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Frauen ohne Obdach Tiere sind erlaubt, selbst wenn es dadurch Probleme gibt. »Haustiere sind auch ein therapeutisches Mittel«, meint Elvira Loibl, Leiterin und Mitbegründerin des FrauenWohnZentrums.

Frauen ohne Obdach

Schwerpunkt

Wohnungslose Frauen haben im öffentlichen Raum keinen Schutz. Das FrauenWohnZentrum in Wien bietet ihnen seit 2005 Hilfe in Notsituationen.

Es waren nur ein paar Schritte«, erzählt die 27-Jährige, die Augen der Eltern aber hätten gestrahlt. Sie berichtet von ihrer früheren Arbeit als Kindergärtnerin bei Schwerstbehinderten. »Ich habe ihre Sprache verstanden«, sagt sie, »nicht diese Sprache mit den Worten, die andere halt. Einer konnte sogar wieder gehen, ein bisschen wenigstens.« Die ehemalige Kindergärtnerin ist jetzt Frühpensionistin. Sie kommt nur auf Besuch ins FrauenWohnZentrum in Wien Leopoldstadt. Gerne bemalt sie Seidentücher, mit Leoparden und Drachen. Sie trägt eine schwarz gehäkelte Mütze und einen großen Jogginganzug. Einmal da hatte sie einen Husky mit blauen Augen. Aber das ging nicht gut, er brauchte zu viel Auslauf, sagt sie. 

Tiere erlaubt
Ins FrauenWohnZentrum in der Springergasse hätte sie Sheila schon mitnehmen können. Tiere sind hier erlaubt, selbst wenn es dadurch Probleme gibt. »Haustiere sind auch ein therapeutisches Mittel«, meint Elvira Loibl, Leiterin und Mitbegründerin des FrauenWohnZentrums. »Es ist eine bedingungslose Liebe, mit allen Auseinandersetzungen, die es rund um Beziehungen gibt.«
Im TagesWohnZimmer (WoZi) wird gerade das Geburtstagsfest einer Bewohnerin vorbereitet. Feste und Rituale gehören hier zum Hausgebrauch. Gerda (Name v. d. Red. geändert) im rosa Pulli trägt ein Plastikschwert. Sie erzählt Geschichten, als liefe ein Film mit mehreren Handlungen. Von Gewalt ist die Rede und von Tod, aber auch, dass sie jetzt ihre blonden Haare zu Zöpfen geflochten haben will. Sie hat schon genug Pech gehabt im Leben, jetzt will sie, wenn möglich, das blaue Band ins Haar, oder das rote. 

Männer verboten
Kurz vor Weihnachten 2005 war das vierstöckige Haus in der Springergasse auf Initiative einer Gruppe von Sozialarbeiterinnen für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Frauen eröffnet worden. Finanziert wird das Caritas-Projekt vom Fonds Soziales Wien (FSW), das Tageszentrum wird zusätzlich aus Mitteln des Bundesministeriums für Frauen gefördert. Zielgruppe sind Frauen, die von anderen Einrichtungen nicht aufgenommen werden (können), Frauen mit psychischen Problemen und/oder Suchterkrankungen und Frauen, die sich nicht von ihren Haustieren trennen wollen.
Männern hingegen, und das ist eine der wenigen unumstößlichen Regeln des Hauses, ist der Zutritt verboten. »Das Strukturierungsmerkmal: ›Wer gefällt wem?‹ fällt dadurch weg«, meint Elvira Loibl. Auch die Antwort auf die Frage, welche - fiktiven oder begründeten - Ängste mit Männern verbunden sind, könne dadurch aufgeschoben werden: »Die Frauen haben so Zeit, sich einmal mit sich selbst auseinanderzusetzen.« 

Zwar ist das Bild des »Sandlers«, der unter der Brücke schläft, immer noch Symbol der Wohnungslosigkeit: Grundsätzlich sind sowohl Frauen als auch Männer von Obdachlosigkeit betroffen. »Zunehmend sind Bevölkerungsgruppen auf Unterstützung durch die Wohnungslosenhilfe angewiesen, die vor Jahren noch die Ausnahme waren«, heißt es in einem Arbeitspapier der Grundlagenabteilung der Caritas Wien vom Oktober 2008. Nämlich: »Jugendliche bzw. junge Erwachsene, hoch verschuldete ehemalige selbstständig Erwerbstätige und Menschen mit psychischen Erkrankungen.«
Der Großteil der Klientel der Wohnungslosenhilfe ist dennoch männlich. Die Angst vor sozialer Ächtung, vor alltäglicher Diskriminierung in gemischtgeschlechtlichen Einrichtungen und vor Entzug des Sorgerechtes für die Kinder ist für viele Frauen eine zu große Hürde, öffentlich nach Hilfe zu suchen. »Genau deshalb gibt es einen enormen Bedarf, frauenspezifische Räume zu schaffen«, meint Diplomsozialarbeiterin Elvira Loibl. »Die Frauen brauchen gerade in ihrer Veränderungslage, wo sie alle ihre Kräfte benötigen, spezifische Angebote und Unterstützung.« 

