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Männer vor bitte! Es ist nicht leicht, die ausgefallene Berufswahl zu begründen: Immer noch wird von Burschen erwartet, »männliche« Berufe zu wählen, um nicht als »Weichei« dazustehen.

Männer vor bitte!

Schwerpunkt

Dass es Frauen in Männerberufen nicht immer einfach haben, ist bekannt. Aber auch Männer haben es schwer in klassischen Frauenbranchen.

Männer in Frauenjobs sind eine rare Spezies. Doch es tut beiden Seiten gut, wenn die Trennung zwischen klassischen Männer- und Frauenjobs endlich aufhört.
Früher einmal war die PR vorwiegend ein Männerberuf und überaus lukrativ bezahlt. Wer in dieser Branche einen Job hatte, war gut dran. Dann drängten gut ausgebildete und hoch motivierte Frauen in diesen Beruf. Und ganz hurtig mutierte die PR zu einem Berufsfeld mit sinkenden Honoraren und Gehältern. Dieser Automatismus lässt sich auch in anderen Berufen beobachten.
Umgekehrt haben es auch die Männer nicht ganz leicht, die es in sogenannte »klassische Frauenberufe« zieht: Sie müssen mit dem niedrigen Lohnniveau klarkommen, mit Vorurteilen in ihrer Umwelt und mit erstaunten Blicken der Kolleginnen. Auf der anderen Seite, dort wo zunehmend auch Männer ihr berufliches Glück suchen, steigt das soziale Ansehen von Jobs und damit über kurz oder lang auch die Löhne. 

In Wien arbeiten derzeit neben 6.343 Frauen genau 60 Männer als Kindergartenpädagogen oder Assistenten in den städtischen Kindergärten. Wie viele Männer in privaten Einrichtungen zwischen Puppenecke und Morgenkreis ihren Lebensinhalt finden, ist statistisch nicht erfasst.
Männer im Kindergarten sind, wie auch Männer in Volksschulen, Exoten. Und das, obwohl Studien beweisen, dass es auch den Kindern gut tut, wenn sie Frauen und Männer als Rollenvorbilder haben. Wenn ein junger Mann diesen Job wählt, kann es ihm durchaus passieren, dass man ihn verdächtigt, nicht ganz normal zu sein. So ging es dem Deutschen Erzieher Andreas Ankert, der trotz Mangels an männlichen Kollegen 14 Monate arbeitslos war, bevor er als Kinderpfleger in einem Hort bei München eingestellt wurde. Ankers Fazit: »Viele Menschen betrachten einen Mann, der Kinder mag, gleich als pervers.« 

In Rollenklischees feststecken
»Wir haben es mit tief verwurzelten Rollenklischees zu tun, die sich in der Berufswahl der Erzieher niederschlagen«, sagt Melitta Walter. Die auf Geschlechterfragen spezialisierte Pädagogin und Buchautorin hat die Beobachtung gemacht: »Männer sollen echte Kerle sein: Automechaniker oder Polizisten, aber keine Kindergärtner.« Die bekennende Feministin ärgert sich darüber: »Da reden wir über Vätermonate und Elterngeld, aber dort wo das Ganze ansetzen könnte, lernen die Kinder als einzigen Mann den Hausmeister kennen.«
Aber nicht nur die Kleinkinderpädagogik ist ein Feld, das Männer fast ausschließlich den Frauen überlassen: Ordinationshilfen, Floristen und das männliche Gegenstück zur klassischen Sekretärin sind Berufe, die Männer nur in seltenen Ausnahmefällen wählen. Und das, obwohl Untersuchungen nahelegen, dass Männer in überwiegend von Frauen dominierten Berufen, schneller Karriere machen als in sogenannten klassischen Männerberufen. Sie fallen eher auf und werden auch oft von Kolleginnen und Vorgesetzten stärker gefördert als Frauen in derselben Position. Dennoch ist es nicht leicht, vor allem als sehr junger Mensch seinen Freunden gegenüber, die ausgefallene Berufswahl zu begründen: Immer noch wird von Burschen erwartet, »männliche« Berufe zu wählen, um nicht als »Weichei« dazustehen.

Andere Kommunikation
Wer Blumenbinder, Sekretär oder Ordinationshelfer werden will, ist normalerweise hoch motiviert, gegen die immer noch auftauchenden Vorurteile anzukämpfen: Nicht selten wird als Erklärung, warum so wenige Männer in Pflegeberufen oder im Kindergarten arbeiten, ihr angeblich mangelndes Verständnis für Kleinkinder und ihre fehlende Bereitschaft zu pflegen herangezogen. Dabei wenden sich interessierte Männer vor allem deshalb von diesen Jobs ab, weil sie oftmals schlecht bezahlt sind und dafür anstrengend. Da macht das fehlende Sozialprestige schon gar nicht mehr so viel aus.
Wer sich aber dennoch dafür entscheidet, kann beide Seiten der Medaille kennenlernen: Zwar werden Männer in Frauenberufen oft schneller befördert als ihre weiblichen Kolleginnen, an den manchmal doch sehr anderen Kommunikationsstil in Teams mit vielen Frauen müssen sich die jungen Männer allerdings auch erst gewöhnen.

