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Teurer Spaß Kaufsucht Demonstrativer Konsum, also das Sichtbarmachen, dass man erfolgreich oder wohlhabend ist, gibt es schon seit langer Zeit; kompensatorischer Konsum ist dagegen vergleichsweise neu.
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Teurer Spaß Kaufsucht

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Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt die Neigung zu Frustkäufen. Aus der Kompensation wird oft Sucht, Junge sind besonders betroffen.

Die Wirtschaftskrise hat schon Ende letzten Jahres ein Verhalten der Menschen deutlich gedämpft, das man als kompensatorischen Konsum bezeichnet. Am Ausmaß der sogenannten »Kaufsucht« hat dies allerdings nichts geändert. Es blieb bei etwa acht Prozent der Bevölkerung gleich hoch wie in den früheren, wirtschaftlich weniger problematischen Jahren. Hauptbetroffene: junge Frauen.

Konsum heute
Waren und Dienstleistungen zu kaufen, das hat mit Bedarfsdeckung zu tun. Jedoch sind Konsumgüter längst nicht nur Mittel zur Deckung des persönlichen oder familiären Bedarfs, sondern sie haben auch eine soziale Funktion. Demonstrativer Konsum, also das Sichtbarmachen, dass man erfolgreich oder wohlhabend ist, gibt es schon seit langer Zeit; kompensatorischer Konsum ist dagegen vergleichsweise neu. Kompensation - man kauft etwas als Ersatz für etwas anderes, das man nicht hat. Aus Frustration etwas kaufen, das kennen wir alle: Die Tafel Schokolade gegen den Ärger am Arbeitsplatz, ein neues Kleidungsstück, um sich über einen familiären Konflikt drüber zu helfen, eine neue Digitalkamera, da es im Beruf dauernd nervt, usw. Konsum ist dabei eine Ersatzhandlung, um Enttäuschungen abzumildern - es muss auch nicht Konsum sein, das kann auch exzessiver Sport oder Glücksspiel sein. Kaufen hat aber den Vorteil, dass es praktisch an jeder Ecke möglich ist und gesellschaftlich anerkannt wird. Allerdings kostet es Geld.

Frustkäufe
Kompensatorischen Konsum gibt es breit gefächert. Wenn er intensiver wird und die Konsumhandlung selbst immer mehr ins Zentrum rückt, gar ein gewisser Kontrollverlust eintritt, wird das zur Kaufsucht. Diese ist deswegen so bedrohlich, da zu Konsum immer Geld notwendig ist, und dieses haben die Menschen nur beschränkt. Wenn sich Verbindlichkeiten anhäufen, kann man schnell in die Überschuldung abrutschen, es sei denn, man hat ein gutes verwandtschaftliches Netzwerk, das hier eingreift. Nicht nur mit Geld, sondern vor allem mit psychischer Unterstützung und Verhaltensspielregeln. Gibt es diese Unterstützung - das kann z. B. auch durch eine Psychotherapie sein - nicht, kommt man mit diesem Suchtverhalten recht rasch in ziemlich ausweglose Überschuldungssituationen, in den finanziellen Kollaps. 

Die Lage in Österreich
Die AK führt zur Kaufsucht und Kaufsuchtgefährdung seit einigen Jahren empirische Untersuchungen durch, die jüngste im Herbst vergangenen Jahres. Kaufsuchtgefährdet waren rund 28 Prozent der österreichischen Bevölkerung.
Wobei sich diese Kaufsuchtgefährdung in zwei Gruppen aufteilt. In deutlich Kaufsuchtgefährdete mit rund 20 Prozent, also ein Fünftel der Bevölkerung, und stark Kaufsuchtgefährdete mit knapp neun Prozent, das ist jeder Zehnte. Bei dieser letzten Gruppe kann man im Großen und Ganzen von Kaufsüchtigen sprechen, während die erste Gruppe (die deutlich Kaufsuchtgefährdeten) ein ausgeprägtes kompensatorisches Konsumverhalten aufweisen. Die Übergänge sind dabei fließend. Bedingt durch die beginnende Wirtschaftskrise im Herbst 2008 hat sich kompensatorischer Konsum deutlich eingebremst, denn ein Jahr zuvor waren es noch rund 34 Prozent, 2008 dann 20 Prozent. Auf der anderen Seite ist die Gruppe der Kaufsüchtigen in etwa gleich hoch geblieben.
 
