topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Wenn die Ordinationshilfe ausgepowert und nahe dem Burn-out ihre verantwortungsvolle Arbeit tut, kann es leicht einmal zu einem folgenschweren Fehler kommen.

Gut und billig

Schwerpunkt

Hoch qualifizierte Arbeit zu Dumpinglöhnen: Der Kampf der Beschäftigten bei Rechtsanwälten/-innen und MedizinerInnen zeigt langsam Erfolg.

Gerade der Beruf der Arzthelferin ist bei Frauen beliebt: Viel Kontakt mit Menschen, Organisationstalent und ein gerüttelt Maß an fachlicher Qualifikation sind notwendig, um einen guten Job in der Ordination zu machen. Darüber hinaus sind immer mehr Ordinationshilfen echte ManagerInnen: Sie koordinieren Hunderte Termine und bleiben auch im größten Stress die Ruhe selbst. Sie managen die Praxis, die Ärztin, den Arzt und die PatientInnen. Sie sorgen dafür, dass der Laden läuft. Zum Wohl aller.
Dafür bekommen sie eine angemessene Entlohnung, bezahlte Überstunden, hohe Sozialleistungen und die Annerkennung, die so wichtigen MitarbeiterInnen zusteht - hohe Boni selbstverständlich garantiert. Das war leider ein Scherz! Denn in der Realität können ArzthelferInnen und Ordinationshilfen froh sein, wenn sie einen Mindestlohn von 1.100 Euro im Monat erhalten - Gratisüberstunden oftmals inklusive.
Kein Kollektivvertrag
Nicht viel anders ergeht es den RechtsanwaltsgehilfInnen: Sie sind zuständig, dass die Ablage in der Kanzlei immer geordnet ist, die Anwälte/-innen ihre Termine nie vergessen und wichtige Fristen immer unter Beobachtung bleiben. Darüber hinaus haben sie wichtige Schriftsätze ins Reine zu bringen und unterstützen ihre Vorgesetzten auch wenns mal terminlich eng wird.
Und den RechtsanwaltsanwärterInnen, die oft einen Großteil der Arbeit in den Kanzleien leisten und deren Arbeitszeiten eine 40-Stunden-Woche oft erheblich übersteigen, geht es häufig nicht besser: Sie sind aus den bestehenden Kollektivverträgen ausgenommen, und es gibt nicht einmal Empfehlungen für ihre Entlohnung in den regionalen Rechtsanwaltskammern.
Obwohl gerade Rechtsanwälte eigentlich dafür einstehen müssten, dass es in allen Bereichen - so auch in ihrem höchstpersönlichen Arbeitsumfeld - Rechts- und Vertragssicherheit geben sollte, weigerten sich einige Rechtsanwaltskammern seit Jahren beharrlich, die Forderung nach 1.000 Euro Mindestlohn umzusetzen, noch beharrlicher allerdings ist die Weigerung nach Schaffung eines einheitlichen Kollektivvertrages für diese Berufsgruppe.
Frauenproblem
Ein wenig wird man den Verdacht nicht los, dass es sich in beiden Fällen um ein frauenspezifisches Problem handelt: Sowohl in den Arztpraxen, als auch in den Rechtanwaltskanzleien das gleiche Bild: Wie so oft im Niedriglohnbereich sind vor allem Frauen die Betroffenen: Ca. 90 Prozent der Ordinationshilfen, ArzthelferInnen, Sprechstundenhilfen, HeilmasseurInnen oder medizinisch-technische Fachkräfte sind Frauen. Und der Großteil von ihnen ist davon überzeugt, für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit zu wenig bezahlt zu bekommen.
Lea S., Ordinationshilfe in Wien: »Wenn es am Abend spät wird, ist es selbstverständlich, dass ich da bleibe bis der letzte Patient beim Doktor drinnen ist. Ich kann keinen Zeitausgleich nehmen wie Freundinnen in anderen Berufen. Ich bekomme aber auch keine Überstunden bezahlt. Ab und zu gibt es ein kleines Geschenk - manchmal auch einen kleinen Geldbetrag als Dankeschön.« Dem Recht auf bezahlte Überstunden steht hier ein willkürlicher Gnadenakt gegenüber. Dieses Lied können in der einen oder anderen Form viele MitarbeiterInnen von Ärzten/-innen oder Rechtsanwälten/-innen singen. Natürlich zahlen auch manche von ihnen ihre MitarbeiterInnen korrekt und fair, aber gegen die, die es nicht tun, kann der oder die Einzelne allein wenig ausrichten.
Mag. Martin Panholzer, GPA-djp: »Es haben zwar ein paar Länder einen Kollektivvertrag für Rechtsanwaltskanzleien abgeschlossen, aber nur Wien hat per 1. 1. 2009 einen Mindestlohn von 1.000 Euro festgeschrieben.«
Vier Rechtsanwaltskammern ohne KV
Keinen Kollektivvertrag haben bisher die Rechtsanwaltskammern in Vorarlberg, Salzburg, Kärnten und Oberösterreich. Der Mindestlohn laut KV beträgt in der Steiermark 726,73 Euro, in Niederösterreich 729,64 Euro, im Burgenland 887,43 Euro und in Tirol 927 Euro.
