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Foto | Paul Sturm Ronald Cause: »Die heutige Ökonomik ist ein theoretisches System, das in der Luft schwebt, und keinerlei Bezug zu dem hat, was in der realen Welt geschieht.«

Wirtschaft braucht Ethik

Schwerpunkt

Die schrankenlose Ökonomisierung hat uns in die Krise geführt. Eine Bewusstseinsänderung ist dringend notwendig.

Ob die berühmte Krise herbeigeredet, mediengerecht aufbereitet wird oder wirklich eine Krise darstellt, lässt sich nicht so ohne weiteres entscheiden. Die vielfachen Bemühungen, den Staat nun zu Hilfe zu rufen, stehen jedenfalls im Zeichen einer Fortsetzungslogik des Bisherigen: Die sich als Entfesselung aller unserer Lebensbereiche gezeigt habende Ökonomie ist ins Trudeln geraten. Von Joseph Stiglitz bis Jean Ziegler, von Noam Chomsky bis Amartya Sen, gab es und gibt es genügend Kritker und Warner. Die Überhitzung neoliberalistischer Konzepte in der Ökonomie hat dazu geführt, dass sich die Wirtschaft von unseren lebensweltlichen Ansprüchen losgelöst hat. Schrankenlose Ökonomisierung hat dazu geführt, dass die Wirtschaft nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet ist, sondern diese sich ins Wirtschaftssystem einzuordnen hatten.
Paradigmenwechsel
Wir stehen vor schwerwiegenden Entscheidungen: Entweder more of the same mit Zuhilfenahme des einst das Heilmittel Privatisierung verkündenden Staates, oder aber einen Paradigmenwechsel einzuleiten, der nicht allein den Vorrang der Ökonomie in Frage stellt, sondern der zugleich auch einen gesellschaftlichen Wandel einleitet, der ebenso einschneidend scheint, wie die nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus gefeierte Globalisierung und das alleinige Setzen auf einen wirtschaftlichen Erfolg nach der Milton-Friedman-Devise: Gewinnmaximierung als ausschließliche Aufgabe eines Unternehmen. Denn: »Globalisierung darf nicht heißen, dass sich die Managergehälter an den USA orientieren sollen und die Löhne an China«. (Jürgen Peters)
Unsanftes Erwachen
Aus diesem Traum beginnen wir zu erwachen, und bei allen auf uns zukommenden Härten (Entlassungen, Kurzarbeit, Konkurse, Zusammenbrüche der Banken) ist dies, so provokativ das klingen mag, letztlich zu begrüßen. Das Gleichgewicht zwischen Staat und Wirtschaft, zwischen Staat und Markt ist verloren gegangen. Der Börsenhype, die Hedge-Fonds, die kurzfristigen satten Gewinne, haben aufgrund vielfältiger Ursachen zu einem Crash geführt, der im Grunde genommen vorprogrammiert gewesen ist. Unterstützt durch die totale Computerisierung unserer Lebenswelt sind die dabei in Bewegung gekommenen Werte zu fiktiven geworden. Sie waren nur noch Zeichen von Zeichen für etwas, das keinerlei reale Deckung mehr beanspruchen konnte. Kein Wunder, dass damit auch jene Relationen ins Absurde geraten sind, die die Gehälter von Bankmanagern und Bossen der internationalen Konzerne ins Unermessliche steigen ließen. Wie dies Ronald Cause bereits 2001 ausgedrückt hat: »Die heutige Ökonomik ist ein theoretisches System, das in der Luft schwebt, und keinerlei Bezug zu dem hat, was in der realen Welt geschieht.« Die Krankhaftigkeit, die sich in der Gier der Spekulanten, der Manager und der Aktionäre widerspiegelt, ist nur begreiflich, wenn man die genannte Abtrennung der Ökonomie von allen anderen unseren Lebensbereichen in Betracht zieht. Die alte Einbettung der Ökonomie in die Politik und auch in die Ethik, wie dies in der Antike, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine Selbstverständlichkeit darstellte, hat sich aufgelöst. Die bestehende Kluft zwischen Arm und Reich, die natürlich auch unsere gesamte Geschichte beherrscht, hat eine Dimension erreicht, in der alles aus den Fugen gerät. Die Krankheit des »Managerismus« wird durch staatliche Hilfe nicht zu kurieren sein. Dieses gut gemeinte Einspringen des Staates ist kaum mehr als eine Herumdokterei an Symptomen.
