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Wankende Säule Die Risiken der Kapitalveranlagung und die versicherungstechnischen Risiken (Langlebigkeit, Hinterbliebenen-versorgung) sind in Österreich allein von den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten zu tragen.

Wankende Säule

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Der Autor hat in einer Studie im Auftrag der AK-Wien Sicherungssysteme und Risikoverteilung bei Betriebspensionen untersucht.

Betriebliche Altersvorsorge als Ergänzung zur öffentlichen Pensionsvorsorge nimmt in den Ländern der Europäischen Union einen unterschiedlich hohen Stellenwert ein. Die Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorgesysteme unterscheidet sich maßgeblich von Land zu Land, das gilt unter anderem für die Verteilung von Risiko, beispielsweise im Falle nicht planmäßig hoher Kapitalmarkterträge. Ich habe in einer im Auftrag der AK Wien erstellten Studie untersucht, wie das österreichische System dabei einzuschätzen ist.
Von betrieblicher Altersvorsorge spricht man, wenn vom Dienstgeber finanzierte Altersvorsorgeansprüche in Verbindung mit einem Arbeitsverhältnis erworben werden. Die in Österreich vorherrschende Form sind Zusagen über Pensionskassen. Dies sind Einrichtungen nach dem Bankwesengesetz, die Pensionsbeiträge einnehmen, veranlagen und am Ende die Betriebspensionen auszahlen. Überbetriebliche Kassen, die im Eigentum von großen österreichischen Banken und Versicherungen stehen, haben dabei zentrale Bedeutung, und auf diese Variante wird im Vergleich Bezug genommen. Ein spezifisches Versicherungsprodukt für Betriebspensionen gibt es in Österreich erst seit 2006 (»Betriebliche Kollektivversicherung«), mit derzeit noch geringer Verbreitung.
Insgesamt kommt der kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge in Österreich im Vergleich zu den anderen betrachteten Ländern1 eine wesentlich geringere Bedeutung zu (Verbreitungsgrad rund 15 Prozent der Beschäftigten). Die bei weitem dominierende Rolle innerhalb der österreichischen Altersvorsorge spielt nach wie vor die umlagefinanzierte gesetzliche Pensionsversicherung, die im Vergleich zu anderen öffentlichen Systemen ein hohes Sicherungsniveau bietet. Die Abhängigkeit der gesamten Pensionsansprüche - öffentliche, betriebliche und private Vorsorge - von Kapitalmarktrisiken ist damit in Österreich deutlich geringer als in vielen anderen Ländern.

Kapitalmarktrisiken
Die Risiken der Kapitalveranlagung und die versicherungstechnischen Risiken (Langlebigkeit, Hinterbliebenenversorgung) sind in Österreich allein von den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten zu tragen. Fallen die Kapitalmarkterträge zu gering aus, so wirkt sich das negativ auf die Pensionshöhe aus. Leistungszusagen, bei denen eine bestimmte Pensionshöhe garantiert wird, sind selten.
Üblicherweise werden die Pensionsbeiträge festgelegt (Beitragszusage). Die Pensionshöhe hängt infolge insbesondere von den Kapitalmarkterträgen und vom versicherungstechnischen Ergebnis ab. Es gibt keine Mindestertragsgarantie auf die eingezahlten Beiträge und auch keine garantierte Mindestleistung, wie sie bei den in manchen Ländern verbreiteten Versicherungsprodukten typisch ist. Die Pensionen können im österreichischen System stark schwanken und auch sinken, was für die Lebensplanung im Alter ein Problem darstellt.
In der ursprünglichen Fassung des Pensionskassengesetzes wurden die Pensionskassen dazu verpflichtet, mit ihrem Eigenkapital einen bestimmten Mindestertrag auf das eingezahlte Pensionskapital zu garantieren.2 Nach den Pensionskassengesetz-Novellen 2003 und 2005 haben rund 80 Prozent der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten aus der (nach der Reform 2003 deutlich entwerteten) Minimalgarantie hinausoptiert, da sie mit hohen Kosten verbunden ist.

Die ArbeitgeberInnen sind bei den österreichischen Pensionskassenzusagen neben der Entrichtung der Prämie gänzlich frei von Verpflichtungen. Sie haben keine Finanzierungsverantwortung bei Unterdeckung3 wie etwa bei den Leistungszusagen im Vereinigten Königreich oder in den Niederlanden. In Belgien und bei deutschen Pensionsfonds müssen die ArbeitgeberInnen eine bestimmte Mindestverzinsung garantieren.4
In den Vergleichsländern dominieren auf der einen Seite Leistungszusagen5, die als Direktzusagen6 oder als Zusagen über externe Pensionsinstitute aufgebaut sind, allerdings mit Finanzierungsverantwortung der ArbeitgeberInnen. Die Begünstigten haben die Sicherheit, über eine bestimmte Pensionshöhe, der Arbeitgeber trägt die Verpflichtung, die Pension zu finanzieren.
Auf der anderen Seite gibt es Beitragszusagen mit versicherungsähnlichem Charakter, die eine garantierte Mindestleistung beinhalten und wo starke Schwankungen der Pension durch Reservenbildung vermieden werden. Dies führt zu konstanteren Pensionszahlungen als im österreichischen Pensionssystem. 

