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Wer über freiwillige HelferInnen und deren individuelle Bedürfnisse nicht nachdenkt, der wird früher oder später über deren mangelndes Interesse bzw. vermehrte Abgänge nachdenken müssen.

Unbezahlt unbezahlbar

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Freiwilligenarbeit ist in vielen Bereichen unentbehrlich. Wer engagiert sich in Zeiten wie diesen schon ehrenamtlich?

Als Betriebsrätin hat man es nicht immer leicht, für die KollegInnen war ich oft nur der Dodel, weil ich mir die zusätzliche Arbeit freiwillig angetan hab, und für meinen Chef das Feindbild«, erzählt Monika B. heute, zwei Jahre nach ihrer Pensionierung. Trotzdem, es hat ihr Spaß gemacht, es gab auch Erfolgserlebnisse und heute ist sie an einer anderen Stelle ehrenamtlich im Einsatz.

Eine Million Ehrenamtliche

Rund eine Million ÖsterreicherInnen ab 15 Jahren leisten Freiwilligenarbeit (ohne Nachbarschaftshilfe), so eine im Dezember 2008 veröffentlichte Erhebung der Statistik Austria, die 2006 zusätzlich zum Mikrozensus durchgeführt wurde. Jährlich werden so bei Rettungsdiensten, Vereinen, Politik und Interessenvertretungen viele Millionen Arbeitsstunden geleistet, allein beim Roten Kreuz Österreich (RKÖ) zehn Millionen Stunden jährlich.

Mit 13,7 Prozent finden sich Hilfs- und Rettungsdienste übrigens - hinter Kunst/Kultur, Sport und Kirche - an vierter Stelle der Freiwilligen-Beliebtheitsskala. Relativ weit abgeschlagen rangieren mit acht Prozent politische Arbeit und Interessenvertretungen, wobei relativ viele Menschen auch in zwei oder mehr Bereichen tätig sind. Österreichweit gibt es 65.000 aktive und passive BetriebsrätInnen, der Frauenanteil ist hier mit
30 Prozent unter den aktiven noch geringer als bei anderen Ehrenämtern (durchschnittlich 40 Prozent). Lediglich in kirchlichen Organisationen gibt es deutlich mehr weibliche Freiwillige als männliche.

Hohe Erwartungen

Nachwuchssorgen gibt es überall, bei Betriebsräten genauso wie z. B. bei den Rettungsdiensten. Gertrude, 52, arbeitet seit mehr als 20 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASBÖ): »Auf dem Land ist es noch eher üblich, dass der Sohn zur Freiwilligen Feuerwehr geht, weil der Vater auch dort ist, aber allgemein wird das Bedürfnis, für andere da zu sein, doch kleiner. Meines Wissens ist es überall schwierig, junge Leute für ehrenamtliche Tätigkeiten zu gewinnen.«

Allerdings sind auch die Anforderungen gestiegen. Der Kampf um Spendengelder und Sponsoren wird immer härter, die Arbeit immer professioneller. So dauerte die Grundausbildung beim ASBÖ früher 64 Stunden, heute sind es 300. ISO-Zertifikate sind auch bei NPOs keine Seltenheit mehr.
»Warum tust du dir das eigentlich an?« Das ist wohl die Frage, die ehrenamtlich Tätige am häufigsten zu hören bekommen. »Weil es mir Spaß macht«, haben laut Statistik Austria 69 Prozent der Befragten geantwortet. Übersetzt könnte man auch sagen: Weil meine Erwartungen erfüllt und meine Bedürfnisse nach selbstbestimmtem Arbeiten, Erfolgserlebnissen, Anerkennung etc. erfüllt werden. Wo das Tauschgut Geld knapp ist, gewinnt direkte Bedürfniserfüllung an Bedeutung.

Wohlfühlfaktoren

Es gilt also herauszufinden, welche MitarbeiterInnen was brauchen: das Gefühl etwas zu bewegen, anderen zu helfen, den Kontakt zu den KollegInnen und gemeinsam was trinken zu gehen, Anerkennung etc. Es ist nicht immer so einfach, dass alle, die zum Rettungsdienst gehen, helfen möchten, und wer in die Politik geht, etwas bewegen will. Wer über freiwillige HelferInnen und deren individuelle Bedürfnisse nicht nachdenkt, der wird früher oder später über mangelndes Interesse bzw. vermehrte Abgänge nachdenken müssen.
An sich ist die Bereitschaft zu freiwilligen Tätigkeiten sehr wohl vorhanden, so haben sich für das 2007 vom Roten Kreuz und Ö3 ins Leben gerufene »Team Österreich« innerhalb von nur einem Monat 20.000 Personen gemeldet. Die Vorteile dieser Kampagne: große Breitenwirkung und Aktualität durch die Hochwasserschäden, das RKÖ als bekannte und professionelle Organisation mit gutem Ruf, zeitlich begrenzter Einsatz den Wünschen der Freiwilligen entsprechend. Eher unbeliebt sind heute regelmäßige Tätigkeiten mit jahrelangen Amtsperioden. Hier ist gezieltes Management gefragt:

Zukünftige MitarbeiterInnen sollten wissen, was sie erwartet. Dafür sind klare Arbeitsvereinbarungen, Zielvorgaben und Stellenbeschreibungen durchaus sinnvoll.

