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Foto | Paul Sturm Wir jungen Alten haben keine Identität, wir haben daher auch nur sehr vage Vorstellungen davon, welche Lebensformen uns zustehen, wie wir uns selbst bezeichnen sollen.
Buchtipp

50plus: Keine Panik

Schwerpunkt

Du bist doch noch gar nicht alt, gilt als Kompliment. Alt nicht, aber älter schon. Wir stehen dazu. Wozu eigentlich?

Wir jungen Alten leiden unter einem Identitätsmanko«, meint die Psychoanalytikerin Eva Jaeggi in ihrem Buch »Viel zu jung um alt zu sein«. Zwar geht es hier um »das neue Lebensgefühl ab sechzig«, doch tritt eine Veränderung in der Wahrnehmung von Frauen ab - sagen wir - bereits 49 ein. Ein Alter in dem etwa in Uganda Frauen (wie Männer) durchschnittlich nicht mehr leben, während sie in urbanen Mittelschichten Nordamerikas ohne Aufregung neue Karrieren starten. Auch von uns Frauen ab 50 in Westeuropa gibt es kein einheitliches Bild.
Unser Image, besonders am Arbeitsmarkt, ist im Allgemeinen aber eher schlecht. Die Vorbehalte gegenüber älteren Arbeitnehmerinnen sind bekannt: unflexibel, krankheitsanfällig, teuer. Stereotypen sind für das Verbleiben am Arbeitsmarkt nicht förderlich, meint Manuela Vollmann, Geschäftsführerin des abz*austria. Seit mehreren Jahren widmet sich die Non-Profit-Organisation der Thematik »Frauen ab 45 am Arbeitsmarkt«. »Ältere Arbeitnehmerinnen werden nicht als Potenzial für die Gesellschaft wahrgenommen«, meint Vollmann. »Wobei die Frage bleibt, wie lange wir uns das noch leisten können, dieses Potenzial brachliegen zu lassen.«
Frauen über 50 sind keine homogene, jedoch eine immer größer werdende Gruppe. Allein in Wien sind rund 340.000 Frauen über 45, die Tendenz steigt. »An den gesellschaftlichen Strukturen wird sich jedoch nichts ändern, so lange sich nicht die Bilder in den Köpfen ändern«, meint Wiens Frauenstadträtin Sandra Frauenberger. Mit der Imagekampagne »Frauen über 50 können alles sein!«, will sie zum Abbau von Vorurteilen und Klischees beitragen. Was eine Frau mit 50 ist, sein oder werden kann, ist offen: Aussteigerin oder Wiedereinsteigerin, Altersteilzeitnehmerin oder Jungunternehmerin, im Herbst des Lebens oder gar im zweiten Frühling.
»Es ist an der Zeit, den soziodemografischen Veränderungen im gesellschaftlichen Bild der Frauen 50plus nachzuziehen. Die Lösung für ein Umdenken in der Gesellschaft kann weder in Ausgrenzung, noch in Anti-Ageing-Wahn oder künstlich hergestellter Faltenfreiheit liegen. 50plus muss in der Gesellschaft zum positiven Thema werden«, fasst die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger die Zielrichtung der Kampagne zusammen.

Gruftie oder Power-Frau?

Es macht längst keinen Sinn mehr, von »den Alten« oder von »den 50-jährigen Frauen« zu reden. Man muss sich immer wieder neu darauf einigen, von wem genau die Rede ist. Wenn die Gruppe der über 50-Jährigen in einer Gesellschaft zahlenmäßig dominiert, ist eine Imagepolitur ratsam. Wobei es nicht allein um die allgemeine Hebung des Selbstbewusstseins ginge, sondern auch um eine Hebung der wirtschaftlichen Stärke. Denn das Segment derer, die Probleme mit dem Alter haben ist in den unteren Einkommensklassen stark überrepräsentiert. In diesem Punkt sind sich Österreichs Meinungsforschungsinstitute einig. Wer hätte es gedacht?
Eine Humanisierung im Umgang mit älteren Menschen insgesamt ist wohl zu spüren. Auch die Psychoanalytikerin Eva Jaeggi vermerkt eine Verbesserung in der Rezeption des Alters. Seniorenstudium und Volkshochschulkurse zur geistigen Fitness sind immerhin humaner, als unnütze vergreisende Esserinnen den Raben vorzuwerfen, wie vor etlichen Generationen in bäuerlichen Regionen Japans üblich.

