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Michael Haim: »Den Mehrarbeitszuschlag mit der Lohnerhöhung abzutauschen wäre wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen.«

Zuschlag für mehr Arbeit

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher für Unternehmen prägen den »weiblichen« Mehrarbeitszuschlag. Das schmälert den Nutzen für ArbeitnehmerInnen.

ArbeitgeberInnen verlangen von Teilzeitkräften oft sehr viel Flexibilität: Aber kosten soll es am besten nichts! Stundenvereinbarungen, die ständig überschritten werden oder kurzfristige Änderungen der Arbeitszeiteinteilung machen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für die meist weiblichen Teilzeitbeschäftigten nicht einfach. Dank des vom ÖGB forcierten und im Rahmen eines Sozialpartnerabkommens vereinbarten Mehrarbeitszuschlags hat sich hier bereits einiges für ArbeitnehmerInnen zum Positiven verändert. Denn seit 1. Jänner 2008 sind Mehrstunden entweder mit einem 25-prozentigen Zuschlag oder mit Zeitausgleich im Ausmaß 1:1,25 abzugelten - Ausnahme: Die Mehrarbeitsstunden werden innerhalb eines Quartals durch Zeitausgleich verbraucht.

Teurer für die Unternehmen

Wenn Teilzeitkräfte regelmäßig zur Mehrarbeit herangezogen werden, ist dies für die Unternehmen nun teurer. »Ein positiver Effekt ist daher, dass es durch die Einführung der Regelung vermehrt zu Stundenaufstockungen in den Betrieben gekommen ist«, berichtet Renate Lehner, vida-Bundessektionssekretärin für die privaten Dienstleistungen. Zahlreichen Teilzeitkräften, die regelmäßig Mehrarbeitsstunden geleistet haben, wurden Arbeitsverträge mit höheren Wochenstunden angeboten.

800.000 arbeiten Teilzeit

Für sie ist erfreulicherweise nicht nur das Gehalt, sondern auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie der Pensionsanspruch gestiegen. Die Unsitte der Unternehmen, automatisch ein zu geringes Teilzeitausmaß mit den Beschäftigten zu vereinbaren und dann regelmäßig große Mengen von Mehrarbeit leisten zu lassen, konnte dank Einführung der Regelung eingeschränkt werden.

Der Mehrarbeitszuschlag sollte vor allem Frauen aufgrund ihrer hohen Teilzeitbeschäftigungsquote zugute kommen. Mehr als 800.000 Menschen arbeiten in Österreich Teilzeit, das sind rund ein Viertel aller unselbstständig Erwerbstätigen. 85 Prozent dieser Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Analog dem Überstundenzuschlag bei »männlicher« Vollzeitarbeit, sollte auch die Mehrarbeit bei »weiblicher« Teilzeitarbeit mittels Zuschlag entsprechend honoriert werden.

Doch die Regelung für Teilzeitbeschäftigte weist in der Praxis noch einige Mängel auf. Das große Problem beim Mehrarbeitszuschlag sind die Schlupflöcher und verwässerten Ausnahmeregeln, die es den Unternehmen leicht machen. Gerade in den Niedriglohnbranchen versuchen viele ArbeitgeberInnen mit fragwürdigen Praktiken, den Mehrarbeitszuschlag zu umgehen. So fordern Unternehmen etwa von ihren Beschäftigten schriftliche Vereinbarungen zur Abänderung der Arbeitszeit zu unterzeichnen.

Auf diese Weise kann der Zeitausgleich innerhalb eines Durchrechnungszeitraums im Ausmaß 1:1 abgegolten werden, obwohl den ArbeitnehmerInnen eine Stundenersatzleistung von 1,25 zustehen würde.

Druck auf die Beschäftigten

Eine bedenkliche, aber leider juristisch gedeckte Variante, um den Mehrarbeitszuschlag zu umgehen: »Diese Vorgehensweise wird den Unternehmen intern von der Wirtschaftskammer sogar empfohlen«, weiß Michael Haim, vida-Fachsekretär für den Bereich Reinigung. In der Reinigungsbranche arbeiten fast ausschließlich Frauen, der Teilzeitanteil liegt dort bei 80 Prozent.

Aber auch im Handel - einer stark frauendominierten Branche - oder in der Gastronomie kennt man die Problematik. Die Arbeitgeberseite nützt diese Ausnahmeregelung schamlos aus: Fast schon im Monatstakt ändern manche Unternehmen die Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten - natürlich immer zum Vorteil der Unternehmen und zum Nachteil der ArbeitnehmerInnen.

Nicht selten wird die Zeitabrechnung auch erst im Nachhinein erstellt und den MitarbeiterInnen dann zur Unterschrift vorgelegt. Eine durchaus gängige Praxis, wie die Gewerkschaft weiß. »Die meisten ArbeitnehmerInnen unterschreiben«, berichtet Susanne Deimel-Heiderer aus ihrer Erfahrung als Zentralbetriebsratsvorsitzende im Reinigungsgewerbe.

Aus dem einfachen Grund, weil die Unternehmen massiven Druck auf die Beschäftigten ausüben würden. »Wer seine Unterschrift nicht leistet, wird gekündigt. Da sind die Unternehmen nicht zimperlich«, so Deimel-Heiderer. Die Liste der Tricks und Verfehlungen der Unternehmen ist lang.

Bekannt sind den Gewerkschaften auch Fälle von Unternehmen, die den dreimonatigen Durchrechnungszeitraum - entgegen der gesetzlichen Bestimmungen - einfach verlängern wollten. Dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit zugelassen hat, den Mehrarbeitszuschlag auf der Kollektivvertragsebene abzuändern, ist ein großer Nachteil der Regelung. Im Kollektivvertrag kann sowohl die Art der Berechnung als auch die Höhe des Zuschlags festgelegt werden. Abweichungen von der gesetzlichen Regelung sind sowohl zugunsten als auch zuungunsten der ArbeitnehmerInnen möglich. Der Kollektivvertrag kann auch einen niedrigeren als den gesetzlichen Zuschlag vorsehen.

Schlupflöcher eliminieren

»Das haben etwa die Reinigungsunternehmen für sich auszunützen versucht und im Zuge der KV-Verhandlungen Druck ausgeübt«, berichtet Haim aus der Praxis. Der Mehrarbeitszuschlag hätte mit der Lohnerhöhung abgetauscht werden sollen, so der Vorschlag der Unternehmen - eine schlichtweg undenkbare Lösung für das vida-Verhandlungsteam: »Das wäre wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Darauf werden wir uns heute und auch in Zukunft nicht einlassen.«

»Um eine wirkliche Verbesserung für die Teilzeitbeschäftigten zu erreichen, müsste der Gesetzgeber den Mehrarbeitszuschlag ohne Ausnahmeregelungen festsetzen - insbesondere ohne Durchrechnung und kollektivvertragliche Abänderungsmöglichkeit. Die Schlupflöcher für die Unternehmen gehören eliminiert«, fordert Lehner. Denn was bei Vollzeitarbeit selbstverständlich ist, muss auch für Teilzeitbeschäftigung gelten - ohne dass man sich drum herumschwindeln kann.

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.oegb.at/mehrarbeitsrechner

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