Junge Frauen besonders betroffen
Am stärksten kaufsuchtgefährdet ist die Gruppe der weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren. Rund 16 Prozent (!) sind in dieser Altersgruppe stark kaufsuchtgefährdet (also de facto kaufsüchtig) und 37 Prozent deutlich (insgesamt 53 Prozent). In der darüber liegenden Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen sind bei der starken Kaufsuchtgefährdung sowohl Männer wie Frauen mit zehn Prozent vertreten. Dort wo es um ausgeprägten kompensatorischen Konsum geht, überwiegen jedoch wiederum die Frauen mit knapp 30 Prozent (Männer rund 14 Prozent).
Übrigens ist seit dem Jahr 2004 die Kaufsuchtgefährdung in Österreich rasant angestiegen.

Warum die Jugend?
In unserer Gesellschaft gibt es eine zunehmende Vereinzelung (Auflösung traditioneller Verwandtschafts-, Nachbarschafts- und Familiensysteme), und es wird besonders Wert auf Individualisierung gelegt. Dazu kommt der Wegfall (früher einmal sehr mächtiger) ideeller Strukturen und Werte, etwa in politischer, aber auch in religiöser Hinsicht. Vielfach fehlen die Möglichkeiten eines breiteren persönlichen Kontaktes und der aktiven Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen bzw. gemeinschaftlichen Aktivitätsformen - Wirklichkeit wird vor allem von den Medien und den Peergroups (Bezugsgruppen) vermittelt, wobei sich diese Peergroups wiederum an den Medien orientieren.
Dabei entstehen jedoch in den Menschen selbst sozusagen »Leerräume«. Gerade für junge Menschen wird es damit schwieriger, eine eigene und stabile soziale Identität zu finden.

Konsumideale als Ersatz
Die sich auflösenden gesellschaftlichen bzw. gemeinschaftlichen Formen und Strukturen, wie z. B. familiäre Eingebundenheiten oder politisches Engagement, aber auch religiöse Formen, wurden in den vergangenen 50 Jahren zusehends durch Konsum bzw. »Konsumrituale« ersetzt. Freizeit findet im Einkaufszentrum statt oder ist an Konsumgegebenheiten gebunden.
Dazu kommt, dass die Markenwahl einen wichtigen Grundstein der eigenen Identität darstellt. Die Selbstetikettierung durch Mode-»Labels« ermöglicht Zuordenbarkeit bzw. schafft das Gefühl von Zugehörigkeit zu einer Gruppe, und die am Körper getragene Marke äußert stellvertretend den eigenen Lebensstil. Werbung macht ja dies unverhohlen allen klar und versucht ihren AdressatInnen einzureden, dass die beworbenen Produkte gleichsam für das soziale Überleben notwendig sind. Werbung beeinflusst damit die Art und Weise der Identität bzw. Identitätsbildung und die Selbstwertgefühle.
Und das betrifft junge Frauen besonders, denn bei ihnen kommt noch das durch die Werbung und Medien tagaus tagein geschaffene Schönheitsideal dazu: schlank sein, schön sein, schick (weil auch teure) Kleidung tragen, Stil haben, Kosmetik nutzen. Bei den jungen Männern ist dies nicht in einem so hohen Maß ausgeprägt, und sie haben auch (noch - hier ziehen allerdings die jungen Frauen nach) andere Formen als Mädchen, um sich in der Gruppe zu positionieren, etwa »Härte«, Sport oder Aggressivität (auch z. B. beim Autofahren).

Weblinks
Kaufsuchtstudie zum Download:
www.arbeiterkammer.com/pictures/d85/AKStudie_Kaufsucht.pdf
Elternweb zur Kaufsucht
www.elternweb.at/index.php?page=Kaufsucht
Pro mente zur Kaufsucht
www.praevention.at/seiten/index.php/nav.24/view.316/level.3/

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