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aus dem Ausstellungskatalog »Armut«, Sonderausstellung Nr. 298 Historischen Museums der Stadt Wien, S. 210. Die Sparbüchse einer Arbeiterin um 1920 mit der Inschrift »Junges Blut spar dein Gut« und »Armut im Alter wehe tut«. Den Menschen wurde eingeredet, wenn sie sich von ihren Hungerlöhnen etwas zurücklegen würden, bräuchten sie im Alter kein Elend fürchten.

Nicht mehr betteln geh’n

Historie

Die gesetzliche Alterspension ist keine Selbstverständlichkeit und wurde erst vor mehr als 50 Jahren zum festen Bestandteil des sozialen Netzes.

Als die kurz zuvor beschlossene Alterspension für Arbeiterinnen im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz 1955 zum festen Bestand-teil des sozialen Netzes wurde, zitierte die Gewerkschaftspresse immer wieder die Strophe aus dem alten Gedicht der ArbeiterInnenbewegung.

Was wir ersehnen von der Zukunft ferne:
Dass Brot und Arbeit uns gerüstet steh’n.
Dass uns’re Kinder in der Schule lernen
Und uns’re Alten nicht mehr betteln geh’n.

Noch vor hundert Jahren war ein Alter ohne Not für viele so etwas wie ein ferner Traum. Nur dort, wo es schon Gewerkschaften mit funktionierenden Unterstützungseinrichtungen gab, hatten alte ArbeiterInnen, die in den Fabriken und Werkstätten nicht mehr mithalten konnten, eine kleine Chance, Hunger und Betteln zu entkommen. Auf jeden Fall wurde gearbeitet, so lange es ging. Auf der Totenliste nach dem Explosionsunglück in der Ottakringer Zelluloidfabrik 1908 finden sich nicht nur 16-jährige junge Frauen, sondern auch über 70-jährige Männer.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, galten auch gewerkschaftliche Unterstützungsleistungen nur für Arbeitsunfähigkeit, nicht weil ein bestimmtes Alter erreicht war. Als Gewerkschafter 1907 erstmals ins Parlament gewählt wurden, machten sie die Alterspension für ArbeiterInnen sofort zum Thema, aber erst ein Gesetz der Republik Österreich fixierte sie 1927 zumindest auf dem Papier. Die damals noch sehr kleine Gruppe der Angestellten erreichte dagegen noch zu Kaisers Zeiten eine (wenn zunächst auch sehr schlechte) gesetzliche Alterspension. Die gewerkschaftlich gut organisierten Eisenbahner, auf die Militär, Verwaltung und Wirtschaft angewiesen waren, setzten ebenfalls früher als andere ein eigenes Pensionsrecht durch, während die Staatsbeamten/-beamtinnen bis nach der Gründung der Republik darauf warten mussten. Um die Arbeiterpension zu verwirklichen, fehlten, so hieß es 1927, dagegen die notwendigen Budgetmittel, denn trotz der Beiträge von ArbeiterInnen und Unternehmen benötigte man natürlich auch Steuergeld, um das System aufzubauen. Es war eine ähnliche Situation wie bei der Einführung der Arbeitslosenversicherung 1919, nur eine andere Politik. 1919 entschieden sich Parlament und Regierung trotz riesiger Budgetprobleme für die Investition (und wurden dafür wenige Jahre später mit sinkenden finanziellen Belastungen »belohnt«). 1927 fuhren Regierung und Parlamentsmehrheit trotz des Wirtschaftsbooms der »Roaring Twenties« einen beinharten Sparkurs. Übrig blieb eine staatliche Unterstützung bei Berufsunfähigkeit im Alter. Erst die NationalsozialistInnen brachten 1938 das (lange vor ihrer Zeit entstandene) deutsche Recht auf Arbeiterrente mit, aber es wurde bald durch die Kriegs- und Terrorgesetzgebung unterlaufen. So blieb es eine der ganz großen Kulturleistungen der Zweiten Republik, die Pensionsversicherung für alle ArbeitnehmerInnen einzuführen. Nicht umsonst ist ihre Verteidigung ein zentrales Anliegen des ÖGB und seiner Gewerkschaften.

Ausgewählt und kommentiert von
Dr. Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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