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Foto | Paul Sturm BelegschaftsvertreterInnen stehen oft vor dem Problem, die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens richtig einzuschätzen.

Betriebsrat aufgepasst

Aus AK und Gewerkschaften

Belegschaftsvertretungen stehen in Krisenzeiten vor dem Problem, die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens richtig einzuschätzen.

Die Finanzkrise verunsichert fast alle. Binnen kürzester Zeit haben sich die Konjunkturaussichten stark eingetrübt. Viele Unternehmen sind jetzt schon mit Auftrags- und Umsatzrückgängen sowie Liquiditätsengpässen, verursacht durch die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe, konfrontiert. Die ersten Firmen kündigen Kurzarbeit an und haben schon ihre Leiharbeitskräfte »freigesetzt«.
Manche durchaus gesunden Unternehmen nutzen die aktuelle Situation allerdings, um Sparmaßnahmen auf Kosten der Belegschaft unter dem Deckmantel der Wirtschaftskrise umzusetzen. BelegschaftsvertreterInnen stehen oft vor dem Problem, die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens richtig einzuschätzen.

Strategie - Analyse

Unternehmenskrisen wirken sich immer auf die Beschäftigten im Unternehmen aus. Im günstigsten Fall werden MitarbeiterInnen angehalten, Überstunden und Urlaub abzubauen, im schlechteren Fall erfolgen Einsparungen bei Sozialleistungen, im schlechtesten Fall drohen Massenkündigungen und Betriebsschließungen.
Der Betriebsrat muss sich jedenfalls eine eigene Strategie zurechtzulegen. Er kann sich gegen die von der Geschäftsführung vorgeschlagenen Maßnahmen wehren und manchmal damit alle Arbeitsplätze zumindest kurzfristig retten. Mittel- oder langfristig könnte allerdings der Erfolg der Sanierung gefährdet werden. Er kann den Personalkürzungs- bzw. Einsparungsmaßnahmen auch zustimmen, womit er jedoch seine Glaubwürdigkeit und Legitimierung aufs Spiel setzt.

Nutzen Sie die Ressourcen

Egal für welche Strategie sich eine Betriebsratskörperschaft in einer Unternehmenskrise entscheidet - verhindern, raushalten, kontrollieren oder aktiv einbringen - gründliche Informationsbeschaffung und eine Analyse der aktuellen Situation sollten immer eine dominierende Rolle spielen. Im Sinne: Wissen ist Macht und macht handlungsfähig!
Wenn es zur Krise kommt, so aktivieren Sie Ihr Netzwerk. Überlegen Sie - am besten im Team - wer Ihre Verbündeten sind und von wem Sie Unterstützung erhalten können. Denken Sie dabei an AbteilungsleiterInnen innerhalb des Unternehmens, BetriebsratskollegInnen aus anderen Unternehmen sowie an einen/eine KapitalvertreterIn aus dem Aufsichtsrat oder PolitikerInnen.
Ziehen Sie die BeraterInnen und ExpertInnen aus Gewerkschaften und AK bei. Lassen Sie Ihr Material - Bilanzen, Wirtschaftspläne, Vorschaurechnungen, Liquiditätspläne - prüfen, damit Sie die Situation realistisch einschätzen können und wissen, wie dringend gehandelt werden muss.
Denken sie daran: Sie können zu Ihrer Beratung in allen Angelegenheiten gemäß § 39 (4) Arbeitsverfassungsrecht die zuständige freiwillige Berufsvereinigung oder gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen beiziehen!

Wie weit ist die Krise?

