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Neue Berufsbilder
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Neue Berufsbilder

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Immer wieder werden neue Berufsausbildungen angeregt. Ob ein »neuer Beruf« zustande kommt und ein Erfolg wird hängt von vielen Dingen ab.

Braucht man neue Berufe? Nicht immer, aber scheinbar immer wieder. Die 19-jährige Desiree Czrernik hat sich für den neuen Beruf der Lebensmitteltechnikerin entschieden, weil sie sich im Internet informiert hat, und der Beruf neu und interessant klang. Nach einem Vorstellungsgespräch bei der Firma Felix Austria, hat sie die Lehre dort begonnen: »Ich habe am Anfang überhaupt keine Vorstellung davon gehabt, wie es in einer Fabrik zugeht, aber es ist sehr abwechslungsreich durch die vielen Bereiche, in denen man eingesetzt wird. Am interessantesten ist für mich das Labor, da werden Analysen gemacht. Da hat man Verantwortung, und wenn z.B. der PH-Wert nicht passt gibts Stress.«

Ob ein neuer Beruf entsteht, hängt in erster Linie davon ab, ob eine Interessenvertretung oder ein Industriezweig einen Bedarf daran erkennt. Daraufhin setzen sich diverse Gremien der Sozialpartner zusammen und verhandeln die Vor- und Nachteile. Dabei konzentrieren sich die Gewerkschaften eher auf eine möglichst umfassende Ausbildung, die eine breite Basis für den Beruf und die Erlangung der dazugehörigen Fertigkeiten gewährleistet, während die Wirtschaft primär nachfrageorientiert ist. Branchenspezifisch gibt es da durchaus erhebliche Unterschiede, sowohl in der Wahrnehmung des Problems als auch in der Zusammenarbeit zur Lösung desselben.

Zum Beispiel gibt es momentan vonseiten der Wirtschaftskammer die Überlegung, Berufe wie RezeptionistIn, EtagenkellnerIn und Koch/Köchin in sogenannten Ethnobetrieben, wie Pizzeria, China-Restaurant und ähnlichen, anzubieten. Problematisch ist das, da die klassische Ausbildung zu Restaurantfachleuten bzw. Koch/Köchin durch ihre fachliche Breite dazu befähigt, in Ethnobetrieben zu arbeiten, hingegen die Tätigkeit in einem Ethnobetrieb so eng gefasst ist, dass nach einer Ausbildung beinahe ausschließlich in solchen Lokalen gearbeitet werden kann. Dies stellt eine unvorteilhafte Einengung der gesamten beruflichen Möglichkeiten und einen Wettbewerbsnachteil dar, wie Robert Maggale von der Gewerkschaft vida ausführt: »Wir sind stolz darauf, dass unsere Gastronomiefachleute auf der ganzen Welt arbeiten können, so gut ist unsere Ausbildung, wie auch die Wirtschaftsseite bestätigt. Das soll auch so bleiben. Eine Einbahnstraßenausbildung, die sich einseitig spezialisiert, kann keine Lösung sein. Zuerst muss eine gute Basis gelegt werden, dann erst kann eine Spezialisierung stattfinden.«

Vielfalt statt Einengung
Obwohl es allgemein notwendig erscheint, das Berufswahlverhalten der Mädchen zu ändern und ihnen zu vermitteln, dass sie auch für technische und handwerkliche Berufe geeignet sind, und gleichzeitig Vorbehalte bei Unternehmen, Eltern und LehrerInnen abgebaut werden müssen, scheint die Situation im Gastgewerbe nicht dramatisch. »Wir haben in der Branche einen Frauenanteil von über 60 Prozent, mit einem leichten Überhang im Servicebereich, aber das ist alles, im Vergleich zu anderen Branchen, kaum ein Problem«, sagt Maggale. Viel mehr Sorgen bereitet ihm die Einengung der Berufsausbildung in den möglichen neuen Berufen. »Was unterscheidet einen Etagenkellner von einem normalen Kellner? Nichts außer, dass er nur auf einer Etage arbeitet. Es ist nicht schlüssig, warum man das will. Es gibt weniger Hotels als andere Betriebe, und was kann man mit der Ausbildung sonst noch anfangen? Es ist eine berufliche Sackgasse.« Das Bestreben, diese Berufe trotzdem einzuführen, qualifiziert er als den Versuch, die Lohnkosten zu senken.

