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Jegliches gesellschaftliche Engagement von BürgerInnen ist wertvoll und zu begrüßen - sofern es sich nicht in den unmenschlichen Bereich bewegt - auch wenn dieses Engagement uns nicht gefällt, weil wir eine andere politische Haltung haben.

Feigheit im Parlament

Schwerpunkt

Kabarettist und Schauspieler Josef Hader engagiert sich auch für Aktionen der Zivilgesellschaft: »Damit Demokratie lebendig bleibt.«

Cafe Rüdigerhof in Wien, ein kalter Nachmittag. Josef Hader bestellt sich eine Diplomatenmischung. Er wirkt entspannt, obwohl er - wie so oft - schwer beschäftigt ist: mit seinem Kabarettprogramm »Hader muss weg«, mit dem er zwischen Hamburg, München und Wien und Berlin auftritt, und mit Interviews anlässlich des neuen Films »Der Knochenmann« nach dem Roman von Wolf Haas und in der Regie von Wolfgang Murnberger.

Wie schon in früheren verfilmten Haas-Krimis spielt der Kabarettist aus dem oberösterreichischen Waldhausen den schwermütigen Expolizisten Brenner, der in eine Mordgeschichte gerät. Diesmal in einer ländlichen Gegend, wo alles irgendwie hoffnungslos ist, und ein an sich sympathischer Mensch, vom sympathischen Josef Bierbichler gespielt, Menschen mordet und die Leichen verwurstet.

Konstruktiv statt moralisch

Ein Film, bei dem die Liebe eine große Rolle spielt und die Grauslichkeiten im Detail stecken - Brenner findet im Abfall einen abgetrennten Finger. Hader, der das Drehbuch mitgeschrieben hat, mag diesen Mix aus Normalität und Wahnsinn, Romantik, Humor und Schrecken, weil das dem alltäglichen Leben entspricht. »Die Grauslichkeit ist kein Selbstzweck. Durch diese Ansammlung schöner Dinge, romantischer und böser, grauslicher Elemente entsteht eine seltsame Suppe aus Tragisch-Komisch-Zärtlich-Brutalem - halt ein Bild vom Leben in komprimierter Form. Wo das Romantische ist, ist auch die Grauslichkeit nicht weit, wo das Zärtliche ist, lauert auch die Brutalität. Und so gesehen hat das Grausliche eine Funktion«, sagt Hader, der zwar von vielen als Gutmensch gesehen wird, aber ihm geht es nicht um den schönen Schein, sondern ums konkrete Handeln: »Ich will nicht moralisch sein, sondern konstruktiv. Wenn es sich um eine Aktion, um ein Projekt bzw. eine Sache handelt, die mir vernünftig erscheint, versuche ich etwas dafür zu tun.«

Mit vollem Einsatz

Und wenn er sich engagiert, dann tut er das mit vollem Einsatz. So setzte sich der ehemalige Obmann von SOS-Mitmensch im vergangenen Jahr bei einer Art Roadshow für eine faire Bleiberechtsregelung ein. Und auf Plakaten wirbt »Der Pate« Hader für die Kindernothilfe. Diese Kampagne hat zum Ziel, Patenschaften für benachteiligte Kinder verstärkt in das öffentliche Blickfeld zu rücken. Zum Kampagnen-Start 2005 las Hader für Kinder und Erwachsene aus Robinsons Reise nach Äthiopien. Zusätzlich spendete er die Einnahmen seines Kabarettabends »Hader muss weg« für diese Aktion. »Demokratie«, begründet Hader sein Engagement, »ist keine Selbstverständlichkeit. Sie bleibt nur lebendig und erhalten, wenn man bereit ist, dafür eine bestimmte Haltung einzunehmen, diese zu vertreten oder auch gegen etwas zu sein. Nicht als Politiker, nicht als Künstler, einfach als Bürger. Das ist der Grund, dass ich trotz mancher Vergeblichkeitsvermutungen bei Initiativen mittue: Denn wer eine Demokratie möchte, muss sich auch aktiv dafür einsetzen. Eine Gesellschaft, die daraus besteht, zur Wahl zu gehen - oder inzwischen schon nicht mehr zur Wahl zu gehen -, Steuern zu zahlen und Sozialleistungen entgegenzunehmen und der die Demokratie nichts mehr wert ist, wofür sich Einsatz lohnt, wird sie irgendwann verlieren. Jegliches gesellschaftliche Engagement von BürgerInnen ist wertvoll und zu begrüßen - sofern es sich nicht in den unmenschlichen Bereich bewegt - auch wenn dieses Engagement uns nicht gefällt, weil wir eine andere politische Haltung haben.«

Sein Engagement mag damit zu tun haben, dass Hader, der sich selbst als linkskatholisch sozialisiert bezeichnet, und als Kind Ministrant war, zu der Generation gehört, die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten durch Gründung von Bürgerinitiativen und zivilen Ungehorsam entdeckte. Dementsprechend kritisch beäugt der Kabarettist die Folgen der Studentenrevolte von ’68: »Das globale Bewusstsein hat zugenommen, aber im Vergleich zu früher finden in der heutigen Jugend weniger Aktivitäten statt. Das heißt nicht, dass alles schlechter geworden ist. Die ganze Entwicklung der 68er-Bewegung war gesellschaftlich sehr wichtig, aber man darf die Verlogenheit nicht unterschätzen, die dieser Bewegung innewohnt. Es ist interessant, dass die Generation der 68er einen erstaunlich hohen Anteil an Rohrkrepierern hat, wenn sie in ein Amt kommt, in dem sie was ändern könnte. Man muss sich nur in der österreichischen und deutschen Politik umsehen«.

Politik in Krisenzeiten

Dabei ist die Rolle der Politik in Zeiten der Krise bedeutsamer denn je, findet Hader, der der Finanzkrise etwas Gutes abgewinnt. Seit der Kapitalismus nicht mehr durch andere Gesellschaftssysteme konkurriert und in Schach gehalten werde, habe er sich zu einem weltweit unmenschlichen System entwickelt. Durch die große Krise werde den Menschen wieder bewusst, dass der Staat nicht bloß Verhinderer ist, sondern Sinn hat, und dass die viel geschmähten PolitikerInnen ihre Berechtigung haben. Obwohl Hader privat ein aktiver politischer Mensch ist, interessiert ihn die Tagespolitik für seinen Beruf wenig. Das sei nicht seine Sache, sagt er, überhaupt habe sich die Kabarettszene ziemlich verändert. Die KabarettistInnen von heute bringen ihre eigene Befindlichkeit ein und spielen mit dem Publikum, indem sie ihm scheinbar ein Privatissimum geben.

Zu Zeiten eines Gerhard Bronner habe Kabarett eine ganz andere Ventil-Funktion gehabt. »Politische Skandale wurden auf der Kabarettbühne ausgetragen. Lieder wie ›Der Papa wird’s scho richten‹ haben sich auf konkrete Ereignisse bezogen, in diesem Fall auf die Vetternwirtschaft. Oder der Herr Karl, den Qualtinger ans Tageslicht gezerrt hat - diese österreichische Haltung war in keiner Zeitung nachzulesen. Es gab zwar ein politisches Kabarett auf den Spuren der 68er-Bewegung und der Friedensbewegung, aber es wurde im Prinzip vom investigativen Journalismus abgelöst. Politisches Kabarett findet heute noch statt, aber es ist ganz oberflächlich geworden. Da heißt es: alle Politiker sind dumm, korrupt, überbezahlt. Das ist für mich eine Art Nazikabarett - denn: was wollen diese Kabarettisten? Die Diktatur? Für gutes Kabarett bleibt immer noch für mich Lukas Resetarits als die Instanz. Ihm gelingt es, zuerst die Menschen herzuholen und dann feinere Dinge anzusprechen.«

Staatsbürger Hader

Auf die Frage, wie er die neue Regierung bewerte, reagiert »Staatsbürger Hader« mit einem Quäntchen Wohlwollen und der Beobachtung, dass in einigen Ressorts etwas weiter geht: »Ermutigend ist, dass im Schulbereich Signale mit neuen Schulversuchen gesetzt wurden, dass die neue Mittelschule ausgedehnt wird - wegen großer Beliebtheit. Ermutigend finde ich auch, dass Menschen, die LehrerInnen werden wollen, feststellen müssen, ob sie auch dafür geeignet sind.«

Wie das Kaninchen

Das ändere aber nichts an der großen Feigheit der PolitikerInnen im Parlament, die Josef Hader in Zusammenhang mit Menschenrechten, der Ausländerfrage und den Problemen, die sich daraus ergeben, beobachtet hat: »Die größeren Parteien haben schon vor den Wahlen geschwiegen, und jetzt steht die Regierung paralysiert vor FPÖ und BZÖ - wie das Kaninchen vor der Schlange.«

Zur Person
Josef Hader
1962 in Waldhausen Oberösterreich geboren, geht im Stiftsgymnasium Melk zur Schule. Erstes Kabarettprogramm 1982 »Für Fort Geschrittene«, 1991 entsteht gemeinsam mit Alfred Dorfer der Film »Indien«. Haders erfolgreichste Kabarettprogramme sind: »Privat« (1994 bis 1999), »Hader spielt Hader« (2001 bis 2004) und »Hader muss weg«. Außerdem ist er in verschiedenen Filmen zu sehen, u. a. als Brenner in »Silentium«, »Komm süßer Tod« und »Der Knochenmann«, ab 6. März im Kino
.

Weblinks
Der Knochenmann
www.derknochenmann.at
Josef Hader online
www.hader.com

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