Eine Unternehmenskrise bricht nicht über Nacht aus. In fast allen Fällen gibt es viele Monate, manchmal sogar Jahre bevor die Krise akut wird, erste Anzeichen und Symptome. Unternehmenskrisen durchlaufen meist drei Stadien, beginnend mit einer Strategiekrise, die in der Folge in eine Ertragskrise übergeht und mit der Liquiditätskrise endet. Die Reihenfolge ist immer dieselbe, sofern nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Strategiekrisen werden als solche oft nicht einmal erkannt. Die für alle Beteiligten sichtbare und oft schmerzhafte Ertrags- und vor allem Liquiditätskrise folgt erst später.
Kommen dem Betriebsrat erste Krisengerüchte zu Ohr, sollte er möglichst rasch feststellen, wie weit sie bereits fortgeschritten ist. Nur so kann er einschätzen, ob es schon fünf vor zwölf ist oder ob es noch genügend Zeit für Maßnahmen gibt. Je weiter eine Krise fortschreitet, desto mehr gewinnt sie an Tempo und desto eher verringern sich Reaktionszeitraum und Handlungsspielraum.
Ein Unternehmen macht hohe Gewinne, hat steigende Umsätze und eine gute Presse und kann trotzdem langsam in eine Strategiekrise schlittern. Die Zahlen sind O. K., Erfolgspotenziale wie z. B. ein Wettbewerbsvorteil, Qualität oder ein gutes Markenimage bekommen erste Kratzer. Eine Früherkennung ist dennoch anhand diverser Indikatoren möglich. Klassische erste Anzeichen sind das Fehlen neuer Produkte durch Vernachlässigung von Forschung und Entwicklung, Fehlinvestitionen, nachlassende Qualität, häufige Kundenbeschwerden, versäumte Liefertermine, gestiegene Forderungen oder sinkende Auftragsstände.
Wird in der Strategiekrise nicht gehandelt, folgt früher oder später die Ertragskrise. Sie ist durch rückläufige Umsätze, sinkende Gewinne bzw. Verluste oder niedrigere Rentabilitäten gekennzeichnet. Eventuelle Verluste zehren am Eigenkapital. Eine Ertragskrise ist im Zahlenwerk des betrieblichen Rechnungswesens (Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Kostenrechnung) durchaus erkennbar. Auch sinkende Produktivität, unausgelastete Kapazitäten, einmalige Erträge wie Anlagenverkäufe und Rückstellungsauflösungen und vermehrte Preisnachlässe sind Indikatoren.

Liquiditätskrise

Dauert die Ertragskrise länger an und verfügt das Unternehmen nur über eine schmale Eigenkapitalausstattung, ist die Liquiditätskrise unausweichlich. Aufgrund der schlechten Erträge und der unbefriedigenden Selbstfinanzierungssituation (niedriger oder negativer Cashflow) werden flüssige Mittel immer knapper. Zu Beginn können »finanzielle Löcher« oft noch durch weitere Kreditaufnahmen, Umschuldungen und Verpfändungen geschlossen werden.
Wenn Kredite nur noch gegen erhöhte Sicherheiten erfolgen, sich die Lieferanten absichern, Rückstände beim Finanzamt und bei den Sozialversicherungen steigen, Kurzarbeit droht und Löhne und Gehälter verspätet ausbezahlt werden, ist die Situation schon mehr als ernst. Kann das Unternehmen nun seinen laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, verlieren die Gläubiger das Vertrauen und gewähren keine weiteren Kredite bzw. stellen Kredite fällig. Insolvenz droht.
Zur genauen Analyse der Liquiditätskrise benötigt man Finanzpläne, die lückenlos alle zukünftigen Ein- und Auszahlungen und ihren zeitlichen Anfall aufzeichnen, um die »Zahlungslücke« zu erheben. Um den Weiterbestand der Firma zu gewährleisten, muss jedenfalls die Zahlungsfähigkeit gesichert werden.
Die besondere Gefahr an der aktuellen Finanzkrise ist, dass auch an sich gesunde Unternehmen durch die restriktive Kreditvergabepolitik der Banken in Liquiditätsschwierigkeiten kommen können, dass sie z. B. notwendige Investitionen nicht finanzieren können. Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität können von den Eigentümern durch Gesellschafterzuschüsse bzw. Kapitalerhöhung erfolgen. Auch der Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, sale & lease back-Finanzierungen oder Zuschüsse der öffentlichen Hand sind denkbar.

INFO & NEWS
Die wichtigsten Informationsrechte
Die relevanten Informations- und Beratungsrechte des Betriebsrates sind im Arbeitsverfassungsgesetz geregelt. Die wichtigsten in den §§ 91 (allgemeine Informationsrechte), 92 (Beratung, Quartalsbesprechungen), 108 (Wirtschaftliche Informations-, Interventions- und Beratungsrechte, Anspruch auf den Jahresabschluss, Wirtschaftspläne) und 109 (Mitwirkung bei Betriebsänderungen) begründet. Nutzen Sie diese!

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Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
ruth.naderer@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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