Martin Haase, der in der Handelskammer Hamburg seine Ausbildung zum Sekretär absolvierte, sieht den Unterschied so: »Frauen reden im Allgemeinen viel mehr als Männer bevor sie auf den Punkt kommen und brauchen dementsprechend länger. Außerdem fragen sie mich oft nach meinem Privatleben aus.«
Oft kommt es auch zu Verwechslungen. So können Arzthelfer schon öfter einmal neue PatientInnen aufklären, dass sie nicht der »Herr Doktor« sind. Ein Fall, der weiblichen Ordinationshilfen (im Vorzimmer weiblicher Ärztinnen) nur höchst selten unterkommt. Auch der Sekretär in der Hamburger Handelskammer kann von Verwechslungsfällen erzählen: Chefs großer Unternehmen unterhalten sich jovial mit ihm, weil sie glauben, dass der junge Mann eine »bedeutendere« Stellung einnimmt. 

Es gibt aber auch erste Rollenvorbilder von Männern in Frauenberufen, die erfolgreich ein neues Bild von Männlichkeit an ihre Söhne weitergeben. Sven Walenta, der in einem städtischen Kindergarten in Wien 9 arbeitet, ist so ein »neuer Mann«. »Meine Mutter war als ich vor der Jobwahl stand Tagesmutter, und immer wenn ich nach Hause kam, wollten die Kinder mit mir spielen. Irgendwie hat es sich dann ganz natürlich ergeben, dass ich diese Laufbahn ergriffen habe. Und ich würde jederzeit wieder so entscheiden.«
Walenta hört man die Begeisterung für seinen Beruf, den er seit 17 Jahren mit Engagement ausübt, bei jedem Satz an. So wundert man sich dann gar nicht, wenn man hört, dass Walentas 14-jähriger Sohn in die Fußstapfen seines Vaters gestiegen ist und ebenfalls eine Ausbildung zum Kindergartenpädagogen macht.
Und obwohl Walenta rundum zufrieden ist mit seinem Job, gibt es doch einen Wermutstropfen für den engagierten Kindergärtner: »Im Gegensatz zu den Lehrern ist das Gehalt - vor allem die Anfangsgehälter - schon sehr schlecht, dabei tragen wir genauso viel Verantwortung und legen den Grundstein bei den Kindern«, meint Walenta.
Deshalb ist er auch sehr dafür, dass Mädchen in Burschenberufen arbeiten und umgekehrt: »Wenn alles ein bissl durchgemischt wird, verschwinden die starken Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern.«

Alltagsschwierigkeiten
Doch nicht nur im Berufsleben haben es Männer in manchen Branchen gar nicht so leicht, ihren Platz zu finden: Immer öfter beschweren sich Männer, die sich gleichberechtigt um ihre Kinder kümmern: Sie stoßen trotz entsprechender Regelungen im Beruf öfter auf Vorurteile und festgefahrene Rollenklischees als man annehmen möchte: »Wenn die Kinder krank sind und nicht in den Kindergarten und in die Schule gehen können, und meine Frau in ihrem Job an einem wichtigen Projekt arbeitet, nehme ich mir eben Pflegeurlaub und kümmere mich um die beiden. Manche Kollegen fragen, warum ich das tue und nicht meine Frau daheim bleibt«, erzählt ein Computerfachmann, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, es ist eben noch nicht selbstverständlich, dass auch Männer ihren Teil der Verantwortung in Sachen Familienarbeit übernehmen.
Damit schlagen sich junge Väter auch in zahllosen Lokalen und Geschäften herum: So ist es zum Beispiel mittlerweile so, dass es zwar auf vielen Toiletten von Lokalen, die man auch mit Kindern aufsuchen kann, Wickeltische gibt. Leider werden die meist nach wie vor hartnäckig auf den Damentoiletten angebracht. »Da kommt man sich schon komisch vor: Da wechselt man vom ersten Tag an die Windeln, und dann kann man sich auch noch komisch anschauen lassen, wenn man zum Wickeltisch will«, klagt ein engagierter Vater stellvertretend für viele.
Es ist also noch ein weiter Weg auch für Männer, die Gleichberechtigung wirklich leben wollen. Aber es ist schon eine ganze Menge auf diesem Weg. 

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IHS-Studie zum Thema:
Frauenberufe - Männerberufe

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