Andere Strategien
Frauen ohne Bleibe wählen andere Strategien als Männer. »Sie bleiben eher in Lebensverhältnissen, die sie schädigen oder gehen Zweckgemeinschaften ein«, heißt es im zitierten Bericht der Caritas. Für die Öffentlichkeit bleibt das Problem der Wohnungslosigkeit von Frauen damit weitgehend unsichtbar.
»Wohnen hat für Frauen eine völlig andere Bedeutung«, ist Elvira Loibl überzeugt. »Bei Männern ist eher die Arbeit Identität stiftend. Bei Frauen ist es die Wohnung.« Durch die lange Wartezeit zur Aufnahme in einem Wohnheim oder für einen betreuten Wohnplatz ertragen viele Unerträgliches. »Wir bräuchten hier schnelle Lösungen«, meint Loibl. »Längeres Warten halten die Frauen nicht durch, sie arrangieren sich in der Zwischenzeit.« Das gilt auch für Jugendliche: Bereits rund ein Drittel der KlientInnen der Erstanlaufstelle P7 - Wiener Service für Wohnungslose - ist heute unter 30 Jahre alt. Damit sind die 18- bis 30-jährigen Männer und Frauen mit 31 Prozent die größte Gruppe, die von Wohnungslosigkeit betroffen ist. Aktuell stellt das von der Caritas der Erzdiözese Wien betriebene JUCA die einzige spezialisierte Wohn-Einrichtung für diese Zielgruppe in Wien dar.

Im FrauenWohnZentrum werden Topfen- und Zwetschkenstrudel serviert. Das Geburtstagskind fährt mit einem Einkaufswagen Kindersekt besorgen. Maßvoll ist Alkohol erlaubt, auch geraucht darf werden. Zwei Fachfrauen, aus der Sozialarbeit und dem psychosozialen Bereich, haben Dienst im WoZi. Das Hausbüro ist rund um die Uhr besetzt.
Im Tageszentrum können die Frauen ihre Wäsche waschen, duschen, fernsehen und - vor allem - miteinander oder mit einer der Betreuerinnen reden. Oberster Grundsatz für das Team des FrauenWohnZentrums ist die Orientierung an den Ressourcen, nicht an den Defiziten der Frauen und die Beratung und Begleitung in würdevoller Begegnung. »Die Frauen sollen Kraft in einer extrem schwierigen Situation bekommen«, erläutert Elvira Loibl die Zielsetzung des Projekts. »Denn von Armut betroffen zu sein heißt auch, über so geringe finanzielle Mittel zu verfügen, dass regelmäßiges Bezahlen der Wohnkosten schwierig ist, vom Ansparen einer Kaution ganz zu schweigen. Es heißt, keine Bewegungsmöglichkeit zu haben und aus eigener Initiative niemals zu einer Wohnung kommen zu können.« 

Sollen’s hackl’n?
Das FrauenWohnZentrum bietet Frauen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, Hilfe in Notsituationen. Auf vier Stockwerken stehen 32 Wohnplätze zur Verfügung. Ein Teil davon, im sogenannten »niederschwelligen« Bereich, steht für akute Notlagen bereit. Die Frauen können anonym und ohne eine sozialarbeiterische Betreuung eingehen zu müssen, kurzfristig hier wohnen. Die restlichen Wohnungen, mit Kochnische und Dusche, sind für Frauen, die eine sozialarbeiterische Hilfestellung und Begleitung annehmen können.
Von den KlientInnen des P7, der zentralen Anlaufstelle für wohnungslose Menschen in Wien, ist jede achte Person erwerbstätig. »Eine Wohnungslosenhilfe-Einrichtung als Adresse, Schulden, Zahnlücken oder Tatoos lassen die von uns betreuten Frauen und Männer für die meisten ArbeitgeberInnen wenig attraktiv erscheinen«, heißt es im Arbeitspapier zur Wohnungslosigkeit von der Caritas Wien. »Nicht wenige haben sich infolge vieler gescheiterter Anläufe, ihre Lebensumstände zu verbessern, selbst aufgegeben. Ihre vermeintliche Faulheit ist in Wahrheit Entmutigung. Wo es an Eigeninitiative mangelt, braucht es nicht Druck, sondern die Erfahrung, doch etwas schaffen zu können.«
»Unser Grundsatz ist das Recht auf Wohnen, unabhängig vom psychischen Zustand oder einer etwaigen Sucht«, meint Elvira Loibl zum Thema. Allerdings: »Arbeitsprojekte, die stundenweise Tätigkeiten erlauben, wären sehr hilfreich. Die Frauen haben Angst vor dem Versagen, sie bräuchten einen unbürokratischen Zugang zu sinnvoller Arbeit. 

INFOS
Kontakt für alle Angebote:
FrauenWohnZentrum der Caritas der ED Wien
Springergasse 5, 1020 Wien
Telefon: 01/971 80 07
E-Mail: frauenwohnzentrum@caritas-wien.at
Internet: www.caritas-wien.at
Caritas-Spendenkonto:
PSK 7.700.004, BLZ 60.000
Kennwort: "FrauenWohnZentrum"

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