Schutz bei Insolvenz
In Deutschland und Schweden spielen nicht kapitalgedeckte Direktzusagen nach wie vor eine beträchtliche - wenngleich rückläufige - Rolle. In beiden Ländern müssen die ArbeitgeberInnen mit Direktzusagen an einem verpflichtenden Schutzmechanismus teilnehmen, der bei Insolvenz eines Trägerunternehmens die Pensionsverpflichtungen und die unverfallbaren Anwartschaften zur Gänze und »lebenslänglich« absichert. Für das Schutzsystem sind von den betroffenen Unternehmen Prämien zu entrichten, die sich an der Höhe der Pensionsverpflichtungen orientieren. Das Kollektiv der ArbeitgeberInnen mit Direktzusagen garantiert damit für den Ausfall einzelner ArbeitgeberInnen.
In Österreich ist die Absicherung bei Direktzusagen vergleichsweise schlecht und reicht nur bis zu 24 Monatspensionszahlungen. Das war mit ein Grund für die massive Umwandlung von Direktzusagen in Pensionskassenlösungen ab der Schaffung des Pensionskassengesetzes 1990. Mit dieser Umwandlung ging auch vielfach eine Änderung von Leistungs- zu Beitragszusagen einher.
Im Vereinigten Königreich gibt es für kapitalgedeckte Leistungszusagen ein verpflichtendes Schutzsystem gegen die Gefahr der Insolvenz des Arbeitgebers. Alle ArbeitgeberInnen mit Leistungszusagen müssen an diesem Sicherungssystem teilnehmen und Prämien für die Absicherung entrichten. Ist die Zusage im Insolvenzfall nicht voll gedeckt, springt das Sicherungssystem ein. Die Beiträge zum Schutzsystem sind abhängig vom Risiko der Zusage, das nach Art der Durchführung, Investitionsstrategie, Kapitaldeckungsgrad und anderen Kriterien des Arbeitgebers (wirtschaftliche Situation) bestimmt wird. 

Starke Schwankungen
Bereits in der Ansparphase ist in den Vergleichsländern in der Regel ein merklich höherer Anteil des Risikos nicht den ArbeitnehmerInnen zugeordnet. Noch deutlicher wird die im Vergleich wesentlich höhere Risikozuordnung zu den ArbeitnehmerInnen in Österreich bei Betrachtung der Pensionsphase. Abgesehen von der teilweise erheblich größeren Bedeutung von Leistungszusagen in manchen Ländern sind die beitragsdefinierten Systeme in der Regel mit versicherungsähnlichen Elementen ausgestattet, die eine Glättung bei Kapitalmarktschwankungen implizieren. 

Legitimer Wunsch
Reine Beitragszusagen mit der Zuordnung aller Risiken zu den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten auch während der Pensionsphase sind in den Vergleichsländern kaum anzutreffen.
Spätestens zum Pensionszeitpunkt wird das angesammelte Pensionskapital zumeist in Annuitäten übergeführt und damit ab diesem Zeitpunkt eine garantierte Mindestleistung erbracht. Teils besteht Wahlfreiheit über die Art der Verrentung (konstante Rente, Indexierung, Hinterbliebenenversorgung, Einmalauszahlung eines Teils des Kapitals).
Dem legitimen Wunsch der PensionsbezieherInnen nach zumindest konstanten Rentenzahlungen wird dadurch in den Vergleichsländern in der Regel wesentlich besser entsprochen als bei den in Österreich dominanten Beitragszusagen über Pensionskassen.

1
In der Studie werden die Betriebspensionssysteme in sechs Ländern mit Relevanz im europäischen Kontext untersucht: Dänemark, Schweden, Niederlande, Deutschland, Vereinigtes Königreich und Belgien.
2
Der jeweils auf den Durchschnitt der letzten fünf Jahre bezogene Garantiewert wurde nach einer bestimmten Rechenformel aus der Sekundärmarktrendite von österreichischen Bundesanleihen abgeleitet. Nach aktuellem Stand ergibt diese Formel einen Wert von 1,02 Prozent p. a. (nach Abzug der Kosten).
3
Unterdeckung bedeutet, dass die zugesagte Leistung nicht durch entsprechendes Kapital abgedeckt ist. Bei Beitragszusagen gibt es definitionsgemäß keine Unterdeckung.
4
In Belgien gilt für Eigenbeiträge der ArbeitnehmerInnen eine Mindestverzinsung von 3,75 Prozent p. a., nach Abzug der Risikoprämien für die Deckung der Risiken Invalidität und Tod. Bei den Beitragszusagen gilt zusätzlich eine Mindestrendite auf die Beiträge des Arbeitgebers von derzeit 3,25 Prozent p. a. In den deutschen Pensionsfonds gilt eine Nullverzinsung, also eine Nominalwertgarantie auf die eingezahlten Beiträge.
5
In den Niederlanden sind beispielsweise mehr als 90 Prozent aller Betriebspensionszusagen Zusagen mit definierter Pensionsleistung (Leistungszusagen).
6
Der Arbeitgeber bezahlt selbst die Betriebspension.

WEBLINKS
Die Studie ist ab 7. April 2009 bei der AK Wien erhältlich:
http://wien.arbeiterkammer.at/online/page.php?P=3885
»Mythos Kapitaldeckung - Die Risken der Privatisierung des Pensionssystems«, Broschüre der GPA
www.vgkk.at/mediaDB/MMDB63726_22114.PDF

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