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Barbara Marx, Jürgen Michlmayr und Florian Zuckerstätter Die ÖGJ ist mit rund 50.000 Mitgliedern die größte überparteiliche Jugendvertretung in Österreich. »Wir akzeptieren Meinungsvielfalt. Und wir setzen Dinge um. Wir können konkret was erreichen, das haben wir bereits bewiesen.«
Barbara Marx Barbara Marx
Jürgen Michlmayr (oben) und Florian Zuckerstätter Jürgen Michlmayer (oben) und Florian Zuckerstätter

Chancen für die Jugend

Interview

Am 18. April 2009 findet der 31. Bundesjugendkongress statt. Wir haben drei junge GewerkschafterInnen aus dem »bunten Haufen« ÖGJ interviewt.

Zur Person
Barbara Marx
Geboren 31. 10. 1980
Seit 2004 Studentin der Politikwissenschaft und Publizistik
Seit 2005 Mitglied im Regionaljugendvorstand der GPA-djp NÖ und der ÖGJ NÖ. Seit 2006 Mitglied im Bundesjugendpräsidium der GPA-djp, Bundesvorstand der GPA-djp und ÖGJ.Seit Februar 2009 Mitglied im Vorstand der GPA-djp Studierenden.

Zur Person
Jürgen Michlmayr
Geboren: 11. Dezember 1986 in Linz
2002-2006: Ausbildung zum Produktionstechniker voestalpine Stahl Linz, seit 2006 dort Produktionstechniker, seit 2003 Jugendvertrauensrat in der voestalpine, seit 2005 Jugendvorsitzender der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN) OÖ, Mitglied im Präsidium der GMTN OÖ, im GMTN-Bundesjugendpräsidium und im Bundesvorstand der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ), seit 4. Nov. 2006 ÖGJ-Bundesvorsitzender.

Zur Person
Florian Zuckerstätter
Geboren: 3. April 1980 in Salzburg
1995-2000: Höhere Technische Bundeslehranstalt Hallstatt, Ausbildungszweig Streich- und Zupfinstrumentenbauer, 2001-2002 GBH-Jugendvorsitzender Salzburg und stv. ÖGJ-Vorsitzender Salzburg, 2002-2006 Sekretär der Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr (HTV), 2006-2007 Sekretär Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), 2006-2007 Vorsitzender der FSG-Jugend Salzburg, seit Mai 2007 Bundesjugendsekretär.


 

Arbeit&Wirtschaft: Knapp vor dem ÖGJ-Kongress habt ihr, ÖGJ-Vorsitzender Jürgen Michlmayr, ÖGJ-Jugendsekretär Florian Zuckerstätter und Barbara Marx, die fürs Präsidium kandidiert, Zeit für ein Gespräch mit der A&W gefunden. Was können wir vom Kongress erwarten?

Florian Zuckerstätter: Der 31. Bundesjugendkongress steht unter dem Motto »Bildungswende statt Dividende«. Die Vorbereitungen dafür laufen schon seit vorigem Sommer. Der Kongress findet im Museumsquartier statt und soll auch die moderne Jugendkultur widerspiegeln. Wir rechnen mit 550 TeilnehmerInnen. Es werden auch VertreterInnen anderer Jugendorganisationen und NPOs erwartet. Da gibt es jede Menge Möglichkeiten zur Vernetzung.

Wie ist die (Gewerkschafts-)Jugend von heute?

Florian: Wir sind mit rund 50.000 Mitgliedern die größte überparteiliche Jugendvertretung in Österreich. Wir akzeptieren Meinungsvielfalt. Und wir setzen Dinge um - wir können konkret was erreichen, und das haben wir bereits bewiesen. Unsere Forderungen werden oft kopiert. Das heißt, dass wir am richtigen Weg sind. Unser Präsidium ist eine Mischung aus erfahrenen und jungen Kräften. Bei uns wird Gender Mainstreaming gelebt, wir machen halbe-halbe auch bei den Funktionen.