Gespräche über Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse, beispielsweise ob Freiwillige hauptsächlich ihre beruflichen Fähigkeiten oder im Rahmen des ehrenamtlichen Einsatzes lieber andere, sonst ungenutzte Talente einsetzen möchten, sollten regelmäßig fix eingeplant werden. Schließlich kann sich hier auch im Laufe der Zeit etwas verändern.

Mindestanforderungen wie Informationsfluss, Weiterbildung, Rückerstattung entstandener Kosten etc. sollten genauso wie bei bezahlten Jobs selbstverständlich sein.

Besonders wichtig ist auch darauf zu achten, dass sich Freiwillige gegenüber bezahlten KollegInnen nicht benachteiligt fühlen.

Orden und Ehrungen

Jedes Nonprofit-Unternehmen, jede Organisation sollte ihre eigenen Methoden finden, freiwilligen MitarbeiterInnen Wertschätzung, Anerkennung und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu vermitteln. Nicht immer besteht wie bei Rettungsorganisationen oder Pfadfindern die Möglichkeit von Beförderungen, Orden oder Auszeichnungen, die man sich an die Uniform heften kann. Es mag vielen vielleicht lächerlich und altmodisch erscheinen, aber es lohnt sich durchaus, zeitgemäße Äquivalente dafür zu suchen. Um Ideen dafür zu entwickeln, lohnt sich die Investition in Klausuren u. ä. Bewährte Anreize zusätzlich zu guten Arbeitsbedingungen sind unter anderem Gutscheine, Vergünstigungen, Rabatte, Gratiskarten, aber eben auch gemeinsame soziale Aktivitäten - nicht nur in Form von Weihnachtsfeiern, auch erreichte Ziele, Wahlerfolge und ähnliches sollten entsprechend gewürdigt werden.

Menschen treffen und Freunde gewinnen, das ist für fast die Hälfte aller Ehrenamtlichen ein wichtiges Motiv für ihr Engagement. Nicht zuletzt deshalb machen sich Feiern auch bei kleinem Budget bezahlt. Letztendlich ist keineswegs immer Geldmangel das Problem. So muss sich eine Partei, die ihre Wahlparty öffentlich zugänglich macht, dort oder an anderer Stelle für freiwillige WahlkampfhelferInnen aber nichts Besonderes als Zeichen der Dankbarkeit/Anerkennung anbietet, über frustrierte Freiwillige nicht wundern.

Was an Ehrenämtern besonders attraktiv ist, nämlich das hohe Maß an Gestaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen, birgt unter anderem die Gefahr, dass man sich zu viel aufbürdet. Richard Ondraschek, Sekretär im ÖGB-Referat für Organisation und Koordination: »Die meisten kandidieren als BetriebsrätIn, weil sie von einem scheidenden Betriebsrat gebeten werden, häufig sind diese KollegInnen schon an anderer Stelle politisch tätig.« Wo die Ressourcen knapp sind, sind gute und zuverlässige Freiwillige natürlich gefragt, und schließlich können Menschen auch mit ihrer Aufgabe wachsen. Doch überall dort, wo man froh sein muss, dass sich überhaupt jemand für ein Amt zur Verfügung stellt, besteht unter anderem die Gefahr der Fehlbesetzung - was für alle Beteiligten unangenehm werden kann.

Lust, sich zu beteiligen

Monika B.: »Weil es so wenig Leute gibt, die überhaupt als Betriebsrat kandidieren wollen, ist es für Unternehmer manchmal relativ einfach, einen Betriebsrat aufzustellen, der ihnen passt.« Langfristig sicher nicht sinnvoll ist es, Leute zu überreden oder gar zu überrumpeln. Dinge wie »ich wollte eigentlich nur ein Bier bestellen - und plötzlich war ich Kandidat. Da konnte ich dann nicht mehr Nein sagen«, können manchmal gut gehen, aber auch mit Enttäuschung und Ärger enden. Und nicht die frustrierten, überforderten Freiwilligen bringen eine Organisation voran, sondern zufriedene MitarbeiterInnen - die machen dann vielleicht auch anderen Lust darauf, sich zu beteiligen.

Weblinks
Ehrenamt Betriebsrat
www.ichbinsoweit.at

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