topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Es kann für Firmen sogar ein wirtschaftliches Plus sein, wenn sie glaubwürdig kommunizieren können, dass sie sich um faire Arbeitsbedingungen bei ihren ProduzentInnen kümmern.

Gutes Gewissen for sale?

Schwerpunkt

Mehr als eine Willensbekundung ist der Kauf von Fair-Trade-Produkten: Hier ändert Konsum die Lebensbedingungen Tausender.

Die Globalisierung hat ein altes Phänomen verstärkt und sichtbar gemacht: Wir leben gut auf Kosten unzähliger Ausgebeuteter in den Ländern der Dritten Welt. Und wir kaufen billig. Last but not least: Die Konzerne schreiben prächtige Gewinne, weil die Lohnkosten und die Arbeitsbedingungen, die den Menschen in der sogenannten Dritten Welt zugestanden werden, miserabel sind.

Sie sind unfair und sie prolongieren was die Kolonisation begonnen hat. Ein Nord-Süd-Gefälle, das für durchschnittlich informierte KonsumentInnen schier unvorstellbar ist.

Ausbeutung, Angst und Gewalt

Neben den Menschen, die als TagelöhnerInnen in der Agrarindustrie ihr Auskommen finden müssen, sind es auch die ArbeiterInnen in der Textil- und Sportartikelindustrie, deren Arbeitsbedingungen von Ausbeutung, Bedrohung, Angst und Gewalt geprägt sind. Die Menschen in China, Bangladesch, Bulgarien, der Türkei und vielen anderen Billiglohnländern arbeiten für extrem niedrige Löhne und leisten unbezahlte Zwangsüberstunden. Viele der Mitarbeiterinnen werden von ihren kleinen Kindern getrennt und werden Opfer sexueller Gewalt. Das Recht auf gewerkschaftliche Organisation wird den ArbeitnehmerInnen versagt, wo sie versuchen sich zu organisieren, drohen Bestrafung und Tod. Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking im vergangenen Jahr haben sich Organisationen zu der Bewegung »Play fair« zusammengeschlossen und versuchten, den Focus der Vorberichterstattung auf die zum Teil erbärmlichen Zustände der ArbeiterInnen in der Textil- und Sportartikelindustrie in China zu lenken. Zahlreiche weltweite Kampagnen haben dazu beigetragen, dass viele Unternehmen der Bekleidungsindustrie freiwillige Selbstverpflichtungen zur Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte eingeführt haben. Dennoch gibt es für die Beschäftigten dieser Branche in den Niedriglohnländern bisher kaum spürbare Verbesserungen, denn die Unternehmenspraxis steht oftmals im Widerspruch zu den Verhaltenskodizes. Die Firmen setzen ihre aggressive Einkaufspraxis fort, um mittels geringer Stückkosten die Profite hoch und KäuferInnen an der Stange zu halten.

Clean Clothes und Fair Play machen und machten daher die Umstände unter denen gängige Mode produziert wird publik und appellieren an beide Seiten: An KonsumentInnen, um Druck aufzubauen und mittels Abstimmung per Kauf ihre Meinung kundzutun. Und an die Unternehmen selbst, indem sie Öffentlichkeit herstellen und gleichzeitig klar formulieren, welche Verhaltensänderung gefordert wird. Während in den vergangenen Jahren die großen Marktführer wie Nike oder adidas oft im Zentrum der Kritik standen, wurde für die Kampagne anlässlich der Olympischen Spiele der Focus auf Firmen wie ASICS, Fila, Kappa, Lotto, Puma und andere gelegt.

Wie funktionierts?

Michaela Königshofer, von Clean Clothes Österreich: »Die Clean Clothes Campaign ist keine Nonprofit-Organisation im eigentlichen Sinn, sie ist eine Plattform, wo sich eine Reihe von Organisationen zusammengeschlossen haben, um die Arbeitsbedingungen der TextilarbeiterInnen zu verbessern. Ausgangspunkt waren philippinische Gewerkschafterinnen, die in den 1990er-Jahren auf eklatante Arbeitsrechtsverstöße aufmerksam machen wollten.« Was die AktivistInnen von Clean Clothes im Zusammenhang mit den Kampagnen im Zuge von Olympia vor allem anprangerten, war die Tatsache, dass in China nicht einmal die eigenen, niedrigen Arbeitsrechtsvorschriften eingehalten werden. Königshofer: »Neun von zehn Firmen halten sich nicht an chinesisches Recht, es gibt im Verstoßfall kaum wirksame Sanktionen und eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung ist in China noch in weiter Ferne.«

Die KonsumentInnen denken aufgrund der vielfältigen Informationskampagnen ebenfalls langsam um: »Viele sagen, mir wär es schon lieber, wenn meine Kleidung unter menschenwürdigen Bedingungen gefertigt würde. Es kann für Firmen sogar ein wirtschaftliches Plus sein, wenn sie glaubwürdig kommunizieren können, dass sie sich um faire Arbeitsbedingungen bei ihren Produzenten kümmern«, so Königshofer. Doch sie gesteht auch ein: »Es ist viel Aufwand, sich um die gesamte Zulieferkette zu kümmern. Das muss eine strategische Entscheidung einer Unternehmensleitung sein, dass da etwas geschieht.«