Barbara Marx: Die ÖGJ ist ein bunter Haufen von jungen engagierten Leuten. Jeder von uns hat Themen, die ihm oder ihr besonders wichtig sind. Bei mir ist das unter anderem die Bildung, Antifaschismus, soziale Themen und vor allem die Arbeit im Frauenbereich. Junge Frauen sind immer noch häufig benachteiligt, bekommen weniger bezahlt oder müssen sich blöde Sprüche anhören. Das immer wieder anzusprechen ist nicht leicht, weil oft das Bewusstsein fehlt, dass Frauen keine Randgruppe sind, sondern jeder zweite Mensch weiblich ist. Die halbe-halbe-Beschickung des Präsidiums war deshalb nur logisch. Darauf kann man sich aber noch nicht ausruhen. Sensibilität für Geschlechterfragen muss bei allem, was man als Organisation tut, mitberücksichtigt werden. Erst wenn das für alle zur Normalität wird, kann man von einer gelungenen Gleichstellung der Geschlechter sprechen.

Jürgen Michlmayr: Die Jugend von heute ist jedenfalls nicht so politikverdrossen, wie uns die Medien weismachen wollen. Es gibt rund 2.300 JugendvertrauensrätInnen, die in ganz Österreich in Firmen tätig sind, zusätzlich Schüler- und StudierendenvertreterInnen. Angesichts so vieler junger Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, ist die »Politikverdrossenheit der Jugend« eine leere Worthülse.

Was sind die Aufgaben von Jugendvertrauensräten (JVR)?

Jürgen: Die wichtigste Aufgabe ist es, Ansprechperson für die Lehrlinge im Betrieb zu sein, z. B. bei Streitigkeiten mit Meistern. Hier müssen JugendvertrauensrätInnen oft vermitteln. JVR achten darauf, ob mit Entlohnung und Überstunden alles rechtens ist, sind aber oft auch AnsprechpartnerInnen für private Probleme, wie Schulden oder Gewalt in der Familie.

Schüler- und StudentenvertreterInnen assoziieren nicht alle gleich mit der ÖGJ. Da kennst du dich aus, Barbara?

Barbara: Gewerkschaft ist für mich eine breite, soziale und politische Bewegung, die nicht erst mit dem Einstieg ins Berufsleben beginnt, sondern bereits in der Schule: Ohne eine gute, möglichst breite Ausbildung ist alles Weitere einfach nicht denkbar. Die ÖGJ unterscheidet sich dadurch auch von allen anderen Jugendorganisationen, weil quasi wie in einem Schmelztiegel die unterschiedlichsten Ausbildungs- und Lebensmodelle zusammenkommen.

Wie weit mischt die Jugend bei Kollektivvertragsverhandlungen mit?

Jürgen: In allen großen Gewerkschaften wie z. B. GMTN, GPA-djp oder vida wird die Jugend voll mit einbezogen. Wir achten darauf, dass Lehrlinge ordentliche KV-Erhöhungen bekommen und setzen uns z. B. in dem Bereich, aus dem ich komme, der GMTN, für Bildungsfreistellungen ein.

Was braucht die Jugend von heute?

Jürgen: Chancen - wir brauchen Chancen! Eine Chance auf Ausbildung, eine Chance auf Weiterbildung und die Chance, sich in einer Gesellschaft zu beweisen. Das ist, glaube ich, der wichtigste Punkt. Die Jugend muss gehört werden. Wir wissen alle, dass man über Probleme endlos diskutieren kann, aber wenn ich kein offenes Ohr finde für Vorschläge, wie man etwas dagegen unternehmen kann, dann steht man irgendwann vor einem größeren gesellschaftlichen Problem.

Barbara: Ganz besonders wichtig sind aber auch eigene Handlungsspielräume. Woran es manchmal aber in unserer Gesellschaft hapert sind Bereiche, in denen junge Menschen ihre eigenen Vorstellungen und Ideen autonom verwirklichen können. Es wird zwar immer viel davon geredet, dass junge Menschen gesellschaftliche und politische Verantwortung übernehmen sollen, aber wenn es dann um banale Dinge, wie z. B. die Gestaltung einer Skateboard-Anlage geht, dann soll sich die Jugend bitte nicht einmischen. So kann das aber nicht funktionieren. Wir wollen nicht, dass jemand für uns entscheidet, was für uns das Beste ist, sondern selber entscheiden.

