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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Du, mein Europa!

Meinung

Schuld sind die dort, war man einst überzeugt, bei uns daheim in den Bergen. Die machten unverständliche Gesetze. So weit weg, wie die von uns waren, hatten sie keine Ahnung von dem, was uns wichtig und für uns richtig war. Scharen von Beamten lebten dort auf unsere Kosten, sagte man.

Beamte, da wisse man ja Bescheid, wie die es mit der Arbeit so halten. Alles Unangenehme kam aus der fernen Hauptstadt - und dabei würden wir, das fleißige, tüchtige Bergvolk, doch besonders viel in die Töpfe einzahlen, aus denen sich alle anderen - nicht ganz so fleißigen und tüchtigen - schamlos bedienen würden. Der Dank dafür wären dann absurde Verordnungen, meinte man, und unsere wirklichen Probleme seien denen ja egal. Sicher, es saßen auch ein paar aus unserem Land im Parlament und manchmal auch in der Regierung, aber was konnten die schon ausrichten. Damals war Wien gemeint, heute höre ich dieselben Argumente in Bezug auf Brüssel.

Teil eines größeren Ganzen
15 Jahre ist es her, dass ich eine von 66,6 Prozent ÖsterreicherInnen war, die für einen EU-Beitritt unseres Landes gestimmt hat. Es schien mir vernünftig, Teil eines größeren Ganzen zu werden. Der freie Verkehr von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen erschien vielversprechend. Die Vorstellung, Dinge, die man bei Kurztrips nach München oder Sterzing erstanden hat jetzt endlich auch im heimischen Supermarkt zu erwerben, war ebenso vielversprechend, wie die, bei solchen Ausflügen auf den Pass verzichten zu können und keinen Grenzstaus ausgeliefert zu sein. Da konnten mich Blut in der Schokolade und Schildläuse im Joghurt nicht weiter erschrecken.

Ich mag dieses Europa. Schon als Kind habe ich - dank meiner Eltern - viele europäische Länder kennengelernt. Später dann noch mehr mit Interrail und Schüleraustausch. Klar faszinieren auch mich exotische Urlaubsziele, aber auch in Europa gibt es so viel zu entdecken: eine Ölmühle in Portugal, Schuhgeschäfte in Amsterdam, ein Marsch auf den Ätna, eine Mass im Englischen Garten, ein Wasserfall auf La Réunion. Und fast wie ein Wunder schien es, als vor fünf Jahren noch zehn Länder dazukamen, von denen sieben vor 1989 noch hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Was für ein Unterschied zwischen den Ungarn- und Prag-Ausflügen meiner Studienzeit und denen heute. Was mich fasziniert ist die Vielfalt der Regionen und Menschen mit ineinander verwobenen Kulturen und Geschichte. Und es war schön, zu diesem großen Ganzen dazuzugehören.

Ich beneide die jungen Menschen, die heute in dieser Union, diesem Zusammenschluss aufwachsen. Sie haben die Möglichkeit, Teile ihrer Ausbildung in anderen Ländern zu absolvieren, sie tauchen ein in andere Kulturen und leben dort. Das ist schon etwas anderes als ein Monat Interrail. 

Demokratie (aus)üben 
Sicher, die Sache mit der EU war und ist auch bei mir keine reine Liebesgeschichte. Zwar wurden anfangs die Preise billiger, erreichten aber schnell wieder gewohnte Höhen. Und in letzter Zeit hat sich der Euro da oder dort sehr wohl als Teuro erwiesen, und ich habe mir das Umrechnen in Schilling noch immer nicht ganz abgewöhnt. Nicht alles, was da in den vergangenen Jahren von den europäischen Institutionen ausgeheckt worden ist, hat mir gefallen. Aber ich war und bin mir bewusst, dass es auch unsere VetreterInnen waren, die bei diesen Entscheidungen mitgestimmt haben.

Aber so ist es nun einmal mit der Demokratie, ob auf nationalem oder europäischem Raum. Nicht alles gefällt allen. Und doch ist es die beste aller Staatsformen. Es ist besser mitzu(be)stimmen, als nicht gehört zu werden. Auch wenn es anstrengend ist und mühsam. »Demokratie ist die einzige Staatsform, die man lernen muss«, hat der Politikwissenschafter Ferdinand Karlhofer bei einer Veranstaltung anlässlich 90 Jahre Betriebsrätegesetz gesagt. Lernen und üben. Am 7. Juni haben wir wieder einmal die Gelegenheit dazu.

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