AllrounderInnen gefragt
Ganz anders ist die Situation bei den LebensmitteltechnikerInnen. Diesen neuen Beruf gibt es seit einem Jahr, und man kann bereits von einem vollen Erfolg sprechen. Die SozialpartnerInnen - der Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und die Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN) - waren an der Etablierung dieses neuen Lehrberufes wesentlich beteiligt. Vorrangiges Ziel war die Qualifizierung von MitarbeiterInnen in der Lebensmittelbranche unter Berücksichtigung der veränderten Arbeitsanforderungen in der Branche. »Die Anforderungen in der Lebensmittelbranche haben sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert, und es braucht heute wahre AllrounderInnen in der Lebensmittelindustrie«, sagt GMTN-Experte Gerhard Riess. »Mit dem neuen Lehrberuf LebensmitteltechnikerIn haben wir auf die Bedürfnisse der Branche und des Arbeitsmarktes nach einer qualifizierten Ausbildung mit zukunftsträchtigen Berufsaussichten reagiert.«

Gegessen wird immer
Der neue Lehrberuf bietet eine fundierte und moderne Ausbildung mit besten Chancen auf einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz. Die alarmierenden Zahlen steigender Jugendarbeitslosigkeit verdeutlichen, wie wichtig eine vielschichtige Ausbildung in einer sicheren Branche wie jener der Lebensmittelindustrie ist. »Gegessen wird auch in der Wirtschaftskrise«, meint Riess. Aber nur wer gut ausgebildet ist, hat auch in Zeiten schlechter Konjunktur gute Zukunftsperspektiven. Natürlich sind Unternehmen bestrebt, sich qualifizierte FacharbeiterInnen zu sichern und damit auch in ihre Zukunft zu investieren. In der dreieinhalbjährigen Ausbildung lernen die angehenden LebensmitteltechnikerInnen den gesamten Prozess von der Produktion über die Verpackung bis hin zur Planung und dem Entwickeln neuer Be- und Verarbeitungsmethoden unterschiedlicher Lebensmittel. Die bestehenden Lehrberufe können das breite Spektrum an lebensmitteltechnischen Kenntnissen und die steigenden Anforderungen in der arbeitsteiligen Produktion von Lebensmittel nicht mehr zur Gänze abdecken. »Die Zuckerbäckerausbildung bei Manner stellt weder den Betrieb, noch die Lehrlinge wirklich zufrieden. Es soll nun den veränderten Gegebenheiten Rechnung getragen werden.«

Internatskosten abgegolten
Darüber hinaus wird durch das neue Berufsbild eine Lücke für jene Branchen geschlossen, die keine spezifischen Ausbildungen/Lehrberufe haben, wie beispielsweise die Gewürz-, Kaffeemittel-, Speiseöl-, Fett- und Stärkeindustrie.
Es ist auch gelungen, Betriebe zur Aufnahme von Lehrlingen zu bewegen, die noch nie zuvor Lehrlinge aufgenommen haben. Natürlich ist das auch eine nicht zu unterschätzende Leistung, die Imagegewinn mit sozialer Verantwortung paart. Attraktiv ist auch, dass die Internatskosten, die im einzigen Berufsschulenstandort Wels anfallen, zur Gänze abgegolten werden. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass keine Konkurrenzsituation zu traditionellen Berufsbildern wie z.B. Brau- und Getränketechnik entsteht.
Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, den neuen Lehrberuf auch für Mädchen attraktiv zu machen. Deshalb wurde darauf geachtet, dass es eine ausgewogene Gestaltung der Lerninhalte zwischen technischen Elementen und jenen für die Lebensmittelproduktion typischen Fächern wie Warenkunde, Verarbeitungstechniken und Qualitätssicherung gibt.
»Wenns gut läuft, ist es lustig, die Kollegen sind voll in Ordnung. Manchmal muss man sich ziemlich anstrengen, aber da muss man durch, das ist in jeder Arbeit so. Ich würde die Lehre auf jeden Fall weiterempfehlen«, meint Desiree Czrernik. »31 Burschen und Mädchen werden zurzeit zu LebensmitteltechnikerInnen ausgebildet. Für 2009 erwarten wir mehr als doppelt so viele Lehrlinge«, sagt Riess.Um möglichst viele Menschen zu informieren, wurde eine zweigeteilte Kampagne gestartet, deren zweiter Teil im Herbst beginnt und dafür sorgen soll, dass dieses Ziel erreicht wird und LebensmitteltechnikerIn ein Beruf mit Tradition wird.

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.dielebensmittel.at

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