Fühlt ihr euch gesellschaftlich ausreichend wahrgenommen?

Jürgen: Ich finde, dass die Jugend in der Öffentlichkeit sehr oft in ein falsches Licht gestellt wird. Man liest nur selten etwas über die wahren Probleme der Jugendlichen - eher von Computersüchtigen, Amokläufern und Komatrinkern. Oft wird es so dargestellt, als wären Jugendliche nicht wirklich an einer Ausbildung interessiert. Das stimmt nicht - es fehlt an Lehrstellen. Oder Thema Komasaufen: Da stehen dauernd Jugendliche in der Zeitung. Niemand schreibt über erwachsene Vorbilder oder darüber, wie mit dem Alkoholkonsum der Kids Geld verdient wird.

Barbara: Es beschweren sich immer alle über die »komasaufende« Jugend, aber die Frage, warum sich die Jugend die Realität »schön«-saufen muss, wird selten gestellt. Fehlende Lehrstellen, unbezahlte Praktika, atypische Beschäftigungen, Kinder- und Jugendarmut - das ist alles nicht neu. In der GPA-djp thematisieren wir seit Jahren die desolate Situation, in der sich viele Jugendliche befinden. Wenn junge Menschen das Gefühl kriegen, dass es egal ist, welche Noten sie haben, weil sie sowieso keine Lehrstelle kriegen, ist es kein Wunder, wenn sie irgendwann resignieren.

Wie geht es der Jugend in der Wirtschaftskrise?

Jürgen: Viele Jugendliche haben Angst vor der Zukunft, das habe ich in den vergangenen Wochen bei Betriebsbesuchen oft gehört. Es sind ja auch schon viele junge Menschen direkt betroffen, vor allem im Alter zwischen 19 und 25 Jahren. Gerade in der ZeitarbeiterInnenbranche, die ja die Krise besonders spürt, arbeiten viele in dieser Altersgruppe. Auch viele Niedrigqualifizierte haben ihren Arbeitsplatz verloren.

Florian: Gerade in dieser Lebensphase ist Arbeitslosigkeit schlimm, da braucht man Geld, um eine Familie zu gründen.

Barbara: Das Schlimmste an der Krise ist die Fassungslosigkeit. Wirtschaftsmodelle funktionieren nicht mehr, ExpertInnen sind ratlos und keiner weiß, wie es weitergehen soll. Die Forderung, die Finanzmärkte zu regulieren, ist schnell formuliert, aber wie das in der Praxis funktionieren soll ist unklar. Jetzt muss es vorrangig darum gehen, die von Arbeitslosigkeit und Armut Betroffenen, so gut es geht, sozial abzusichern. Längerfristig werden wir uns ein paar grundlegende Fragen neu stellen müssen.
 
Was sind eure Ziele für die Zukunft?

Jürgen: Wir müssen uns angesichts der Krise mehr denn je für eine Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einsetzen. Junge Menschen brauchen Perspektiven, sie brauchen Aus- und Weiterbildung und Chancengleichheit in Beruf und Alltag. Wir werden auch weiterhin energisch gegen Rechtsradikalismus auftreten.

Barbara: Mir ist es wichtig, den Gewerkschaftsgedanken weiterzutragen. Solidarität und gemeinsam aktiv an einer besseren Zukunft zu arbeiten ist heute wichtiger denn je. Ich beobachte mit Schrecken, dass rechtes Gedankengut und die Ausgrenzung von Menschen in letzter Zeit wieder salonfähig werden. Die Ängste vieler Jugendlicher sind zwar verständlich, aber das ist der falsche Weg. Menschen auszugrenzen und sie zum Sündenbock zu machen ist zwar einfach, löst aber keine Probleme.

Wofür steht euer Kongressmotto »Bildungswende statt Dividende«?

Jürgen: Wir als ÖGJ sehen im Bildungsbereich große Mängel vor allem im Schulsystem. Das fängt mit der Berufsorientierung in der Pflichtschule an. Derzeit ist es so, dass viele Jugendliche Lehrberufe beginnen, ohne zu wissen, was sie dort machen und welche Zukunftschancen sie haben. Die gerne von der Wirtschaft beschworene »Karriere mit Lehre« ist ein Lotteriespiel.

