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Motiviert und billig Auslandspraktika machen sich gut im Lebenslauf, sind aber häufig unbezahlt. Ein Stipendium von 300 oder 400 Euro kann die durch Flug und Unterkunft entstandenen Kosten nicht ausgleichen.

Motiviert und billig

Schwerpunkt

Theoretisches Wissen unter Anleitung praktisch anzuwenden und auszubauen - so läuft ein Praktikum par excellence. Die Realität sieht anders aus.

Ob Alkoholkonsum, Sex, Wahlrecht oder Führerschein - junge Menschen sind heute mit fast allem früher dran als ihre Eltern. Nur die ökonomische Selbstständigkeit verschiebt sich immer weiter nach hinten. Die AkademikerInnenquote (in Österreich dzt. 20 Prozent) steigt, Auslandsaufenthalte u. ä. verlängern die Studiendauer und nicht jeder Studienabschluss ist auch eine Jobgarantie. Für rund ein Drittel der HochschulabsolventInnen beginnt das »reguläre« Berufsleben mit einem Praktikum, das aber meist nicht für den Lebensunterhalt reicht.

Kapital Berufserfahrung
Learning by doing ist ein Prinzip, das beispielsweise an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen schon lange Tradition hat. Hier muss ein Teil der Ferien dafür verwendet werden, den angestrebten Beruf besser kennenzulernen. Die Fachhochschulen haben derartige Pflichtpraktika von Anfang an fix in den Studienplan integriert. Weil sich die Universitäten nicht mehr länger Praxisferne vorwerfen lassen möchten, werden Pflichtpraktika immer häufiger auch an den Universitäten Teil des Studienalltags. Wobei: Ganz so neu ist die Idee auch dort nicht. Denn während der Famulatur (lat. Famulus = Gehilfe) müssen beispielsweise angehende MedizinerInnen 16 Wochen Praktikum machen - unbezahlt, im besten Fall ist das Essen gratis oder gibt es Fahrtkostenersatz. Aber auch wer nicht muss, der/die will oft freiwillig ein Praktikum absolvieren, um sofort nach Studienabschluss auch Berufserfahrung vorweisen zu können. Der Traum jedes Arbeitgebers scheint allmählich wahr zu werden: BerufseinsteigerInnen, die ausreichend Erfahrung haben, um zu wissen worauf sie sich einlassen, aber mit den üblichen Einstiegsgehältern zufrieden sind.

Kopieren, Kleben & Co.
Wobei PraktikantInnen manchmal schon froh sein können, wenn ihnen tatsächlich die Möglichkeit geboten wird, entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Gabi, Publizistik-Studentin, absolvierte im 8. Semester ein unbezahltes Praktikum in Budapest. Die Zeit verbrachte sie meist mit Kopieren, Telefonieren & Co.: »Unbezahlte Praktika sind generell problematisch, aber wenn mensch außerdem nichts lernt, die Kosten für Reise und Unterkunft noch dazukommen, dann war die Zeile im Lebenslauf hart verdient.«
Bei den StudentInnenorganisationen sind Praktika schon längere Zeit ein Thema, vor kurzem hat der VSStÖ die Website www.meinpraktikum.at vorgestellt, wo StudentInnen anonym ihre Erfahrungen posten können: »In meinem Praktikum in einer Bank wurde ich mit einem hochinteressanten Projekt konfrontiert: Dieses bestand darin, die Kreditaktenarchive im Keller von chronologisch auf alphanumerisch umzusortieren, etwas anderes habe ich vier Wochen lang nicht gemacht. Ob den PraktikantInnen im nächsten Sommer dann die Umsortierung von alphanumerisch auf chronologisch aufgetragen wurde, weiß ich nicht.«
Keineswegs immer sind die Erfahrungen so schlecht. Daniel Horak: »Ich hatte nach meinem Pflichtpraktikum in der HTL nicht nur einen gut bezahlten 16-Stunden-Job während des Studiums, sondern beim gleichen Unternehmen auch die Möglichkeit, das FH-Praktikum zu absolvieren.«
Die Zufriedenheit mit Arbeitsbedingungen und Bezahlung variiert stark. Schlechte Bezahlung sind StudentInnen meist gewöhnt, sobald sie das Gefühl haben, auf andere Art von der Tätigkeit zu profitieren, stehen monetäre Aspekte (zumindest für all jene, die es sich halbwegs leisten können) nicht im Vordergrund. Eva N.: »Gerade bei den Praktika nach dem Studium - als ich wirklich längere Zeit die jeweiligen Jobs Vollzeit ausgeübt habe - habe ich wichtige Erfahrungen gesammelt. Und ich habe Menschen in den jeweiligen Branchen kennengelernt, ich bin auch heute noch mit vielen ehemaligen KollegInnen in Kontakt.«

