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Foto | Paul Sturm Aber diese Erkenntnis hilft nichts, wenn Personalisten in Menschen über 35 nur noch Krankheit und Verfall sehen können und nicht das vielfältige Potenzial der Generation 50plus erkennen.

Raus mit 55

Schwerpunkt

Wer mit Mitte 50 seinen Job verliert, ist geschockt. Doch es gibt ein Leben nach dem Schock. Wenn auch kein leichtes.

Wer fühlt sich heute schon mit 55 alt? Unser Lebensstil und die bessere medizinische Versorgung haben es möglich gemacht, dass sich der Schwellenbereich zwischen Jugend und Alter verschoben hat und mit messbaren Schritten nach oben wandert. Die Lebensphase der »gewonnenen Jahre«, so der Sozialhistoriker Arthur E. Imhof, eröffnet zahlreiche positive Ausblicke; Wünsche, Träume und Hoffnungen richten sich auf sie, wenn man bereit ist, im Altern mehr als einen allmählichen Verfallsprozess zu sehen. Das gilt nicht nur für die Betroffenen, sondern in hohem Maße auch für Unternehmen, die sich überlegen ältere Arbeitssuchende einzustellen.

Das Blatt wendet sich
Aber diese Erkenntnis hilft nichts, wenn Personalisten in Menschen über 35 nur noch Krankheit und Verfall sehen können und nicht das vielfältige Potenzial der Generation 50plus erkennen. Doch nach und nach wendet sich das Blatt: Die Erkenntnis Aristoteles, dass die Vollendung des Körpers mit 35 Jahren anzusetzen sei, die des Geistes aber erst mit 50, scheint sich da und dort herumzusprechen. So stellen z. B. Leiharbeitsfirmen durchaus ältere ArbeitnehmerInnen ein und diese werden von den Unternehmen auch nicht so ungern gebucht, sind sie doch erfahren im Job, belastbar und loyal. Der Nachteil für die Betroffenen: Wer bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt ist, verliert seinen Arbeitsplatz als erstes, wenn Kündigungen anstehen.
Untersuchungen haben ergeben, dass zwischen jüngeren und älteren ArbeitnehmerInnen weit weniger Unterschiede bestehen als bislang angenommen. So führt zum Beispiel die »Empirische Analyse bestehender Beschäftigungshemmnisse« aus Baden-Württemberg an: »Ältere benötigen eine längere Einarbeitungszeit, können dann aber meist das Leistungsniveau von Jüngeren erreichen«, und weiter »Leistungsdefizite von Älteren in experimentellen Testsituationen treten an konkreten Arbeitsplätzen meist nicht auf«. Auch Untersuchungen zu Krankenständen bestätigen, dass ältere ArbeitnehmerInnen nicht öfter krank sind als jüngere.

Und trotzdem tun sie sich besonders schwer, wenn es darum geht mit 50+ noch einen guten Job zu finden. Dabei gibt es in der Geschichte eine Reihe von Vorbildern die Mut machen müssten. Mut, Ältere einzustellen und ihnen gute, wenn nicht gar exzellente Leistungen zuzutrauen: Dante begann erst mit 50 an seiner göttlichen Komödie zu schreiben, Churchill war 65 als er erstmals Premierminister wurde, Adenauer 73, als er Bundeskanzler der BRD wurde.
Was aber tun, wenn trotzdem der Job weg ist? Je nach Alter und Qualifikation können mehrere Strategien ans Ziel führen: Das AMS schult um, wenn es Chancen auf den Arbeitsmarkt gibt und ein/e ArbeitnehmerIn auch noch eine ganze Weile im neuen Job arbeiten könnte oder würde. Das schließt Umschulungen für Menschen knapp vor der Pension aus, erhöht aber die Chancen jener, die noch eine Weile im Arbeitsmarkt verweilen. Die billigere Variante für das AMS ist die Weiterbildung: Da kommen auch ältere ArbeitnehmerInnen leichter zum Zug. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Fördermaßnahmen, die den ArbeitgeberInnen die Einstellung dieser Menschen durch finanzielle »Zuckerl« versüßen. AMS, waff und die entsprechenden Stellen in den Ländern wissen mehr.

Emplacementstiftungen
Mag. Manfred Krenn, Forba (Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt), weiß um das Problem älterer ArbeitnehmerInnen, die aus dem Arbeitsprozess gedrängt werden: »Wem eine gute Grundausbildung fehlt, dem wird bei Jobverlust das im Beruf erworbene Erfahrungswissen entwertet.« Es gibt zwar Initiativen, die sich bemühen, dieses Wissen zu zertifizieren, die PersonalistInnen sind allerdings nicht wirklich überzeugt davon.
Ein guter Weg zu Arbeitsplätzen für ältere ArbeitnehmerInnen sind so genannte Emplacementstiftungen. Sie zahlen für eine festgesetzte Dauer hohe Anteile der Lohnkosten für die älteren Beschäftigten. So können sich Unternehmen ohne Risiko von deren Leistungsfähigkeit überzeugen. PersonalistInnen, die vorher BewerberInnen ab 40 gar nicht erst zu Bewerbungsgesprächen eingeladen haben, waren positiv überrascht über die gute Performance der Betroffenen.
Wer seinen Job verliert und keine Umschulung oder Weiterbildung braucht, kann sein Glück auch im Ausland versuchen. Selbst im deutschsprachigen Ausland werden Fachkräfte gesucht. Ältere deutsche ArbeitnehmerInnen zieht es seit einiger Zeit nach Dänemark, wo auch ältere Fachkräfte überdurchschnittlich gut bezahlt werden. Auch die Schweiz und die Niederlande profitieren von hoch ausgebildeten, mobilen Arbeitskräften.
Wer eine Ausbildung hat, tut sich leichter. Leichter auf dem Arbeitsmarkt, aber auch leichter eine andere Perspektive zu finden. So sind durchaus nicht alle, die das AMS manchmal auch mit sanftem Druck in die Selbstständigkeit gedrängt hat, unglücklich: Angelika M. betreibt in Niederösterreich ein kleines Cafe: »Die meisten haben gesagt, ich wäre verrückt, als ich mich mit 46 Jahren selbstständig gemacht habe. Aber ich habe es nicht bereut.« Mag. Manfred Krenn: »Selbstständigkeit ist allerdings nur für eine Minderheit wirklich die Lösung - die Menschen sind schnell überfordert und es ist extrem unsicher.«

ManagerInnen auf Zeit
Menschen die zeitlebens als ManagerInnen in Führungsfunktionen waren, sind nicht gefeit vor dem Schicksal vor der Zeit ohne Arbeit dazustehen. Auch wenn manchen von ihnen der Abgang durch »golden handshake« versüßt wird: Viele haben noch zu lange bis zur Pension und wollen auch durchaus weiterarbeiten. So hat sich aus der Not eine Tugend entwickelt: Arbeitslose ManagerInnen ohne Festanstellung heuern bei Unternehmen als »ManagerInnen auf Zeit« an. Die Liste der Unternehmen, die vor allem für zeitlich begrenzte Projekte auf das Know-how der Älteren zurückgreifen, ist lang: Bene, Berndorf, Doka, Fronius sind da ebenso zu finden wie die WKO, Ministerien, die Stadt Amstetten und zahllose Verbände und Vereine.
Eines ist nahezu allen älteren Arbeitssuchenden gemeinsam: Sie definieren sich über den abwesenden Job und leiden daher, auch bei guter finanzieller Absicherung, massiv unter mangelndem Selbstwertgefühl. Egal, wo die Reise hingeht: Wer schafft, seine Identität nicht ausschließlich aus der Erwerbsarbeit zu ziehen, ist schon einen Schritt weiter - vorausgesetzt, die finanzielle Ausstattung lässt dies auch ohne Selbstverleugnung zu.

Engagement für andere
Für manche, die nur noch eine kurze Zeitspanne bis zur Pension haben, ist das Engagement in einer gemeinnützigen Einrichtung das Richtige, um nicht aus einem erfüllten Arbeitsleben in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen. Das muss man sich aber leisten können. Auch das - fast - ehrenamtliche Engagement in der Kinderbetreuung oder Altenbetreuung kann nur für wenige eine Lösung für die verbleibende Zeit zur Pension sein.
Selbstsicherheit und Engagement sind gerade für ältere Arbeitslose besonders wichtig. Wer es schafft, bei einer Vorstellung auf den Mehrwert, den das fortgeschrittene Alter für das jeweilige Unternehmen hat, zu verweisen, hat eine Chance die Abwehr der PersonalistInnen zu überwinden. Wer hartnäckig ist, dem wird das AMS eine vernünftige Maßnahme nicht verweigern. Und wer seine Zeit sinnvoll zu füllen versteht, signalisiert an ArbeitgeberInnen, dass er sich engagiert und auf keinen Fall unterkriegen lässt. Wer sich selbstständig macht, sollte wissen, dass es ein schwerer und harter Weg mit Risiko ist, der aber, bei Erfolg, den Rest des Berufslebens gut und oftmals selbst bestimmt zu füllen versteht.

Über eine Tatsache können wir uns aber nicht hinwegschummeln: Die Alterspyramide wird den Jugendwahn im Arbeitsprozess nicht mehr lange tragen: Schon jetzt steigt in manchen Branchen der Altersschnitt der Beschäftigen wieder. Unternehmen, die diese Entwicklung ohne Vorbereitungen verschlafen, werden in wenigen Jahren teuer dafür zahlen müssen. Sie müssen jetzt vorsorgen, dass sie auch für ältere MitarbeiterInnen attraktiv sind, denn die werden über kurz oder lang vermehrt am Arbeitsmarkt zu finden sein. Mag. Krenn: »Wir müssen diese Turbo-Leistungsverdichtung wieder auf ein tragbares Maß zurückstutzen, denn wir sehen schon jetzt 30-Jährige mit Burn-out, weil der Stress auf Dauer nicht ertragbar ist.«

Weblinks
Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt
www.forba.at 

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