Das prinzipielle Ziel der Clean Clothes Campaign ist die Stärkung der lokalen Gewerkschaften. Die derzeitige Krise verlangsamt den positiven Prozess inzwischen wieder ein wenig: »Es weht ein schärferer Wind. Man geht wieder aggressiver gegen NPOs und GewerkschafterInnen vor.«

Kaffee ist nach Erdöl der weltweit wichtigste Exportrohstoff. Insgesamt leben in den Entwicklungsländern rund 25 Millionen Menschen von der Kaffeeernte. Die Kleinproduzenten erhalten aber nur einen Bruchteil des Ladenpreises. Ähnlich ist es bei Kakao (hier werden 90 Prozent der Welternte in westlichen Industriestaaten verbraucht) und Bananen. Aber auch bei Blumen, Orangen, Rohrzucker, Reis, Baumwolle, Tee und anderen exotischen Anbauprodukten bietet sich dasselbe Bild: Kleinbauern und LandarbeiterInnen erhalten für die Produkte Preise, die die Gestehungskosten oft nicht abdecken, geschweige denn ein menschenwürdiges Leben für sie und ihre Familien garantieren.

Fair-Trade-Produkte bieten da eine Chance für die ProduzentInnen abseits der oft unter Druck geratenden Weltmarktpreise, einen gerechten Preis für ihre - oft auch biologisch produzierten - Produkte zu bekommen. Das bekannte blau-grüne Fair-Trade-Label macht Produkte aus fairem Handel für KonsumentInnen als solche erkennbar. Neben einem fairen Preis, verpflichten sich Produzenten in der Fair-Trade-Wertschöpfungskette zur Einhaltung der Konvention der ILO bezüglich Gewerkschaftsfreiheit, Verbot von Kinderarbeit und oftmals auch der Einhaltung ökologischer Standards.

Fair Trade fast überall

Der Kauf von Fair-Trade-Produkten erreicht seine Ziele, so haben Studien ergeben: »Der faire Handel hat innerhalb einer kurzen Zeit das Wohlbefinden der kleineren Kaffeebauern und ihrer Familien verbessert«, schreibt etwa eine Forschungsgruppe der Colorado State University nach Durchsicht von sieben Fallstudien im Jahr 2003.

Mittlerweile muss niemand mehr in Weltläden pilgern, um Fair-Trade-Produkte zu kaufen. Die großen österreichischen Handelsketten führen durchwegs eine ansehnliche Palette von Fair-Trade-Produkten (Bananen, Kaffee und Schokolade sind die Renner neben Kakao, Blumen und anderen Produkten). Ein Nachholbedarf liegt noch im öffentlichen Beschaffungswesen, das mit seinen großen Mengen der Fair-Trade-Bewegung und damit der weltweiten Armutsbekämpfung einen entscheidenden Impuls geben könnte.

Weblinks
Clean Clothes Campaign: Unter diesem Namen haben sich Verbraucherorganisationen, Gewerkschaften, ForscherInnen, Menschenrechtsgruppen, Weltläden und viele andere Organisationen (u. a. Südwind) zusammengeschlossen, um die Arbeitsbedingungen in der weltweit tätigen Bekleidungsindustrie zu verbessern.
www.cleanclothes.at
Oxfam international ist ein Bund von zwölf Hilfsorganisationen, der von der Idee des global Citizenship ausgeht und das Bewusstsein für »Gerechtigkeit« im weltweiten Handel stärken will.
www.oxfam.de
Global Unions: Zu der internationalen Gewerkschaftsbewegung zählen der internationale Bund freier Gewerkschaften, die zehn Gewerkschaftsbünde und das gewerkschaftliche Beratungskomitee der OECD.
www.global-unions.org
Fair Trade: Kontrollierter Handel, bei dem die Preise für die gehandelten Produkte üblicherweise über dem Weltmarktpreis angesetzt werden. Damit wird ProduzentInnen ein höheres und verlässlicheres Einkommen ermöglicht. In der Produktion werden Umwelt- und Sozialstandards eingehalten. Die Fairhandelsbewegung konzentriert sich hauptsächlich auf Waren, die aus Entwicklungsländern in Industrieländer exportiert werden.
www.fairtrade.at
Wie fair ist ihre Kleidung?
www.Fashioncheck.net
Unter dem Menüpunkt »Check your brand« findet sich eine Datenbank über zahlreiche Textilfirmen und ihre Haltung zu Arbeitsrechten und Monitoring-Systemen.
»Play fair«
www.fairolympics.org

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Autorin
d.gordon@ideenmanufactur.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum