage hervorgeht (www.boecklerimpuls.de).

Zum Kündigungsschutz allgemein
Im Regelfall ist jedes Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen kündbar, und das selbst während des Urlaubs oder Krankenstands. Bestimmte ArbeitnehmerInnen (Schwangere, Personen in Mütter- oder Väterkarenz, Betriebsratsmitglieder, begünstigte Behinderte etc.) haben, oft nur vorübergehend, einen »besonderen Kündigungsschutz«. Alle anderen unterliegen nach sechsmonatiger Beschäftigung in einem Betrieb mit mindestens fünf ArbeitnehmerInnen dem sogenannten »allgemeinen Kündigungsschutz« (also Motiv- oder Sozialwidrigkeits-Anfechtungsmöglichkeiten) nach den §§ 105 bis 107 ArbVG. Für »jüngere« ArbeitnehmerInnen ohne Unterhaltsverpflichtungen ist dieser Schutz allerdings de facto kaum gegeben.
Die Einschätzung, ob noch Chancen für Kündigungsanfechtungen wegen Sozialwidrigkeit bestehen, oder ob für die von der Krise besonders betroffenen Arbeitsplätze nur noch über Abfederungen durch einen Sozialplan verhandelt werden soll, ist wohl eine der schwierigsten. Jeder Betriebsrat wird mit Unterstützung von Gewerkschaft und Arbeiterkammer versuchen, Arbeitsplätze zu retten. Erst wenn das aussichtslos ist, ist ein Sozialplan, der v. a. Geld- und Umschulungsleistungen (Arbeitsstiftungen!) vorsieht, der letzte Ausweg. Im Rahmen seiner »sozialen Gestaltungspflicht« müsste der Arbeitgeber und im Rahmen des »Sozialvergleichs« könnte der Betriebsrat jene ArbeitnehmerInnen, für die die Kündigung eine geringere soziale Härte darstellt, in den Sozialplan einbeziehen, jenen mit schlechteren Arbeitsmarktchancen oder höheren Unterhaltsverpflichtungen jedoch den Arbeitsplatz zu erhalten versuchen.

Anfechtungsverzicht bei Sozialplan
Zu beachten ist dabei, dass in einem Sozialplan vom Betriebsrat nicht rechtswirksam auf Kündigungsanfechtungen verzichtet werden kann. Dann besteht aber die Gefahr, dass der Arbeitgeber nicht bereit ist, einen angemessen dotierten Sozialplan abzuschließen, weil er ja keine Rechtssicherheit hat, gewisse Arbeitsverhältnisse beenden zu können. Der Betriebsrat hätte kaum »Verhandlungsmasse«. Nach der Rechtsprechung des OGH bietet sich aber eine für die Praxis tragbare Lösungsmöglichkeit an: Wenn das Vorverfahren, also die Verständigung des Betriebsrates von den beabsichtigten Kündigungen und die Beratungen darüber (§ 105 Abs. 1 und Abs. 2 ArbVG), gemeinsam mit den Sozialplanverhandlungen abgeführt wird und die von bevorstehenden Kündigungen vermutlich Betroffenen schon in den Sozialplan »aufgenommen« werden, können die darauf folgenden Kündigungen vom sogenannten »Sperrrecht« des Betriebsrat rechtswirksam erfasst werden. Zwei Voraussetzungen sind zu beachten:

  • Es muss der »Anfechtungsverzicht« positiv formuliert bzw. vereinbart werden, nämlich als Verpflichtung des Betriebsrats, der Kündigung gemäß § 105 Abs. 6 ArbVG zuzustimmen (und nicht: »Der Betriebsrat verzichtet auf die Kündigungsanfechtung hinsichtlich ...«)
  • Die zeitliche Nähe zwischen dem Vorverfahren und tatsächlichem Kündigungsausspruch ist zu wahren.

