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Foto | Thomas Reimer 11. Dezember 2008,Wiener Fleischmarkt: PostmitarbeiterInnen und GewerkschafterInnen protestieren.

Die Post geht ab

Wirtschaft & Arbeitsmarkt

Post AG und Telekom Austria wollen in den nächsten Jahren Filialen schließenbzw. Tausende Beschäftigte abbauen. Die Gewerkschaft wehrt sich.

Bis 2015 will die Post AG 9.000 Beschäftigte abbauen und 1.000 von 1.300 Filialen schließen. Bei der Telekom Austria sollen bis 2011 bis zu 2.500 Beschäftigte das Unternehmen verlassen. Deshalb gingen sowohl Post- als auch Telekom-Beschäftigte, unterstützt von PersonalvertreterInnen, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen am 12. November lautstark auf die Straße. Die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) fasste Streikbeschlüsse. Am 10. Dezember wurden in einem Warnstreik vor allem Postämter bestreikt, die von Schließung betroffen sind. Für den Vorsitzenden des Zentralausschusses der Bediensteten der Österreichischen Post AG, Gerhard Fritz, läuft dieser Plan auf die »Vernichtung der Post, der ländlichen Regionen und der Arbeitsplätze hinaus«.1

11.000 Beschäftigte weniger

Tatsächlich hatte die Post 1996, mit Beginn der Liberalisierung durch die große Koalition von SPÖ und ÖVP, noch knapp 34.000 Beschäftigte, heute sind es nur noch 23.000. Seit 2001 wurden ca. 1.000 Postfilialen geschlossen, nur ein Fünftel davon sind durch »Post-Partner« ersetzt worden. Von den derzeitigen 1.300 Postämtern und etwas über 200 »Post-Partnern« sollen nach den Plänen der Post-Geschäftsleitung, wie Medien berichteten, nur noch wenige große Zentren in Ballungsräumen übrig bleiben. Der Rest soll an weitere Partner und neue Pächter gehen. Da »Post-Partner« nur eingeschränkte Dienstleistungen anbieten, gehen der Post zahlreiche Kunden/Kundinnen verloren, insbesondere im Banken- und Versicherungsbereich, wo ja jetzt (noch) eine Kooperation mit BAWAG/P.S.K. besteht. Nutznießer am »flachen Land« könnten die jetzigen Postkonkurrenten Volksbank und Raiffeisen sein. Zudem warten die in Europa gut aufgestellten »Big Player« Deutsche Post, Holländische Post, die britische Royal Mail, die französische La Poste auf den österreichischen Markt. Wenn der nicht durch ein Postmarktgesetz geschützt ist, gibt es keine österreichische Post mehr, befürchtet der Vorsitzende-Stv. des Zentralausschusses der Bediensteten der Österreichischen Post AG, Martin Palensky.2 Was ihn besonders ärgert, ist die Art der Kommunikation, die »positive Formulierung des Bösen«: So wurde die erste Schließungswelle als »Postamtszusammenlegungen«, die zweite als »Finalnetzoptimierung« und die jetzige als »Ausbau alternativer Betreibermodelle« schöngeredet. Das heißt aber nichts anderes, als Beschäftigte abzubauen, die Konkurrenz zu fördern und die Versorgungssicherheit zu gefährden, denn die »Post-Partner« haben keinen Versorgungsauftrag, können jederzeit ihren Vertrag mit der Post kündigen.
Erstes Ergebnis der Proteste und der öffentlichen Debatte: Am 19. November wurde erreicht, dass es bei der Post bis Mitte 2009 keine »betriebsbedingten« Kündigungen geben soll. Außerdem sagte die Politik zu, dass es bis dahin das von der Gewerkschaft schon seit Jahren eingeforderte Postmarktgesetz endlich geben soll. Es soll dazu dienen, dass sich künftige Postkonkurrenten nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken dürfen und mittels einer Universaldienst-Verordnung die Mindestversorgung mit Postdienstleistungen und deren Finanzierung festgeschrieben wird.
Besonderes vehement wird von den Gewerkschaftern ein Branchenkollektivvertrag eingefordert, eine Art Mindestlohnvereinbarung, die Lohndrückerei mit Beschäftigten aus dem Ausland verhindern soll. Zudem muss es eine Auftraggeberhaftung bzw. Generalunternehmerklausel geben, damit nicht »Ich-AGs« Lohn- und Sozilabgabendumping betreiben können.

Ende gut, alles gut?

Mitnichten. Sowohl die Post- als auch die Telekom-BetriebsrätInnen trauen dem »Frieden« nicht, zeigt doch ein Blick auf die von Telekom und Post vorgelegten »Begründungen«, dass hier mit gezinkten Karten gespielt wird.
Die Post ist kein »Sanierungsfall«: Die Gewinne der Post sind in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. So zahlte die Post dieses Jahr 1,4 Euro Dividende je Aktie (98 Mio. Euro) und im September nochmals eine Sonder-Dividende in Höhe von nochmals 70 Mio. Euro! Die Produktivität der Post liegt im EU-Spitzenfeld. Das operative Ergebnis (EBIT) ist von 2005 auf 2007 von 103 auf fast 163 Mio. Euro gestiegen.3 Im Post-Geschäftsbericht von Jänner bis September 2008 ist nachzu-lesen: »Konzernumsatz Q1-3 um 7,0 Prozent auf 1.784,6 Mio. EUR gesteigert, Österreichische Post von gegenwärtiger Finanzkrise kaum betroffen, steigende Umsatzentwicklung, operatives Ergebnis (EBIT) 2008 auf dem Niveau von 2007; Anstieg für 2009 erwartet; Basisdividende 2009 über dem Vorjahreswert von EUR 1,40/Aktie.«4

Wer profitiert?