Frauenbarometer

Der »Frauenbarometer 2007« - eine Art Seismograf weiblicher Befindlichkeit im Raume Wiens (jährlich erstellt vom IFES-Institut) - konstatiert eine positive Einstellung unter den zwischen 45-und 65-Jährigen zum eigenen Alter. 28 Prozent vermuten sogar mehr Vorteile, während dies bei 19 Prozent umgekehrt der Fall ist. Als größter Vorteil wird genannt, mehr Zeit für sich zu haben. Auch höhere Gelassenheit und ein reicher Erfahrungsschatz werden als Pluspunkte angeführt. Als nachteilig, auch das verwundert kaum, werden die wachsenden gesundheitlichen Beschwerden und das Sinken der Leistungsfähigkeit genannt. »Einige nehmen auch eine Abnahme ihrer Attraktivität wahr«, vermerkt der Bericht.
Man ist schließlich ab 50 und noch nicht blind. Allerdings, und hier ist einzuhaken: Auch Attraktivität ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Klischees und Stereotype haben die Tendenz, von denen verinnerlicht zu werden, die mit ihnen bedacht sind. Während sich die Generation unserer Mütter ab 45 mit Dauerwelle, Perlonstrümpfen und dezenter Kleidung fast geschlossen der Enkelpflege widmete, steht uns heute eine größere Auswahl möglicher Rollen zur Verfügung.
Die sind so unterschiedlich, dass man bei 30-jährigen Maturatreffen bisweilen nicht weiß: Hat da jemand die Kinder oder die Eltern mitgebracht?
Psychoanalytisch wird uns ein Identitätsmanko attestiert. Ähnlich wie in der Pubertät werden wir unruhig, unsicher und probieren verschiedene Rollen aus. Oftmals fühlen wir uns darin gar nicht wohl. Eine Schattenseite unserer Kultur, meint Eva Jaeggi, die zunehmend humaner mit dem Alter umgehe, aber dennoch bisher eine geeignete Altersidentität verweigert und nichts besseres anzubieten hat, als »du bist doch noch gar nicht so alt«.
Immerhin 72 Prozent der für den »Frauenbarometer« befragten Frauen gaben an, an sich unlängst körperliche Veränderungen wahrgenommen zu haben, die sie auf das Älterwerden zurückführen. Als häufigste Strategie, um die Folgen zu mindern, wird auf gesunde und ausgewogene Ernährung zurückgegriffen. Weiters: Sport und mehr Zeit für die Pflege des Äußeren. Das ist nie verkehrt.
Das Rollenrepertoire ist heute zwar breiter, dennoch lassen wir uns grob gesprochen in drei sozio-demoskopische Großgruppen gliedern: Die gut situiert Zufriedenen, die mäßig Zufriedenen und die schlecht situiert Resignierten.
Letzterer gehören überdurchschnittlich oft geschiedene und verwitwete Frauen an, die es finanziell nicht leicht haben, vermerkt der Frauenbarometer 2007. Deren Lebenseinstellung ist tendenziell eher depressiv. Die relative Mehrheit ist bereits in Pension, weiters ist ein höherer Anteil von Arbeitslosen darunter. Diese Gruppe ist am stärksten auf die Unterstützung durch die Stadt Wien angewiesen. Aufgrund der eher zurückgezogenen Lebensweise sind sie aber schwerer zu erreichen.
Insgesamt 18 Prozent der Befragten haben eine sogenannte Pflegeverpflichtung. Einkommensschwache sind häufiger darunter zu finden - vor allem im eigenen Haushalt. »Wohl auch deshalb, weil eine externe Pflege finanziell einfach nicht leistbar ist«, meinen die ExpertInnen.

Das Bild

Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass ältere Frauen in den Medien nicht richtig repräsentiert werden. Man könne davon ausgehen, so der »Frauenbarometer 2007«, dass dies auch mit der allgemein geringeren Repräsentanz der Silver Generation in den Medien zusammenhänge.  Grauhaarige Modelle sind inzwischen häufig anzutreffen. Klischeehaft ist die Darstellung der Älteren immer noch. Während Ältere lange gar nicht oder hilfsbedürftig und gebrechlich gezeigt wurden, kommen sie nun als reitende, surfende oder laufende Energiebolzen vor.
»Wir jungen Alten haben keine Identität, wir haben daher auch nur sehr vage Vorstellungen davon, welche Lebensformen uns zustehen, wie wir uns selbst bezeichnen sollen«, schreibt Eva Jaeggi. Die Vorstellung von Alter ist unscharf. Über 72 Prozent von (in Deutschland) befragten 50plus-Frauen gab an zu glauben, jünger auszusehen als sie sind.
Wenn man also jünger aussieht als man ist: Wie sieht man dann aus, wenn man genauso alt ausschaut, wie man wirklich ist?

WEBLINKS
Nähere Infos über Schwerpunkte, Veranstaltungen etc. zur Kampagne 50plus finden Sie unter:
www.frauen.wien.at
www.wien.gv.at/menschen/frauen/kampagne-frauen-50plus.html

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