Deshalb haben die Rechtsantwaltskammern schon im Jahr 2007 anlässlich einer österreichweiten Kampagne der GPA-djp die Kollektivvertragszitrone des Jahres 2007 überreicht bekommen. Leider hat das bis heute, wie die Zahlen eindrucksvoll beweisen, nur wenig bewirkt. Doch die Gewerkschaft gibt hier nicht nach. Schon das Sozialpartnerabkommen der vorigen Regierung, das einen Mindestlohn von 1.000 Euro als kurzfristig zu erreichendes Ziel festschrieb, muss endlich für alle DienstnehmerInnen umgesetzt werden. Bereits 2007 forderte die GPA-djp die einzelnen Rechtsanwaltskammern auf, endlich Verhandlungen aufzunehmen, um diesen unhaltbaren Zustand zu beenden: »Wenn die Herren und Damen Rechtsanwälte im beruflichen Alltag unter dem Titel ›pacta sund servanda‹ - Verträge sind einzuhalten - agieren, dann muss dies auch für die kollektivvertragliche Absicherung der Beschäftigten in Rechtsanwaltskanzleien gelten«, so Geschäftsbereichsleiterin in der GPA-djp, Claudia Kral-Bast.
Dank kontinuierlicher Arbeit der Gewerkschaft und medienwirksamer Aktionen ist es im Bereich der Einstiegsgehälter in Arztpraxen gelungen, in sieben von neun Bundesländern zu guten Regelungen zu kommen. Neben den Mindestgehältern geht es bei den MitarbeiterInnen in den Arztpraxen aber auch um gute Regelungen. Auch hier hat die Gewerkschaft erste Erfolg errungen: Seit 1. Jänner  2008 gilt die Regelung über Mehrarbeitszuschläge. Mehrarbeitsstunden werden dann mit einem 25-prozentigen Zuschlag vergolten, wenn innerhalb eines dreimonatigen Durchrechnungszeitraumes mehr als die vereinbarte Arbeitszeit gearbeitet wird. Wird die gesetzliche Normalarbeitszeit überschritten, liegt Überstundenarbeit vor.
Was viele Angestellte nicht wissen: Auch bei Abgeltung der Überstunden in Zeitausgleich gebührt ihnen der Zuschlag. Im Falle von Unsicherheiten sollten sie nicht zögern, sich bei der Gewerkschaft oder Arbeiterkammer beraten zu lassen.
Im KV festgeschrieben ist auch das Recht auf eine halbstündige Pause, wenn MitarbeiterInnen in Arztpraxen mehr als sechs Stunden pro Tag arbeiten - eine Regelung, die vor allem KollegInnen in den immer beliebter werdenden Gruppenpraxen zugute kommt.
Sicherheit statt Arbeitsleid
All diese Regelungen dienen natürlich dem Schutz der ArbeitnehmerInnen. Sie nutzen aber im Fall der Angestellten in Ordinationen und Arztpraxen auch der Sicherheit der PatientInnen. Denn wenn die Ordinationshilfe ausgepowert und nahe dem Burn-out ihre verantwortungsvolle Arbeit tut, kann es leicht einmal zu einem folgenschweren Fehler kommen. Daher sind faire Arbeitsbedingungen und ein gutes Arbeitsklima auch wichtig für die Qualität der Arbeit in der Ordination.
Und deshalb ist es auch nur in Ausnahmefällen möglich, unangekündigte Überstundenleistung zu verlangen: Überstunden müssen von ArbeitgeberInnen rechtzeitig angeordnet werden. Nur in unvorhergesehenen Fällen ist es möglich, für den laufenden Tag Überstunden anzuordnen. Den Angestellten steht es frei, die Leistung von angeordneten Überstunden aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Kinder versorgen etc.) abzulehnen. Wem daraus Nachteile erwachsen, sollte sich umgehend an die Gewerkschaft oder Arbeiterkammer wenden.
Gewerkschaft kämpft weiter für KV
Wenn vor allem die Rechtsanwaltskammern immer noch auf dem Standpunkt beharren, sich von niemanden vorschreiben lassen zu wollen, wie viel sie zahlen und welche Rechte sie ihren Angestellten zugestehen, so wird sich die Gewerkschaft auch weiterhin für eine einheitliche KV-Regelung einsetzen. Auch bei den offensichtlich so freiheitsliebenden Rechtsanwälten/-anwältinnen ...

 

INFO&NEWS
In folgenden Bundesländern gibt es kollektivvertragliche Einstiegsgehälter von 1.000 Euro (und mehr) für Angestellte in Ordinationen und Arztpraxen:
seit 1. 1. 2009 in Kärnten
seit 1. 1. 2008 in Niederösterreich
seit 1. 1. 2008 in Salzburg
seit 1. 1. 2009 in der Steiermark
seit 1. 7. 2008 in Tirol
seit 1. 1. 2007 in Vorarlberg
seit 1. 1. 2004 in Wien
Infotelefon Gewerkschaft GPA-djp
Haben Sie eine Frage? Rufen Sie uns an!
Info-Telefon 05 03 01-301


KONTAKT
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
d.gordon@ideenmanufactur.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum