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»Der Betriebsrat hat eine Position, die eine einzelne Person nicht hat.« V. l. n. r.: Katharina Hanzal, Otto Winkler, Susanne Gabrle, Walpurga Eder, Rafael Schieder

Eulen nach Athen

Schwerpunkt

Seit Jahresbeginn gibt es im Wiener Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) einen neuen Betriebsrat. Wozu?

Gerade in einem sozialpolitischen Projekt wäre es bedenklich gewesen, hätte sich kein Betriebsrat gefunden«, meint Katharina Hanzal, nunmehrige Betriebsrätin und Mitarbeiterin im Sozialbereich des Werkstätten- und Kulturhauses in Wien-Währing. Im November 2008 war der vorherige Betriebsrat wegen des »Abgangs« der MitarbeiterInnen in dieser Funktion aufgelöst worden. Das Interesse einen neuen zu wählen, war sowohl seitens der Geschäftsführung des Vereines Wiener Werkstätten und Kulturhaus (WUK) als auch der Beschäftigten groß.

Geringe Wahlbeteiligung

Die Beteiligung an den Versammlungen und der Abstimmung jedoch blieb verhältnismäßig gering. Von den 107 Wahlberechtigten machten letztendlich nur 62 von ihrem Stimmrecht Gebrauch. »Alle haben viel zu tun«, erklärt dies Neo-Betriebsrätin und Sozialarbeiterin Walpurga Eder: »Sehr viele unserer MitarbeiterInnen sind nur in Teilzeit angestellt. Besonders unter ihnen steigt der Arbeitsdruck enorm.«

Betriebsrat Rafael Schieder, seit einem Jahr in der EDV-Abteilung des WUK, war »verwundert über das geringe Interesse unter traditionell links eingestellten Leuten. Aber wenn einmal der Hut brennt, ist es zu spät. Wenn keine Strukturen vorhanden sind, kann nicht anlassbezogen reagiert werden.«

Die Strukturen des 1979 gegründeten Vereines WUK sind auf den ersten Blick schwer zu durchschauen. Bekannt ist der rote Ziegelbau auf dem ehemaligen Fabrikgelände in Wien-Währing durch den regen Kulturbetrieb mit vielen interdisziplinären Projekten und Veranstaltungen. So richtete der französische Soziologe Pierre Bourdieu 2000 in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kunsthalle Exnergasse im WUK seine Botschaft an die »fortschrittlichen Österreicher« nach der Wende 2000. Unter dem Titel »Let’s organize« wurde angesichts der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse mit »Graswurzelbewegungen« und VertreterInnen der GPA-djp diskutiert.

Europaweit beispiellos ist der autonome Teil, der sich im WUK-Forum organisiert. 130 Gruppen arbeiten in Selbstverwaltung in sieben Bereichen, von Kunst, Tanz bis hin zu Kindergruppen, dem SeniorInnenzentrum und anderen sozialen Initiativen.

Der Verein mit seinen 107 Angestellten verwaltet die »drei Säulen« Kulturbetrieb, Sozialprojekte und soziokulturelles Zentrum. Er stellt den im Haus tätigen Gruppen die Infrastruktur und Dienstleistungen zur Verfügung.

Partner

Etabliert hat sich das WUK auch als Partner für unterschiedliche Fördergeber, wie das Arbeitsmarktservice (AMS) Wien, das Bundessozialamt Landesstelle Wien und den Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (WAFF). Immer mehr Jugendliche suchen Hilfe auf der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.

Aus einer Beratungsstelle mit zwei MitarbeiterInnen sind heute sechs WUK-Beratungsstellen mit rund 65 Beschäftigten geworden, die jährlich rund 2.000 benachteiligte und behinderte Jugendliche beim Einstieg in die Berufswelt begleiten.

Keine Missstände?

»In einem Bereich, wo Demokratie und Basis gelebt wird ist das Gefühl, einen Betriebsrat zu brauchen, sicher geringer als in der Wirtschaft, wo die Missstände offensichtlich sind«, meint die Betriebsratsvorsitzende Susanne Gabrle. Gerade im sogenannten Social-Profit-Sektor, zu denen das WUK gehört, haben BetriebsrätInnen aber wichtige Funktionen.

Laut dem Bericht zum Thema »Der Dritte Sektor in Wien - Zukunftsmarkt der Beschäftigung?« liegt die Hauptmotivation der MitarbeiterInnen in der gesellschaftlich sinnvollen Arbeit. »Sie sind sich bewusst, worauf sie sich einlassen und bereit, zugunsten der Erhaltung der innerbetrieblichen Solidarität - und der Initiative insgesamt - auf in anderen Wirtschaftsbereichen oft selbstverständliche Standards zu verzichten.«

Zwar ist im WUK die Kommunikation mit den »Arbeitgebern«, also der Geschäftsführung und dem Vorstand des Vereins, partnerschaftlich. »Aber auch wir arbeiten unter marktwirtschaftlichen Bedingungen«, vermerkt Betriebsrat Rafael Schieder. Das Arbeitsklima, die Arbeitszeit, die sogenannten Sabbatical-Regelungen, Information und Entlohnung sind einige der Kernthemen, die der »fünfköpfige« Betriebsrat und seine zwei Ersatzleute in Angriff nehmen.

Entlohnung

Als Errungenschaft im Bereich der Sozial- und Gesundheitsberufe gilt der 2004 abgeschlossene BAGS-Kollektivvertrag.

Der zwischen der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaft im Gesundheits- und Sozialbereich und den zuständigen Gewerkschaften ausgehandelte Kollektivvertrag löste vormalige Betriebsvereinbarungen in etlichen Vereinen ab. »Teilweise waren MitarbeiterInnen im Ausbildungs- und Beratungsbereich früher besser bezahlt, als sie es nun nach BAGS sind«, meint Susanne Gabrle, Mitarbeiterin der Koordinationsstelle AMS, BSB, FSW, (Arbeitsmarktservice, Bundessozialamt, Fonds Soziales Wien).

Aufgrund des relativ hohen Lohnniveaus in Wien hatte der Kollektivvertrag - anders als für die Beschäftigten in den Bundesländern - einen Verlust bedeutet. »Für ältere ArbeitnehmerInnen wird ein Wechsel in ein neues Betätigungsfeld schwerer, das nach den neuen Verträgen geringer entlohnt wird«, erklärt Betriebsrat Otto Winkler, der Arbeitsuchende Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf den Arbeitsmarkt vorbereitet.

»Man könnte das WUK eine ›gebundene Gesellschaft‹ nennen«, meinte die Philosophin Isolde Charim anlässlich des 25-jährigen Bestehens des WUK im Oktober 2006. »Das heißt eine Gruppierung, die lose wie eine Gesellschaft dennoch verbunden ist durch eine ›Gemeinsamkeit‹.«

Das gemeinsame gesellschaftspolitische Engagement kann - so meinen die ExpertInnen - zum Nachteil der Beschäftigten werden. »Die knappen Mittel zur Erzielung der Leistung werden durch flexible Arbeitsabläufe und bereitwillige Übernahme von Zusatzaufgaben unterstützt«, heißt es in dem zitierten Bericht des Forschungsprozesses der Equal-Partnerschaft der »Dritte Sektor in Wien«.

Betriebsrat ist wichtig

Wenn die Trennung zwischen Arbeitsatmosphäre und Lebensgefühl fließend wird, geraten arbeitsrechtliche Forderungen oftmals unter die Räder. »Diese Haltung produziert sich im Rechtsempfinden. Arbeitsrechtliche Forderungen werden erst dann gestellt, wenn persönliche Gefährdung durch Stress, Burn-out und mangelnde existenzielle Sicherheit entsteht«, heißt es in dem Bericht. »Der Betriebsrat hat eine Position, die eine einzelne Person nicht hat«, ist Katharina Hanzal von der Wichtigkeit eines Betriebsrates gerade im »engagierten« Sektor überzeugt.

Mit Hilfe der guten internen Haustechnik im WUK sollen möglichst viele MitarbeiterInnen über ihre Rechte informiert und einbezogen werden.

Vernetzung

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist eine der Prioritäten des neuen Betriebsrates. Wo Geld fehlt, sollen andere und neue Möglichkeiten erarbeitet und diskutiert werden, um die Arbeitszufriedenheit zu erhöhen, wünscht sich die Betriebsratsvorsitzende Susanne Gabrle. Sie denkt dabei auch an eine Vernetzung des WUK-Betriebsrates mit den Betriebsräten anderer Sozialeinrichtungen.

Wichtige Fragen sind zu klären. »Fördergeber geben oft Richtlinien vor, die - zumindest - zu hinterfragen sind«, meint Rafael Schieder. So werden »im Namen der Transparenz« Daten gefordert, etwa von Jugendlichen mit Benachteilungen, die äußerst sensibel sind. »Von unserer Grundeinstellung ist das auch ein gesellschaftspolitisches Problem. Man weiß schließlich nicht, wohin die politische Situation geht.«

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.wuk.at
Den Bericht »Der Dritte Sektor in Wien-Zukunftsmarkt der Beschäftigung?« - eine Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung eines beschäftigungsintensiven Wirtschaftsbereichs finden Sie unter:
www.lrsocialresearch.at/downloads

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