Andererseits hilft auch nicht eine Wiederbelebung traditioneller Werte, die die harte Wirtschaftswelt in idyllischer Weise zu konterkarieren versuchen und etwa Wissen, Kultur, Gesundheit und Familie als Lebensziele ansprechen, die materielle Nöte kompensieren sollen. Es gilt vielmehr, den Totalanspruch der Marktwirtschaft grundsätzlich in Frage zu stellen, und die ökonomische Sachlogik aus ethischer Perspektive zu unterfangen.
Weder Verteufelung noch Verklärung
Keine Rückkehr zu einer sozialen Matte, für die der Staat zu sorgen hat, aber auch keine weitere Unterstützung jener maßlosen Ökonomiekonzepte, die ihr eigenes Ende und ihren eigenen Zusammenbruch miteinprogrammiert haben, weder eine Verteufelung des Leistungsprinzips noch dessen Verklärung sind angesagt. Auch eine Wiederbelebung marxistischer Utopien und Träume von einer Aufhebung der Entfremdung des Menschen kann nicht weiterhelfen. Es bedarf eines differenzierten Blickes auf eine Solidargemeinschaft, die unbeschadet des Nord-Süd-Gefälles der GlobalisierungsgewinnerInnen und -verliererInnen und all derer, die hilflos den kleinen erreichten Wohlstand preiszugeben fürchten, einer neuen Sicht auf das Verhältnis von Ökonomie und Politik, vor allem aber einer Rückbesinnung auf die Einbindung des Wirtschaftens in die Ethik.
Ethik darf nicht Feigenblatt wirtschaftlichen Wahnwitzes werden, sie muss die Grenzen der Wirtschaft ausloten und neue Maßstäbe für eine gerechte Gesellschaft anbieten. Es gibt genügend Forderungen und Konzepte für eine anständige Gesellschaft. Diese kann nicht durch ein völliges Verzichten auf die Verantwortung der einzelnen Akteure geschehen. Business as usual mit gebührender staatlicher Unterstützung kann den bisherigen Zustand nur perpetuieren. Die Integration ethischer Fragestellungen in das wirtschaftliche Gewinnstreben muss zu einer Bewusstseinsänderung führen, die die maßlosen Ansprüche von Unternehmern und Aktionären, entscheidend untergräbt. Wir alle tragen in unserem Leben kleinere oder größere Verantwortung. Diese ist vor allem in wirtschaftlichen Bereichen einzufordern.
Es mag sein, dass solche Forderungen angesichts der komplizierten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge - vor allem in Hinblick auf die Globalisierung - bescheiden anmuten. Aber um den Killerkapitalismus, der alle Grenzen überschritten hat, in Schranken zu weisen, bedarf es eines Paradigmenwechsels und einer Bewusstseinsänderung.
Mag auch sein, dass die berühmten schwarzen Schafe in diesem Prozess als entscheidende Verantwortungsträger zu Betrügern und Verbrechern mutiert sind. Aber das System hat ihnen diese Möglichkeiten gewissermaßen angeboten.
Wenn das Leben auf Gewinnstreben, auf wirtschaftlichen Erfolg, auf Reichtum und Vermögensvermehrung reduziert wird, gehen nicht allein sämtliche entscheidende Sinndimensionen dieses Lebens verloren, sondern auch jedwede solidarische Einbindung in die Gemeinschaft.
Freiheit mit Verantwortung
Nehmen wir Abschied von einer Werthierarchie, die sich nur an Aktien, an Gewinnen und an Vermehrung des Wohlstandes für einige (wenige) orientiert. Gehen wir weg von einem System, das uns kapitalistisch oder marxistisch an Produktionsfaktoren angeschraubt hat. Gehen wir dorthin, wo Wirtschaft lebensdienlich, gesellschaftlich verträglich ist und damit auch den Bedürfnissen unserer Existenz entspricht. Eine Bewusstseinsänderung ist wichtiger als jede staatliche Subvention von maroden Unternehmungen. Sie zu erreichen bedarf es eines neuen Schubes in unseren Bildungskonzepten. Nicht Ausbildung für gelehrige Arbeitssklaven und pflegeleichte Handlanger der Unternehmen ist vonnöten, sondern eine Bildung, die die freien Kräfte des Menschen entfaltet. Mit dieser Freiheit ist im Gegensatz zum wirtschaftlichen Neoliberalismus ein neues Verantwortungsbewusstsein verbunden. Diese Verantwortung betrifft sowohl den Einzelnen wie auch die komplexen Vernetzungen unseres gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Geschehens.
»Wer Prinzipien hat, kann nicht zugleich dem Gewinn -Prinzip frönen.«
(Peter Ulrich)



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