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Menschen müssen mit ihrem Einkommen auch leben können. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sind unsere Bemühungen, 1.000 Euro Mindestlohn flächendeckend umzusetzen.

Schöne neue Arbeitswelt

Schwerpunkt

Warum es auch in Krisenzeiten nicht nur um Beschäftigungszahlen, sondern letztendlich vor allem um die Qualität der angebotenen Arbeit geht.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert den Begriff der »guten Arbeit« (decent work) als eine Tätigkeit, die produktiv ist und ein faires Einkommen garantiert, an einem Arbeitsplatz, der sicher und mit sozialer Absicherung auch für die Familie verbunden ist. Eigentlich sollten im Österreich des 21. Jahrhunderts diese Forderungen selbstverständlich längst umgesetzt sein. Schaut man sich die österreichische schöne, neue Arbeitswelt jedoch genauer an, so kommt man unvermeidlich zu dem Schluss, dass wir vorher noch eine lange To-do-Liste abarbeiten müssen. Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krise, in der Konjunkturprogrammen und dem Schaffen von Arbeitsplätzen allseits oberste Priorität eingeräumt wird, meine ich, wird die Arbeit der neuen Bundesregierung nicht nur daran zu messen sein, wie viele Arbeitsplätze sie schafft, sondern auch an der Qualität dieser Arbeitsplätze.
Vor der Krise
Werfen wir einen Blick zurück in die Zeit, als vor wenigen Monaten die Wirtschaftswelt scheinbar noch in Ordnung war - in die Zeit des steigenden Wirtschaftswachstums, der Rekordzahlen beim Export und der sinkenden Arbeitslosenzahlen. In die Zeit bevor, wie es heute gerne vereinfacht dargestellt wird, ein paar amerikanische Spekulanten mit ihren Pyramidenspielen alles veränderten. Aber war damals tatsächlich alles in Ordnung? Ich meine Nein. Denn schon vor Ausbruch der Krise gab es in Österreich ein massives Verteilungsproblem, gehörte eine steigende Zahl der österreichischen Beschäftigten zur Gruppe der Working-Poor, also jener Menschen, die arm trotz Arbeit sind. Seit Jahren stagnieren die realen Löhne und Gehälter, weil sie den Löwenanteil der Abgaben tragen müssen. Während die Lohn- und Einkommensteuern durch Nichtanpassung der Steuergrenzen an die Inflation einen immer größeren Teil der hart erkämpften Gehaltserhöhung auffressen, gingen die Steuern auf Vermögen und Einkommen aus Vermögen kontinuierlich zurück. Steuergeschenke an die Unternehmen kurbelten die exportorientierte Industrie an. Die Binnennachfrage dagegen blieb unverändert auch in der Hochkonjunktur Schwachstelle der österreichischen Wirtschaft. Daher konnte sie in der Krise, als der Export plötzlich einbrach, auch keinerlei stabilisierende Wirkung entfalten.
Arbeitsplätze um jeden Preis
Unter diesem Gesichtspunkt relativieren sich auch die ausgezeichneten Beschäftigungszahlen der vergangenen Jahre. Gudrun Biffl vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) weist darauf hin, dass seit 1995 die Beschäftigungsquote (Anteil der Erwerbstätigen an den 15- bis 64-Jährigen) zwar von 68,8 Prozent auf 71,4 Prozent gestiegen sei. Rechnet man die geleistete Arbeit aber auf Vollzeitäquivalente um, ging dieser Anteil zwischen 1995 und 2006 jedoch von 65,8 auf 61 Prozent zurück. Immer mehr ArbeitnehmerInnen, vorwiegend Frauen, arbeiten Teilzeit und haben keine existenzsichernde Beschäftigung. Die absoluten Beschäftigungszahlen sagen also nichts über die Qualität der Arbeit aus.
Arbeitsmarktpolitik überdenken
Möchte man der zunehmenden Verarmung von Teilen der Erwerbsbevölkerung wirksam entgegensteuern, wird es notwendig sein, die Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre grundsätzlich zu überdenken. Gerade in Zeiten der Rezession wäre es fatal, die Zumutbarkeitsbedingungen für Arbeitssuchende weiter zu verschärfen. Arbeitssuchende sollten vielmehr nur in existenzsichernde Arbeit verwiesen werden dürfen. Der in den vergangen Jahren konsequent angewendete AMS-Grundsatz »Vermittlung vor Qualifizierung« bringt dagegen die Gefahr von Dequalifizierungen, also den Einsatz von Facharbeitskräften unter ihrer Qualifikation. Die Folgen einer Arbeitsmarktpolitik, die auf Vermittlung um jeden Preis setzt, kann man in Deutschland seit den Hartz-Reformen beobachten: Der Niedriglohnsektor ist massiv angewachsen, gleichzeitig wurde die Position der ArbeitnehmerInnen gegenüber den ArbeitgeberInnen untergraben. Denn wer keine Möglichkeit hat, den Arbeitsplatz selbst zu wählen, ist seinem Arbeitgeber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Lebensstandard sichern
Es geht also nicht nur darum, die Arbeitslosenquote um jeden Preis zu senken. Menschen müssen mit ihrem Einkommen auch leben können. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sind unsere Bemühungen, 1000 Euro Mindestlohn flächendeckend umzusetzen. Hier sind wir im vergangenen Jahr auch ein paar wesentliche Schritte weitergekommen. Ein weiterer entscheidender Punkt auf der To-do-Liste der Sozialpartner sind den Lebensstandard sichernde Lohnerhöhungen.
Dabei geht es um Zweierlei: Einerseits, steht den Beschäftigten in der Industrie ihr Anteil am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Unternehmen zu - in Form einer nachhaltigen Erhöhung ihrer Einkommen. Und andererseits müssen auch Menschen abseits der Industrie, also im Handel oder in der Pflege ihren gerechten Anteil bekommen. Bei den zahllosen WerkvertragsnehmerInnen und freien DienstnehmerInnen, die sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihren ArbeitgeberInnen befinden, von den Lohnerhöhungen jedoch nicht profitieren, kämpfen wir seit Jahren dafür, ihre Umgehungsverträge in echte Dienstverhältnisse umzuwandeln. Auch dabei konnten wir in jüngerer Zeit Erfolge verzeichnen - etwa im Bereich der Callcenter oder bei den TrainerInnen im AMS-Bereich. Darüber hinaus bleibt auch unsere Forderung nach Mindesthonorarsätzen für die »echten Freien« aufrecht.
Neben der wichtigen Frage der Existenzsicherung, verstehe ich unter guter Arbeit auch einen Job, der nicht krank macht. Auch hier gibt es Handlungsbedarf: Die Hälfte aller Krankheitsfälle in Österreich sind arbeitsbedingt. Zu den körperlichen Erkrankungen kommen in den vergangenen Jahren immer häufiger die Folgen von Stress und Arbeitsdruck. Immer mehr Menschen leiden unter Stress, Burn-out und Arbeitsüberlastung. Bereits jede/r fünfte unselbstständig Erwerbstätige arbeitet unter Stress. Burn-out kann alle ArbeitnehmerInnen treffen. Die Ursachen sind vielfältig und liegen in der Regel nicht bei der/dem Einzelnen, sondern im betrieblichen und gesellschaftlichen Umfeld: Dazu gehört erhöhter Leistungsdruck genauso wie psychisch belastende Arbeit, unsichere Arbeitsbedingungen durch schlechte Arbeitsverträge, lange Arbeitszeiten, fehlende soziale Absicherung oder schlechtes Betriebsklima und mangelnde Kommunikationskultur.
Wert sozialer Arbeit
Überdurchschnittlich häufig leisten Beschäftigte im Sozialbereich psychisch und physisch belastende Arbeit. Sie sind daher auch besonders oft von Burn-out betroffen. Gleichzeitig ist gerade das Einkommen jener Menschen - vorwiegend Frauen - oft nicht existenzsichernd, weil sie etwa nur Teilzeit arbeiten. Dazu kommt, dass gerade soziale und pflegerische Tätigkeiten oft als etwas Selbstverständliches gesehen werden, das erledigt werden muss, aber wenig gesellschaftliche Anerkennung bringen. Die Diskussion der vergangenen Monate um die 24-Stunden-Betreuung zeigt das deutlich. Denn diese drehte sich vorrangig um die Rechte der zu betreuenden PatientInnen und um die psychische und finanzielle Belastung für die Angehörigen. Die Situation der BetreuerInnen, die unterbezahlt und zum Teil außerhalb jeglicher sozial- und arbeitsrechtlicher Absicherung diese Arbeit erledigen, wurde dadurch oft in den Hintergrund gedrängt. Doch das ist kurzsichtig: Denn die leistbare und qualitätsvolle Pflege und Betreuung für alle wird nur dann möglich sein, wenn man für die Beschäftigten in diesem Bereich entsprechende Rahmenbedingungen und eine faire Entlohnung schafft.
Sinnvolle Investitionen
Auch konjunkturpolitisch wäre es sinnvoll, in den arbeitsintensiven Gesundheits- und Sozialbereich zu investieren und so Arbeitsplätze zu schaffen. Gleichzeitig müssen diese Berufe durch bessere Ausbildung und Bezahlung attraktiver gemacht werden. Um das umzusetzen, braucht man ausreichend öffentliche Gelder, die man etwa aus vermögensbezogenen Steuern lukrieren könnte.


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