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Die Budget, der Budget? Wird davon ausgegangen, dass Frauen grundsätzlich »anders« sind als Männer, kommt man bisweilen zu gänzlich anderen Entscheidungen, als wenn von ähnlichen Bedürfnissen ausgegangen wird.

Die Budget, der Budget?

Schwerpunkt

Gender Budgeting ist ein wichtiges und notwendiges Instrument für die Gleichstellung von Frauen und Männern.

Money talks« - »Geld spricht«. Und sagt dann so einiges. Zum Beispiel darüber, welche politischen Zielsetzungen verfolgt werden. Schließlich ist Geld ein zentrales Mittel der Politikgestaltung. Daher war es nur logisch, dass sich die VerfechterInnen einer Politik, die die Gleichstellung von Frauen und Männern zum Ziel hat, auch der Erstellung von (öffentlichen) Budgets zuwandten. Das Prinzip der geschlechtergerechten Haushaltsführung ist unter dem Schlagwort »Gender Budgeting« mittlerweile zu einem breit diskutierten Konzept avanciert.

Bereits vor 80 Jahren
Die Idee ist älter, als man glauben möchte. So hat die Sozialdemokratin Gabriele Proft bereits 1928 im österreichischen Nationalrat kritisiert, wie viele der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten von Frauen erledigt werden, und wie wenig ihnen dafür aus den Budgetmitteln zugute kommt. Beides sind zentrale Aspekte von Gender Budgeting.
Ausgangspunkt ist das (soziale) Geschlecht als eine der zentralen Achsen, die die Gesellschaft bestimmen. Auch bei jeder anderen Betrachtung wie etwa nach Klasse, Bildung, Herkunft oder Tätigkeit ist auch das Geschlecht von Bedeutung. Aufgrund der unterschiedlichen Lebenszusammenhänge, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Positionen von Frauen und Männern ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jede politische Maßnahme geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wirkung hat. Daher ist Budgetpolitik immer auch Geschlechterpolitik.

Staat gegendert, privat unverändert?
Die viel zitierte Definition des Europarats sieht Gender Budgeting »als die Anwendung von Gender Mainstreaming im Budgetierungsprozess. Es bedeutet eine gender-relevante Bewertung der Budgets durch Einbringung einer Genderperspektive in allen Stadien der Budgeterstellung, den (staatlichen) Einnahmen und Ausgaben zur Förderung der Geschlechtergleichstellung.«
Während das englische Original neutral von Budget spricht, wird in der deutschen Übersetzung ein »staatlich« hinzugefügt. Die Einfügung spiegelt wider, dass der deutsche Begriff Budget wesentlich enger gefasst ist als das englische »budget«, das jede Art von Haushaltsplan umfasst. Mit der Einschränkung auf staatliche Budgets würden aber wesentliche Bereiche nicht erfasst, z.B. Firmen, Nichtregierungsorganisationen und ehemals öffentliche, nunmehr ausgelagerte bzw. privatisierte Betriebe.
Selbstverständlich gibt es aber auch dort viele Fragen, die mit Gender Budgeting behandelt werden können. Etwa, wie sich die Löhne und Gehälter in einem Betrieb auf Männer und Frauen verteilen, oder nach welchem Prinzip Zulagen und Prämien vergeben werden. Bislang galt bei Budgeterstellungen als entscheidend, wie viel an Geld für eine Maßnahme zur Verfügung gestellt wird. Obwohl dieser Seite des »Inputs« selbstverständlich große Bedeutung zukommt, würde eine Beschränkung darauf aus dem Blickwinkel der Geschlechtergerechtigkeit zu kurz greifen. Denn noch wesentlicher ist die Frage, was mit diesem Geld bewirkt wird.

Ressource Zeit berücksichtigen
Eine besondere Rolle bei der geschlechtergerechten Budgeterstellung spielt der bislang kaum berücksichtigte Beitrag zur Gesamtwirtschaft, der in Form gesellschaftlich notwendiger, unbezahlter Arbeit überwiegend von Frauen erbracht wird. So führt beispielsweise eine Kürzung der Nachbetreuung im Krankenhaus dazu, dass die Pflege der Kranken privat, unbezahlt und dabei zumeist von Frauen übernommen werden muss. Die Einsparungen im Gesundheitssystem gehen somit auf Kosten der Frauen. Gender Budgeting berücksichtigt auch diese Form der Umverteilung und geht somit über den konventionellen Budgetbegriff deutlich hinaus.
Zugespitzt gesagt, ist die Berücksichtigung der Ressource »Zeit« eines der Kern-Elemente einer feministischen wirtschaftlichen Analyse. Gender-Budgeting kann also als ein Ansatz interpretiert werden, die Prozesse und Ergebnisse der Ressourcenverteilung - und zwar Geld und Zeit - zwischen den Geschlechtern sichtbar zu machen und in Richtung Gleichstellung zu verändern.
Das Prinzip der »Wirkungsorientierung« soll in Zukunft auch im österreichischen Bundeshaushalt zum Einsatz kommen. Die Reform kommt in zwei Etappen. Ab 2009 sollen der neue Finanzrahmen und die Möglichkeit zur Bildung von Rücklagen den einzelnen Ressorts mehr Flexibilität geben. Schon in dieser Etappe gilt die Gleichstellung von Frauen und Männern als Staatsziel. Ab 2013 sollen die Budgets im Hinblick auf ihre Wirkungen erstellt werden, wobei als eines der Wirkungsziele die Gleichstellung von Frauen und Männern verankert wurde.
Bei der Umsetzung sind jedoch viele Fragen offen. So fehlt eine institutionelle Verankerung in Form zuständiger Gremien und Personen, und die Festlegung, welches Gleichstellungsziel verfolgt werden soll, bleibt den Ressorts überlassen. Gerade diese Ziele haben aber große Auswirkungen auf die konkrete Politik.

Was ist das Ziel?
Ohne klare Zieldefinitionen kann keine sinnvolle Strategie erarbeitet werden. Die Vorstellungen darüber, welche Form der Gleichstellung erstrebenswert ist, ist in hohem Maße Wertvorstellungen unterworfen. Wird davon ausgegangen, dass Frauen grundsätzlich »anders« sind als Männer, kommt man bisweilen zu gänzlich anderen Entscheidungen, als wenn von ähnlichen Bedürfnissen ausgegangen wird. Bei ersterer Sicht müsste zum Beispiel bei einem Sportbudget, das bislang vor allem Männer-Fußball finanziert hat, auch Geld für Frauensportarten reserviert werden. Wird hingegen von ähnlichen Bedürfnissen ausgegangen, wäre zu überlegen, ob das Geld nicht für die Gründung eines Frauenfußballvereins verwendet werden soll.
Die Zieldefinitionen sind also entscheidend für die Ableitung von politischen Maßnahmen. Daher sollten sie in einem breiteren Prozess unter Einbindung von ExpertInnen und der Zivilgesellschaft erarbeitet werden.

Männer entscheiden
Generell befasst sich Gender Budgeting auch damit, wie Budgetentscheidungen getroffen werden. Da fällt etwa ins Auge, dass in Österreich ein männlicher Finanzminister und zwei männliche Staatssekretäre den Budgetentwurf erstellen. Der wird dann im Finanzausschuss des Parlaments, der zu vier Fünftel mit Männern besetzt ist, behandelt. Über das Ergebnis stimmen die Abgeordneten - zu 72 Prozent Männer - ab. Ob in diesem Prozess Fraueninteressen ausreichend vertreten sind, ist in Frage zu stellen.
Konzepte zur Berücksichtigung von Frauen und Fraueninteressen gehen größtenteils mit einer breiteren Einbindung der Bevölkerung einher. Gerade auf lokaler Ebene bietet sich die Chance, so Budgetentscheidungen zu demokratisieren. So könnte in einer Gemeinde diskutiert werden, ob die vorhandenen Mittel für das Schwimmbad, den Sportplatz oder lieber den Kindergarten eingesetzt werden sollen.
Das derzeit in Verhandlung befindliche Bundesbudget muss die Gleichstellung von Frauen und Männern bereits als Staatsziel berücksichtigen. Diese Frohbotschaft wird allerdings ein wenig getrübt. Neben etlichen offenen Punkten hinsichtlich der Umsetzung ist es vor allem eine andere Zielbestimmung, die Skepsis aufkommen lässt. Nunmehr sind nämlich auch »nachhaltige Finanzen« ein in der Verfassung verankertes Budgetziel. Dieses ist zumindest interpretationsbedürftig und kann im schlechtesten Fall als die Festschreibung des »Nulldefizits« verstanden werden. Gerade vor dem Hintergrund der Finanzkrise braucht es jedoch die Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungen und soziale Sicherungssysteme nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen. Ohne ausreichende fiskalpolitische Spielräume ist da keine gendergerechte Politik zu machen. Es reicht eben nicht, die einzelnen budgetären Maßnahmen auf ihre genderpolitischen Wirkungen hin zu prüfen. (Wirtschafts-)Politik muss insgesamt unter diesem Aspekt beleuchtet und gestaltet werden.

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Mehr Infos zum Thema:
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