Es wird ja immer wieder kritisiert, dass Jugendliche immer wieder dieselben Lehrberufe anstreben: die Burschen Automechaniker, die Mädchen Friseurin.

Jürgen: Genau darum geht es. Mit besserer Berufsorientierung würden sich z. B. mehr Mädchen in technische Berufe wagen. Diejenigen, die sich jetzt schon für solche Berufe entschieden haben, sind begeistert.

Dass vielen Jugendlichen grundlegende Fähigkeiten für die meisten Berufe fehlen  also z. B. Schreiben, Rechnen , wird von der Wirtschaft oft kritisiert.

Jürgen: Das Problem gibt es - und das kann man nicht wegleugnen. Manche Jugendlichen haben nach Abschluss der Grundschule nicht die Basis für eine Berufsausbildung. Da gibt es Schwächen im Schulsystem. Wir sehen eine Lösungsmöglichkeit beim polytechnischen Lehrgang. Der wird nicht optimal genützt und gehört dringend reformiert. Wir haben da Vorschläge und das ist ein wichtiges politisches Ziel der ÖGJ. Das ist auch ein Leitantrag beim Kongress. Wichtig ist uns auch, dass die Qualität der Berufsausbildung besser überprüft wird. Es gibt Bereiche mit Durchfallquoten über 60 Prozent. In der Öffentlichkeit heißt es dann wieder, die Jugend von heute ist dumm. 60 Prozent Deppen in einem Bereich? Da muss doch auch etwas bei der Berufsausbildung nicht passen.
Auch bei groben Ausbildungsmängeln wird die Lehrberechtigung nur selten entzogen. Wir kennen da jede Menge schauriger Geschichten. Da wurden Bäckerlehrlinge in der Mehlmaschine versteckt, als um drei Uhr früh das Arbeitsinspektorat kam. Oder im Gastgewerbe, wo junge Mädchen nach dem Gute-Nacht-Bussi durch den Ausbildner ins Personalzimmer eingesperrt wurden.

Barbara: Auch im Bereich der Universitäten schaut es nicht gerade rosig aus. Ab Herbst gibt es in allen Studienrichtungen sogenannte »Eingangsphasen«. Wer die nicht absolviert, darf nicht weiterstudieren, weil dann angeblich für dieses Studium nicht geeignet. Ich frage mich aber schon, wozu sich dann jedes Jahr Tausende der Maturaprüfung unterziehen, die ja die Hochschulreife eigentlich feststellen soll? Durch eine weitere »Abschreckungs-Prüfung« kann man das viel zu geringe Budget der Universitäten auch nicht ausgleichen. Das kann man drehen und wenden so viel man will, es muss einfach mehr Geld für den Bildungsbereich geben!

Wie wollt ihr eure Ziele umsetzen?

Florian: Ich glaube, das Wichtigste ist Vernetzung - im Internet wie im wirklichen Leben. Wir haben uns in den letzten beiden Jahren vermehrt PartnerInnen aus der Wissenschaft gesucht haben, z. B. in Sachen Berufsausbildungsreform haben wir mit dem Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) zusammengearbeitet, und wir arbeiten auch immer wieder mit dem österreichischen Institut für Jugendforschung. Das unterstützt uns beim politischen Lobbying und das ist sehr wichtig für uns. Ohne Lobbying geht es nämlich heute nicht mehr. Nur so können wir unsere Forderungen umsetzen.
Dass wir mit diesen Forderungen richtig liegen beweist die Tatsache, dass allein 13 Seiten im Regierungsprogramm unsere Forderungen widerspiegeln: Freifahrt, Internatskostenübernahme, Berufsmatura, aktives und passives Wahlrecht für JugendvertrauensrätInnen, Reformierung der Grundschule etc. Jetzt liegt der Ball bei der Regierung, aber wir werden hartnäckig bleiben. Es geht ja schließlich um unsere Zukunft.

Wir danken für das Gespräch.
Katharina Klee für Arbeit&Wirtschaft

Weblinks
Österreichische Gewerkschaftsjugend
www.oegj.at

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