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Lehre mit Reifeprüfung Susanne Schöberl: »Die Berufsreifeprüfung parallel zur Lehre zu erwerben, bedeutet eine große Chance auf Höherqualifizierung.«

Lehre mit Reifeprüfung

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Die Berufsmatura bietet jungen Menschen eine Höherqualifizierung parallel zur dualen Ausbildung.

Die Berufsreifeprüfung (BRP) ist ein bewährtes Instrument zur Höherqualifizierung parallel zu einer Berufstätigkeit. Ihr Schwachpunkt bisher waren die hohen Kosten und die enorme Belastung durch Beruf und Lernen. Ein neues Förderprogramm des Unterrichtsministeriums »Lehre mit Reifeprüfung« soll zumindest für Lehrlinge ein kostenloses Angebot schon während der Erstausbildung bringen.
Österreich verfügt über ein starkes Segment an mittleren Ausbildungen (Lehre, berufsbildende mittlere Schulen; Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege, Schulen für den medizinisch-technischen Fachdienst). 2007 befanden sich knapp 130.000 Jugendliche in einer Lehrausbildung; etwa 53.000 Jugendliche besuchten eine berufsbildende mittlere Schule und fast 10.000 Jugendliche waren in Schulen des Gesundheitswesens. Auf der anderen Seite hat Österreich mit ca. 40 Prozent eines Jahrgangs an Jugendlichen eine niedrige MaturantInnenquote, in den skandinavischen Ländern erwerben doppelt so viele Jugendliche eine Matura.
Um die steigenden Anforderungen nach Höherqualifizierung in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, ist es das Ziel der Bildungspolitik, diese Quote zu steigern. Hier sind Maßnahmen notwendig, damit mehr Jugendliche als bisher eine allgemein- und berufsbildende höhere Schule in der Tages- oder Abendform abschließen. Genauso ist es notwendig, die nichttraditionellen Wege zur Höherqualifizierung und zum Hochschulzugang auszubauen.

Seit 1997 Berufsreifeprüfung

Seit 1997 gibt es für AbsolventInnen der erwähnten mittleren Ausbildungen die Möglichkeit mit der Berufsreifeprüfung die Berechtigungen einer Matura zu erwerben, das umfasst neben dem Zugang zum Studium auch die Anerkennung im Bundesdienst und teilweise im Landesdienst. Nach elf Jahren kann mit über 12.000 AbsolventInnen und ca. 10.000 TeilnehmerInnen, die sich jährlich in Kursen auf die Prüfung vorbereiten, eine positive Bilanz gezogen werden. Die meisten AbsolventInnen kommen aus der Lehre (über 60 Prozent) und aus den mittleren Schulen (fast ein Drittel).
Allerdings sind Vorbereitung und Ablegung dieser Prüfung kostenpflichtig, was für viele eine große finanzielle Belastung oder sogar eine unüberwindliche Hürde darstellt. Die durchschnittlichen Gebühren für die Vorbereitung auf die BRP und die Prüfungsgebühren betragen etwa 3.000 Euro. Jedes Bundesland fördert mittlerweile die BRP, jedoch in ganz unterschiedlicher Weise - zwischen keinerlei Zuschuss und voller Finanzierung.
Erfreulich ist, dass fast sechs von zehn AbsolventInnen der BRP weiterführende Bildungswege besuchen. Aufbauend auf einer mittleren Ausbildung wird dabei durch die Absolvierung von Prüfungen über Inhalte auf dem Niveau einer höheren Schule eine gleichwertige Reifeprüfung erlangt. Die geringen Fortschritte bei der Durchlässigkeit der Lehrausbildung in Richtung Höherqualifizierung haben dazu geführt, die Berufsreifeprüfung für Lehrlinge neu aufzustellen. Den Jugendlichen in diesen Ausbildungen und in einem zweiten Schritt den fertigen AbsolventInnen sollen Vorbereitung und Ablegung der Berufsreifeprüfung erleichtert werden. Somit haben mehr Lehrlinge die Chance auf Höherqualifizierung im Beruf und Zugang zum weiterführenden Lernen.

Notwendigkeit von Neuerungen

Der Ansatz für die Reform hat zwei Schwerpunkte: Erstens soll der Erwerb der Berufsreifeprüfung für die Lehrlinge kostenfrei sein und zweitens soll das Angebot näher an die Lebens- und Schulwelten der Lehrlinge herangebracht werden. Unter den bisherigen TeilnehmerInnen an den Vorbereitungskursen befinden sich nur sechs Prozent, die diese Kurse schon während ihrer Erstausbildung besuchen.
Für die Umsetzung dieses Ziels wurde vom Unterrichtsministerium ein neuer Ansatz gewählt: Neben Änderungen im Berufsreifeprüfungsgesetz, damit Lehrlinge bis zu drei Teilprüfungen schon während ihrer Ausbildung ablegen können, kam es zur Entwicklung eines Förderprogramms: Der Bund gibt Richtlinien vor, nach denen die Bundesländer Modelle für die Vorbereitung der Lehrlinge auf die Berufsreifeprüfung erarbeiten können. Erfüllen diese Angebote die Richtlinien, so werden die Kursplätze in den Bundesländern vom Bund finanziell gefördert. Das Förderprogramm hat eine Laufzeit von vier Jahren, und es werden insgesamt knapp zehn Mio. Euro vom Bund zur Verfügung gestellt. Geplant ist diese Förderung für maximal 1.600 Lehrlinge pro Jahrgang, das entspricht etwa fünf Prozent der LehranfängerInnen.

