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Berufsbildung neu

Schwerpunkt

Die berufliche Bildung in Österreich hat starken Reform- und Innovationsbedarf, diagnostiziert ÖIBF-Experte Peter Schlögl.

Die berufliche Bildung stellt ein wichtiges Verbindungs- und Übergangselement des Bildungssystems mit dem Beschäftigungssystem dar. In Österreich umso mehr, als ein im internationalen Vergleich hoher Anteil an jungen Menschen (über 80 Prozent) im Anschluss an die Schulpflicht in berufliche Bildungsprogramme wechselt. Österreichs Berufsbildung zeichnet sich weiters durch zwei annähernd gleich stark ausgebaute berufsbildende Zweige aus. Neben der dualen Ausbildung (in Betrieb und Berufsschule) gibt es noch zwei vollschulische Berufsbildungswege, von denen einer auch zu einer Reifeprüfung mit allgemeinem Hochschulzugang führt.

Historische Wurzeln
Die Rahmenbedingungen der Berufsbildung folgen - ähnlich wie in Deutschland und der Schweiz - vielfach historischen Wurzeln, die sich hinsichtlich der Lehre bis ins Mittelalter zum zünftischen Ausbildungsmodell rückverfolgen lassen oder bei den Vollzeitschulen in die Zeit Maria Theresias. Diese lange Tradition wirft jedoch auch immer wieder die Frage auf, inwiefern die Strukturen und konkreten Angebote noch zeitgemäß sind, und wo Innovations- und Reformbedarf besteht. Dieser Frage ist das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (öibf) gemeinsam mit der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) nachgegangen und hat ein Gutachten zur Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung in Österreich erarbeitet.

Status quo
Dass eine Neugestaltung des Sektors erforderlich ist, und nicht einem unbegründeten Reformeifer entspringt, zeigen Befunde zum Bildungs- und Berufsbildungswesen. Als zentral sind hier zu erwähnen:

  • Strukturelle Gründe innerhalb der Arbeitswelt, wie Tertiärisierung, Regionalisierung, Globalisierung, neue Produktions- und Fertigungsmethoden, Informations- und Kommunikationstechnologie u. v. m.
  • Das Lehrstellenangebot zeigt sich in Österreich seit Mitte der 1990er-Jahre zum dritten Mal in der zweiten Republik sehr angespannt.
  • Die Frage der Qualität von Berufsbildungssystemen und deren Anpassungsfähigkeit wird im europäischen Raum zunehmend wichtig.
  • Nationale und internationale Studien zu Bildungschancen zeigen, dass der Bildungsstand und das Einkommen der österreichischen Eltern auf die gewählte Schullaufbahn und den Bildungserfolg der Kinder vergleichsweise hohen Einfluss haben.
  • Im Zusammenhang mit lebenslangem Lernen wird zunehmend eine verbesserte Durchlässigkeit der Bildungssysteme thematisiert.

Die identifizierten Reformbedarfe beginnen bereits in der Pflichtschulzeit und reichen bis hin zum Abschluss der beruflichen Bildungsprozesse.

Besser vorbereiten
Auf Information und Erfahrungen basierende Entscheidungsprozesse sind die Voraussetzung für das Gelingen von treffsicheren Bildungs- und Berufsentscheidungen in allen Lebensphasen und damit auch bei der beruflichen Erstentscheidung. Davon profitieren die Jugendlichen selbst, aber auch die Gesellschaft insgesamt, weil mögliche Neuorientierungen oder Abbrüche damit weniger wahrscheinlich sind.
Junge Menschen sollen beim Finden von Neigungen und Fähigkeiten unterstützt werden. Die diesbezüglich hohe Expertise, die bei den Pädagogen/-innen in den Polytechnischen Schulen besteht, wäre dem gesamten Pflichtschulwesen zugänglich zu machen. Dies würde bedeuten, dass eine umfassende Berufs- und Bildungswegorientierung in alle Bildungspfade der Pflichtschulzeit (Hauptschule, AHS-Unterstufe, NMS, Sonderschulen, ...) zu integrieren wäre. Fundierte, realitätsnahe Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich der Arbeitswelt, von Berufen und über weiterführende Bildungswege sind eine grundsätzliche Voraussetzung dafür. Und zwar in den letzten Jahren vor Abschluss der Pflichtschule, nicht allein im ersten Semester des letzen Jahres.
Die entsprechende Anleitung und Begleitung muss jedenfalls unter konsequenter Berücksichtigung von Diversity- und Gender-Aspekten erfolgen, um weitere Segregationen im Bildungssystem zumindest nicht noch zu verstärken. Eine verstärkte Einbindung von externen ExpertInnen aus Wirtschaft und Gesellschaft, die die Lehrkräfte in der Entwicklung und Begleitung der Entscheidungsfähigkeit junger Menschen unterstützen, soll hier wertvolle Unterstützung leisten, kann eine pädagogische Prozessbegleitung aber keinesfalls ersetzen.

