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Aus AK und Gewerkschaften

Wichtige Rechte der ArbeitnehmervertreterInnen in Krisenphasen.
Teil 2: Verschwiegenheitspflichten.

In Krisenphasen sind häufigere und detailreichere Informations- und Beratungsgespräche zwischen Betriebsrat und Management ein zentrales Instrument, um »betriebspartnerschaftlich« Strategien der Krisenbewältigung entwickeln zu können. Dabei werden zahlreiche Daten, Berechnungen, Tatsachen, und Vorgänge (z.B. Quartalsberichte, Businesspläne, Marktanalysen, Personalkosten/-faktoren, Entwicklungen und Prognosen, technische Einrichtungen und Verfahren/Methoden, Kalkulationen, aber auch persönliche Umstände einzelner Beschäftigter etc.) intensiv zu erörtern sein.

Geschäftsgeheimnisse
Wie soll ein Betriebsrat (BR) nun mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen umgehen? Gerade in der Krise könnte das
»Ruchbarwerden« derselben einen »Verstärkereffekt« haben: Ruf- und Kreditschädigung (von lat. credo: ich glaube) lauten die zivilrechtlich verpönten Begriffe, und derartiges ist unter Umständen ein Entlassungsgrund. Daneben bestehen Strafdrohungen nach § 160 ArbVG und nach dem UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) sowie Schadenersatzrisiken. BR-Mitglieder können sich allenfalls auf die »Mandatsschutzklausel« des § 120 berufen (»Verhalten in Ausübung des Mandats gesetzt - und unter Abwägung aller Umstände entschuldbar «), Sicherheit bietet diese angesichts der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) jedoch nur bedingt. Außerdem ist die Möglichkeit einer nachhaltigen Störung einer Unternehmenskultur des Gebens und Nehmens in Form eines vertrauensvollen Umgangs und von Irritationen in den gerade jetzt so wichtigen Netzwerken zu bedenken.

ExpertInnen beiziehen
Es bestehen drei Voraussetzungen, um von einem »Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis« im Sinn des § 115 Abs. 4 ArbVG
bzw. im Sinne des Aufsichtsratsrechts sprechen zu können:

  • Es muss ein »objektiv« (also nicht bloß vom Management definiertes) berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung von Daten bestehen, die in Zusammenhang mit dem Unternehmen und dem Betrieb stehen.
  • Die Daten (Zahlen, Fakten, Prognosen, Pläne) sind nur einem kleinen, geschlossenen Personenkreis bekannt; anders formuliert: sie sind noch nicht veröffentlicht bzw. einer breiteren Personengruppe (der Allgemeinheit, zumindest innerhalb der Branche) bekannt.
  • Es muss die Möglichkeit einer Unternehmensschädigung zumindest »theoretisch« gegeben sein, wobei schon der oben erwähnte »Rufschaden« genügen würde.

In manch entscheidender Situation werden die ArbeitnehmervertreterInnen zwar abzuwägen haben, ob ihr gesetzlicher Interessenwahrungsauftrag (siehe § 38) dem Schutz von Unternehmensdaten vorangeht. Das sollte man jedoch nicht übereilt und nicht ohne Beiziehung externer ExpertInnen beurteilen! Ganz besonders gilt dies für börsenotierte Unternehmen wegen des Verbots der Weitergabe von Insiderinformationen, was dem Schutz kursrelevanter Daten dient.
Ziehen Sie, je nach Rolle und Funktion als BR-Mitglied (ArbeitnehmervertreterIn im Aufsichtsrat, ZBR-Sitzung, Betriebsversammlung, Interview mit Medienvertreter etc), verschiedene »Filter« ein. Bereiten Sie sich, unter Umständen mit einem (schriftlichen) Rede- und Diskussionskonzept auf Ihre Rolle vor, und scheuen Sie nicht davor zurück, drängende Fragen nach Details höflich aber bestimmt zurückzuweisen.

1. Informationsebene
Die Aufsichtsratsmitwirkung ist die höchste Informationsebene: Hier erlangen die ArbeitnehmervertreterInnen Kenntnis
von sehr genauen Geschäftsdaten und betriebstechnischen Produktions-, Kalkulations-Daten usw. In aller Regel ist hier kein Filter notwendig, weil Personen der nächsten Ebene ohnehin unmittelbare Informations- und Beratungsansprüche gemäß §§ 108 und 109 ArbVG bezüglich der »voraussichtlichen Unternehmensentwicklung«, Umsatz- und Produktionsplänen, Personalplanungen etc. haben. Von Bedeutung ist dabei jedoch die Berücksichtigung von (und »Erinnerung« an) gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtungen der Informationsempfänger. Exakte Zahlen und Namen bei personellen Umbesetzungen (Vorstände, Prokuristen, evtl. Geschäftsführer) sowie börsekurs-relevante Daten sollten jedoch nicht weitergegeben werden. Im Zweifel sollte die Bewahrung der Vertrauensposition im Aufsichtsrat Vorrang haben.
 