Die Eckpunkte des neuen Modells

  • Drei der vier Teilprüfungen (Deutsch, lebende Fremdsprache, Mathematik und ein Fachbereich aus dem jeweiligen Lehrberuf) können bereits vor der Lehrabschlussprüfung abgelegt werden, die letzte Teilprüfung mit Erreichen des 19. Lebensjahres.
  • Für die Vorbereitungskurse ist ein Ausmaß von 900 Unterrichtseinheiten vorgesehen, neben den vier Fächern können auch Tutorien oder Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung angeboten werden. Auch der Einsatz von Fernlehrelementen ist möglich.
  • Neben den Unterrichtseinheiten gibt es für alle TeilnehmerInnen ein begleitendes Coaching (z. B. Beratung bei Lernschwierigkeiten). Großer Wert wird auch auf eine intensive Beratung am Anfang der Ausbildung gelegt, damit die Jugendlichen über die Anforderungen informiert werden.
  • Die Vorbereitungskurse können von Einrichtungen der allgemeinen und berufsorientierten Erwachsenenbildung (z. B. bfi, Volkshochschulen, WIFI) sowie von Schulen im Rahmen ihrer Teilrechtsfähigkeit angeboten werden. Für die Koordination ist eine Trägerorganisation pro Bundesland verantwortlich.
  • Die Vorbereitungslehrgänge können integriert in eine Lehrausbildung oder parallel dazu in der Freizeit der Jugendlichen angeboten werden.
  • Der Einstieg in die geförderten Vorbereitungskurse kann noch im zweiten oder dritten Lehrjahr erfolgen, auf jeden Fall soll vor der Lehrabschlussprüfung eine Teilprüfung der BRP abgelegt werden.

Die Einschätzung des neuen Modells

Die Berufsreifeprüfung parallel zur Lehre zu erwerben, bedeutet eine große Chance auf Höherqualifizierung und eine Vermittlung von wertvollen Berechtigungen, die für die AbsolventInnen gute Chancen im späteren Berufsleben eröffnen. Wichtig ist es auch, dass der Erwerb der Berufsreifeprüfung für die Lehrlinge kostenlos ist und die Vorbereitungskurse in engem Zusammenhang mit der Berufsschule bzw. der betrieblichen Ausbildung stehen. Nicht zu unterschätzen ist jedoch die enorme Belastung, die auf die Jugendlichen zukommt, wenn sie neben den Inhalten der Lehrausbildung auch Kenntnisse auf Maturaniveau in vier Bereichen erwerben müssen.
Neben diesem Ziel, das zu unterstützen ist, gibt es beim neuen Modell einige »Schönheitsfehler«, auf die von der AK bei der Gestaltung des Modells hingewiesen wurde: Erstens existiert das Angebot der kostenlosen Vorbereitung parallel zur Erstausbildung nur für die Lehre und nicht für die berufsbildenden mittleren Schulen und die Schulen im Bereich des Gesundheitswesens. Zweitens ist zwar in Debatte, aber noch nicht gesichert, dass es ein kostenloses Angebot zur Ablegung der Berufsreifeprüfung für AbsolventInnen der mittleren Ausbildungen geben wird. Weiters ist die Arbeiterkammer dafür eingetreten, dass die Möglichkeit der Lehrzeitverlängerung präziser geregelt wird. In der Pilotphase wird auch genau zu beobachten sein, wie sich die Modelle in den Bundesländern entwickeln. Alle Lehrlinge sollen die gleichen Möglichkeiten zur Ablegung der Berufsreifeprüfung haben, egal in welchem Bundesland sie ihre betriebliche Ausbildung bzw. die Berufsschule besuchen. Die Frage bundesländerübergreifender Besuche von Vorbereitungslehrgängen kann zurzeit nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Schließlich sollte das Modell in den entsprechenden Schulgesetzen verankert sein und nicht bloß als Förderprogramm im Rahmen von Teilrechtsfähigkeit und privatwirtschaftlichen Verträgen existieren.

Weblinks
Bundeshotline zur Berufsmatura: 0800 50 15 30 (zum Nulltarif).
www.bmukk.gv.at/berufsmatura

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susanne.schoeberl@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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