Übersichtlicher Bildungsplan
Die Bildungswahl und Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen realisiert sich in Österreich in einem hoch differenzierten Bildungssystem. Schon nach der Volksschule teilen sich die Bildungswege und führen im Anschluss an das Pflichtschulalter in ein sich fortwährend immer mehr ausdifferenzierendes Bildungswesen. Dazu kommen seit Mitte der 1990er-Jahre zunehmend Ausbildungsplatzengpässe und gleichzeitig der Ausbau von schulischen Ausbildungsangeboten sowie lehrstellenmarktstützenden und -ergänzenden Maßnahmen (Stichwort JASG).
Bildungspolitische Innovationen wie die integrative Berufsausbildung oder Lehre&Matura reichern mittlerweile die Landschaft der Bildungswege zusätzlich an. Auch die zunehmende Vielfalt an »Lernorten« der beruflichen Bildung wie Ausbildungsbetrieb einerseits, sowie Berufsschule, überbetriebliche Lehrwerkstätten und berufsqualifizierende Vollzeitschulen andererseits erfordern zukünftig übergeordnete Ausbildungsziele, die Transparenz für Jugendliche und ArbeitgeberInnen einerseits, und klare Anrechenbarkeiten bzw. erleichterte Durchlässigkeit andererseits ermöglichen.
Zeitgemäße Form eines solchen übergeordneten »Bildungsplans«, wie man es bezeichnen könnte, wäre eine Darstellung der tatsächlich erworbenen Kompetenzen. In diesem Bildungsplan könnten beim Zusammenwirken mehrerer Lernorte auch eine klare und nachvollziehbare Darstellung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeit in der Erreichung dieser Lernergebnisse geleistet werden. Auch könnten gegebenenfalls mitgebrachte Kompetenzen - etwa bei Lehr- oder SchulabbrecherInnen - in so einem übergeordneten Qualifikationsprofil Berücksichtigung finden, das insgesamt einerseits konkreten Bedarfen für qualifizierte Facharbeit entspricht, andererseits eine solide Basis für Weiterbildung und Höherqualifizierung (Berufsreifeprüfung, Fachhochschule u. a.) darstellt.

Hohe Qualifikationen
Die Aus- und Weiterbildung von Pädagogen/-innen oder AusbildnerInnen an einer Berufsschule oder Vollzeitschule sowie in Betrieb oder Lehrwerkstätte muss neueste erziehungswissenschaftliche und berufspädagogische Erkenntnisse, fundiertes Fachwissen sowie neueste methodisch-didaktische Erkenntnisse vermitteln.
Qualität und Qualifikation sind jedoch an allen Stellen des Qualifizierungssystems notwendig, also auch bei den angewendeten Kompetenzfeststellungsverfahren und den PrüferInnen. Dies sowohl im Sinne der lernenden jungen Menschen wie auch der Qualitätssicherung hochwertiger Lehr- und Berufsausbildung, die tatsächlich umfassende berufliche Handlungsfähigkeit zum Ziel hat.
Die Feststellung der entwickelten Kompetenzen am Ende der Ausbildung bedarf verlässlicher und aussagekräftiger Verfahren. Dazu haben sich in der Pädagogik und in der betrieblichen Praxis viele über einfache »Abprüfung« hinausgehende Ansätze entwickelt.
 
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl beim Zugang, bei der Begleitung von beruflichen Lernprozessen sowie beim Abschluss der Bildungsgänge Handlungsbedarf festgestellt werden kann, und damit eigentlich alle AkteurInnen der Berufsbildung in Praxis und Politik wesentlich angesprochen sind.

Weblinks
Österreichische Referenzstelle für Qualität in der Berufsbildung bei der OeAD (Österreichische Austauschdienst)-GmbH:
www.arqa-vet.at
www.oeibf.at

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
peter.schloegl@oeibf.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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