MitarbeiterInnenabbau treibt die Aktienkurse in die Höhe. Schaut man auf die Homepage der Finanzmarktaufsicht5, kann man nachlesen, dass die Vorstände riesige Aktienpakete der Post halten. Obwohl die Post-Manager kein Zukunftskonzept außer »Redimensionieren«, sprich Zusperren haben, kassiert der Post-Vorstand laut Post-Geschäftsbericht 2007 in Summe etwa 1,8 Mio. Euro.
Bei der Telekom gibt es - entgegen den in Medien lancierten Berichten - keine wirkliche Einbrüche beim Festnetz, auch keine echten Verluste, weiß Betriebsratsvorsitzender Miachel Kolek.6 »Anhaltende Stabilisierung des Trends im Festnetz, da Bündelprodukte den Anschlussrückgang effektiv verlangsamen«, heißt es auf der Telekom-Homepage im jüngsten Quartalsbericht. So liegt das operative Geschäft der ersten neun Monate 2008 bei einem EBIT von 100 Mio. Euro. Jetzt soll das Festnetz auf einmal im Minus sein? Durch einen einfachen Trick: Man schreibt Zahlungen für künftigen Personalabbau (bis 2011) schon jetzt, in einem Quartal, in die Bilanz mit 630 Mio. Euro (!). Das heißt, man hat sofort ein Minus-Ergebnis von 530 Mio. Euro, die in der Öffentlichkeit als Grund für den Personalabbau herhalten sollen. Zudem erspart man sich auch noch Steuern, weil das den Gewinn mindert, der insgesamt trotzdem gegenüber dem Vorjahr steigt. Zynischer gehts nimmer, kritisiert Kolek die Vorgangsweise. 630 Millionen Euro «Restrukturierungsaufwand« für die beabsichtigten 1.250 bis 2.500 Kündigungen im Festnetz? Würde man den Betrag auf die Betroffenen aufteilen, man bräuchte keine Sozialpläne. Aber für Sozialpläne ist wesentlich weniger vorgesehen, weiß der Betriebsrat. Worum es geht? Ca. 70 Prozent der über 9.000 Beschäftigten sind Beamte/Beamtinnen. Die will man loswerden, nachdem die Pläne zur Beamtenagentur bislang noch nicht verwirklicht werden konnten. Dabei soll der Staat (ÖIAG), also die SteuerzahlerInnen, der Telekom und der Post die Kosten abnehmen, damit die PrivataktionärInnen noch mehr Dividende erhalten. »Ein verantwortungsbewusstes Unternehmen würde weniger statt mehr Dividenden auszahlen, dafür aber das Personal halten«, so Telekom-Betriebsrat Kolek. Wurden zuletzt 73 Cent pro Dividende oder ca. 350 Millionen Euro gezahlt, sind für heuer 75 Cent je Aktie vorgesehen.7

Karriere- und Entwicklungszentrum

Während Post- und Telekom wie ein »Selbstbedienungsladen« für die Oberen ausschauen, werden die auf der Abschussliste stehenden Beschäftigten im sogenannten »Karriere- und Entwicklungszentrum« (KEZ) bloß »zwischengeparkt«, nicht weiterentwickelt. So stehen doch für alle dort derzeit 700 Menschen bloß 20.000 Euro zur Verfügung. Für den Gewerkschafter Martin Palensky eine menschenverachtende Zermürbungstaktik, um die KollegInnen loszuwerden. Tragischerweise haben schon zwei von ihnen Selbstmord begangen. Doch das rührt die Akteure kaum. Ziel ist nach wie vor eine Beamtenagentur, die ÖIAG-Chef Peter Michaelis realisieren soll. 11.500 der rund 23.000 Postbeschäftigten sind Beamte/Beamtinnen. Zwischen 3.000 und 5.000 Leute sollen von zu schließenden Poststellen nach Vorstellungen der (Un-)Verantwortlichen in diese Agentur wandern. Gleichzeitig wurden und werden Leiharbeitskräfte eingestellt. Palensky: »Wie soll das funktionieren, wenn es schon jetzt bei 700 Menschen im KEZ nicht funktioniert?
Die Post gehört nicht den Herren Wais oder Michaelis, sondern zu 51 Prozent den Hunderttausenden Menschen in Österreich. Die Politik hat uns an die Börse geknüppelt, daher soll sich die Politik jetzt etwas überlegen. Wir Belegschafsvertreter stehen bereit, gegen die bezahlten Arbeitsplatzkiller aus der ersten Berichtsebene. Deshalb ist unser Streikbeschluss weiter aufrecht.«

1 ORF-ZIB, 13.11.08
2 Interview am 26.11.08
3 Geschäftsbericht 2007, www.post.at
4 Investorenpräsentation, 13.11.08 www.post.at
5 Finanzmarktaufsicht www.fma.at
6 Gespräch am 20.11.08
7 Zahlen vgl. Telekom Austria Geschäfts- und Quartalsberichte, www.telekom.at

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