Arbeit ohne Wert?
Peter Schweinberger, Pressesprecher der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH): »Die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Am wenigsten Beschwerden bekommen wir von FH-StudentInnen.« Nach der vom Verein »Generation Praktikum« 2007 veröffentlichten Studie »Arbeit ohne Wert« sind tatsächlich 75 Prozent der FH-PraktikantInnen insgesamt sehr bis eher zufrieden. Die oft beworbene Nähe zu Wirtschaft und Industrie an den Fachhochschulen dürfte sich hier tatsächlich bezahlt machen.
Apropos Bezahlung: Hier ist die Bandbreite je nach Branche, Firmengröße und Berufserfahrung ebenfalls groß. Barbara, 24, absolvierte das Pflichtpraktikum ihres Masterstudiums für einen internationalen Konzern in Brüssel zu Konditionen, von denen andere nur träumen können. »Ich war dort drei Monate im Bereich Human Resources tätig, für 1.600 Euro Monatsbruttogehalt, plus Wohnen im Hotel und Flug. Außerdem wurde mir eine Fixanstellung angeboten.«
Bei unbezahlten Praktika sind spezielle Stipendien oft die einzige Möglichkeit, doch noch ein paar hundert Euro zu bekommen. Wobei viele Unis Informationen über derartige Möglichkeiten noch als Holschuld der StudentInnen zu betrachten scheinen, und das natürlich zusätzlichen Zeitaufwand erfordert. Gabi: »Mein Stipendium für das Praktikum in Budapest wurde so spät ausbezahlt, dass ich praktisch den ganzen Sommer im Minus war.«

Chancengleichheit?
Wer von zu Hause nicht zumindest in irgendeiner Form finanziell unterstützt wird, hat unter diesen Bedingungen einen schweren Stand. Auslandspraktika machen sich gut im Lebenslauf, sind aber häufig unbezahlt. Ein Stipendium von 300 oder 400 Euro kann die durch Flug und Unterkunft entstandenen Kosten nicht ausgleichen. Bei längeren Aufenthalten muss die eigene Wohnung oder das Zimmer in Österreich weiter- oder untervermietet, womöglich sogar geräumt werden - viel Aufwand und einige Kosten. Ein weiteres Beispiel: Künftige Zahnärzte/-ärztinnen müssen 72 Wochen (!) unbezahltes Pflichtpraktikum absolvieren.
Die Statistiken zeigen auch für Frauen kein positives Bild: 44 Prozent der Absolventinnen machen nach Studienabschluss ein Praktikum, aber nur 23 Prozent der Männer. Auch der Anteil an unbezahlten Praktika ist bei Frauen mit 24 Prozent deutlich höher (Männer: neun Prozent). Über die Ursachen kann man derzeit nur spekulieren, vielleicht hängt es unter anderem auch damit zusammen, dass Männer bei der Entscheidung für eine Studienrichtung pragmatischer vorgehen.
Denn Arbeitsbedingungen und Bezahlung während und nach dem Studium hängen stark von der Studienrichtung ab. Auch hier geht es um Angebot und Nachfrage. Beim (überlaufenen) Psychologie-Studium beträgt der Frauenanteil mehr als zwei Drittel, unbezahlte Praktika sind an der Tagesordnung. Jährlich 1.300 Publizistik-AbsolventInnen (69 Prozent weibliche Studentinnen in Wien) stehen insgesamt 7.000 (meist schon besetzten) Stellen gegenüber.
Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind punkto Praktika viele Fragen offen. Samir Al-Mobayyed, Vorsitzender der ÖH-Bundesvertretung: »Diese Beschäftigungsform ist nicht klar definiert. Oft verstecken sich dahinter freie Dienstverträge, Volontariate etc. Auch HochschulabsolventInnen mit Praktika abzuspeisen ist höchst problematisch.« Die ÖH fordert daher unter anderem eine bessere sozialversicherungsrechtliche Absicherung von PraktikantInnen. Seit Jänner veranstaltet die ÖH Praktikantencafés gemeinsam mit dem Verein »Generation Praktikum«.

Nicht nur Vorteile
Im Übrigen kann es auch für UnternehmerInnen sinnvoll sein, über ihren Umgang mit PraktikantInnen nachzudenken, so Uta Glaubitz in ihrem 2006 erschienenen Buch »Generation Praktikum«. Darin gibt sie nicht nur Tipps für StudentInnen, sondern kritisiert die Praxis, durch ständig wechselnde, billige PraktikantInnen Personalkosten zu sparen, aus einer anderen Perspektive: Für GeschäftspartnerInnen ist es unerfreulich bis ärgerlich, sich immer wieder auf neue AnsprechpartnerInnen einstellen zu müssen.

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.meinpraktikum.at

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