2. Informationsebene
Die zweite Informationsebene setzt sich aus dem ZBR- oder BR-Gremium und den gesetzlich vorgesehenen BeraterInnen
von AK und Gewerkschaft (gemäß § 39 Abs. 4 ArbVG zur Verschwiegenheit verpflichtet) sowie sonstigen BeraterInnen und Sachverständigen, die schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichtet wurden, zusammen.
Hier ist ein grober Filter notwendig: Nur einige wenige, potenziell die Konkurrenz begünstigende oder Kunden/Kundinnen, GeschäftspartnerInnen, GläubigerInnen oder LieferantInnen verunsichernde Zahlen oder Umstände sind von den Quartalsberichten, Unternehmensberater-Analysen, Rohbilanzen, zustimmungspflichtigen Maßnahmen etc. »wegzufiltern«. Persönliche Daten (privat und arbeitsbezogen) über einzelne ArbeitnehmerInnen (finanzielle Verhältnisse, Gesundheit, Performance am Arbeitsplatz, Mobbing- oder Bossingvorfälle ) sind aber besonders diskret zu behandeln.

3. Informationsebene
In der dritten Informationsebene finden Diskussionen, Strategieplanung mit der Belegschaft oder einzelnen
ArbeitnehmerInnengruppen (Abteilungen) statt; Informationen an die Belegschaft und Betriebsversammlungen sind notwendig.
Hier ist ein differenzierter Filter anzuwenden: Nur zu den für diese Personen(-gruppen) relevanten Punkten Genaueres sagen, dabei aber auf deren Verschwiegenheit nachdrücklich hinweisen. Insbesondere hier ist zu prüfen, ob die geplante Informationsweitergabe nicht mehr Verunsicherung hervorruft, als sie Nutzen für die Gesamtbelegschaft bringt.

4. Informationsebene
Die vierte Informationsebene umfasst einzelne, unmittelbar betroffene ArbeitnehmerInnen. Hier ist ein feiner Filter
anzuwenden: Vieles fällt heraus; selbst Näherungswerte punkto Kundenverhalten, Auftrags- oder Umsatzrückgänge dürfen - sofern nicht schon in der Branche oder über die Medien allgemein bekannt - nur sehr grob angegeben werden. Keinesfalls darf das Ansehen und die Kreditwürdigkeit des Unternehmens (d. h. der Firma; nicht gemeint ist damit das Management) geschädigt werden (VwGH 1987 und andere).

5. Informationsebene
Die fünfte und breiteste Informationsebene umfasst die Öffentlichkeit wie z.B. JournalistInnen, PolitikerInnen, BR
anderer Unternehmen (à la Betriebsrätenetzwerk), sonstige Stakeholder (Kunden/Kundinnen, LieferantInnen, GeschäftspartnerInnen des Unternehmens).
Prüfen Sie - tunlichst gemeinsam mit ExpertInnen , ob die Weitergabe von unveröffentlichten Daten, Zahlen, Entwicklungen oder Prognosen das Unternehmen möglicherweise schädigen könnte (gegenüber Kunden, Banken und sonstigen Gläubigern, Geschäftspartnern; unmittelbar durch Beeinträchtigung der Marktposition oder Abspringen wichtiger ArbeitnehmerInnen etc.).

Stärke durch Information
Aber: Nach dem Motto »zu Tode gefürchtet, ist auch schon gestorben« kann die Drohung mit Informationen z. B. an die
Belegschaft mitunter das einzig probate Mittel sein, um die ArbeitgeberInnen von Informationsverweigerung oder übereilten personalpolitischen Vorgangsweisen abzuhalten. Wenn also das Management nicht kooperativ ist, kann sich die Notwendigkeit einer genaueren Information der Belegschaft über den (finanziellen) Zustand des Unternehmens ergeben; aber auch dabei wird es kaum notwendig sein, exakte Unternehmenskennzahlen zu kommunizieren. Ohne Beratung durch die Fachgewerkschaft sollte keinesfalls informiert werden, denn derartige Betriebsversammlungen werden mitunter schon als erster Schritt eines Arbeitskampfs aufzufassen sein, und das österreichische Recht ist gegenüber dem Arbeitskampf »neutral«. Das heisst, dass diverse Entlassungsgründe, Schadenersatzpflichten, Aufsichtsratsverpflichtungen usw. auch dann bestehen, wenn mangels Kooperation des Managements eine Veröffentlichung gewerkschaftspolitisch geboten erschien.

Weblinks
Alle Infos für BetriebsrätInnen
www.betriebsraete.at

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Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
johann.schneller@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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