Anfechtungsverfahren
Bei »Sozialwidrigkeit« (§§ 105 und 107 ArbVG) oder einer »vorgeschobenen« Entlassung (§§ 106 und 107 ArbVG)sind Anfechtungsverfahren möglich. Dabei sind wesentliche Interessen-Beeinträchtigungen der ArbeitnehmerInnen gegen betriebliche oder personenbedingte Gründe, welche die Kündigung rechtfertigen, gerichtlich abzuwägen.
Das Kündigungsanfechtungsverfahren des § 105 ArbVG lässt sich überblicksartig folgendermaßen darstellen:

a) Vorverfahren: Von jeder beabsichtigten Kündigung ist der Betriebsrat bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Beendigung zu verständigen, es sollte darüber beraten werden (beachte § 105 Abs. 2) und die ArbeitnehmerInnenvertretung kann innerhalb von fünf Arbeitstagen (der Verständigungstag zählt noch nicht, aber der Samstag in einem Handelsbetrieb z. B. schon, weil es sich um einen »betriebsüblichen Arbeitstag« handelt!) auf folgende Arten dazu Stellung nehmen:

  • ausdrücklicher, am besten schriftlicher, Widerspruch gegen die Kündigung (»die Zustimmung wird verweigert« genügt nicht!);
  • keine oder undeutliche (siehe oben) Stellungnahme (»schlichter Widerspruch«);
  • Zustimmung zur Kündigung (»Sperrecht« - weil der Weg zu Gericht versperrt wird; nur bei »Sozialwidrigkeit«, nicht aber bei verpöntem Motiv zulässig).

b) Jede ohne Zustimmung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist nur »schwebend wirksam«, wenn sie binnen einer Woche nach Verständigung des Betriebsrats (durch den Betriebsinhaber) vom erfolgten Ausspruch der Kündigung bei Gericht angefochten wird. Es bestehen drei Möglichkeiten der Klagseinbringung (§ 105 Abs. 4):

  • Zur Erhebung dieser »Anfechtungsklage« ist primär der Betriebsrat berechtigt, vorausgesetzt er hat der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen und der betroffene Arbeitnehmer hat ihn um die Anfechtung ersucht (aufgefordert).
  • Nimmt der Betriebsrat trotz ursprünglich angemeldeten Widerspruchs und trotz Zusage, dass er anfechten werde die Anfechtung nicht vor, können ArbeitnehmerInnen selbst binnen einer weiteren Woche (also in der 2. Woche nach dem Kündigungszugang) Anfechtungsklage erheben. In diesen beiden Fällen ist die kurze, einwöchige Anfechtungsfrist zu beachten!
  • Hat der Betriebsrat, obwohl er im Vorverfahren noch widersprochen hatte, gleich zum AN gesagt, dass er nicht anfechten werde (z. B.), stehen den betroffenen ArbeitnehmerInnen die erste und die zweite Woche ab Zugang der Kündigung an sie (Einlangen des Schreibens oder Zukommen der Mitteilung) als Klagseinbringungsfrist zur Verfügung.
    Die »Anfechtungsklage« muss binnen obiger Fristen (wieder zählt der Zugangstag nicht, aber ab dem folgenden Tag läuft die Frist, sodass ein Mitteilungszugang am Dienstag die Frist von Mittwoch bis Dienstag der Folgewoche laufen lässt) zur Post oder beim zuständigen Gericht zu Protokoll gegeben werden. Zuständig ist das »Betriebssitz-Gericht«, also jenes Landesgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen, in dessen Sprengel der Betrieb liegt.

c) Die Interessenabwägung durch das Gericht (Vorsitz durch einen bzw. in 2. und 3. Instanz durch drei Berufsrichter; je ein fachkundiger Laienrichter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite) hat die »wesentliche soziale Beeinträchtigung« der ArbeitnehmerInnen gegen »betriebliche Erfordernisse« bzw. »personenbedingte Kündigungslegitimität« zu umfassen. Nach freiem richterlichem Ermessen, unter Heranziehung aller vorgebrachten oder amtswegig verlangten Beweise, ist das Urteil zu finden. Die Verfahrensvorschriften des ASGG (Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz) und subsidiär der ZPO (Zivilprozessordnung) kommen zur Anwendung. Die jeweiligen Interessen sind einander im Anfechtungsverfahren objektiv, und nicht nach subjektiver Beurteilung von Kläger und Beklagtem, gegenüberzustellen: Hat der/die ArbeitnehmerIn erhebliche soziale Nachteile zu erwarten, der/die ArbeitgeberIn bei Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes jedoch nur relativ geringfügige organisatorische Nachteile, dann überwiegen die ArbeitnehmerInnen-Interessen und der Anfechtungsklage ist stattzugeben.

Welche Kriterien auf ArbeitnehmerInnen- und auf ArbeitgeberInnenseite für die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung gelten, beleuchten wir in der nächsten Ausgabe von A&W.

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