topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Die Angst geht um ...

Schwerpunkt

Ein gut verhandelter Sozialplan erspart bei grundlegenden Änderungen im Betrieb oder Massenkündigungen einiges an Leid.

Man muss es klar sagen: Massenkündigungen, Standortverlegungen und Werksschließungen sind auch mit dem besten Sozialplan der Welt nicht ungeschehen zu machen. Ein gut verhandelter Sozialplan kann allerdings helfen, soziale Härtefälle zu vermeiden, er soll am Ende die Nacheile, die durch die Veränderungen für die ArbeitnehmerInnen aufgetreten sind, ausgleichen.
Nicht alle Betriebsänderungen sind allerdings sozialplanfähig. Es ist wichtig, dass nachgewiesen werden kann, dass die Änderungen »wesentliche« Nachteile für »erhebliche Teile« der Belegschaft mit sich bringen.
Wichtig für einen guten Sozialplan ist die nachhaltig gute Arbeit des Betriebsrates: Nur wer jahrelang seine Arbeit als Arbeitnehmervertretung gut gemacht hat, kann schnell genug richtig reagieren, um das beste für die KollegInnen herauszuverhandeln. »Es ist wichtig, seine Rechte wahrgenommen zu haben und zu wissen, wie es dem Unternehmen wirtschaftlich geht«, so Robert Hauser, Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung. Hauser weiß, wovon er redet, hat er doch schon zahlreiche Sozialpläne in ganz Österreich erfolgreich mitverhandelt. Normalerweise ist das ein Rennen gegen die Zeit. Auch wenn man über Betriebsschließungen, Kündigungen oder auch einfach nur größere Umstrukturierungen im Betrieb am liebsten nicht redet: Wenn es ans Eingemachte geht, ist Zeit im wahrsten Sinne des Wortes Geld. Denn wenn zugewartet wird, kann es sein, dass am Ende nichts mehr zu verteilen da ist oder niemand mehr, an den es zu verteilen wäre.

Zeit ist Geld

»Der Betriebsrat sollte wissen, wie viel das Unternehmen zu zahlen imstande ist«, erklärt Hauser: »Und er sollte wissen, wie die Struktur der MitarbeiterInnen im Betrieb ist. Ebenso ist wichtig zu wissen, welche Kriterien der sozialen Bedürftigkeit herzustellen sind.« Also zum Beispiel: Wer hat Obsorgeverpflichtungen? Welche MitarbeiterInnen sind schlecht ausgebildet und haben auf dem Arbeitsmarkt weniger Chancen? Wer ist AlleinverdienerIn und bei wem arbeiten beide Gatten im Unternehmen? Wie viele ältere ArbeitnehmerInnen werden betroffen sein? Nur wer diese Daten schnell verfügbar hat, kann auch schnell erste Forderungen aufstellen.
In dieser Phase muss auch geklärt werden, wer überhaupt die Entscheidungen im Unternehmen trifft: Oftmals ist das die im Ausland sitzende Konzernmutter und man sitzt nur einem Unterhändler ohne Befugnisse gegenüber. Auch das kostet Zeit.
»Der schwerste Fehler ist, die Verhandlungen schleifen zu lassen«, so Hauser. Da der Sozialplan eine »erzwingbare Betriebsvereinbarung« darstellt, kann, wenn sich die VerhandlungspartnerInnen nicht einigen können, die Schlichtungsstelle angerufen werden. Von dieser Anrufung bis zur ersten Verhandlung vergehen oft mehr als drei Monate. Hauser rät, gleich nach der ersten Verhandlung prophylaktisch die Schlichtungsstelle anzurufen: »Absagen kann man die Sitzung dann immer noch. Aber wenn man wartet, dann kann man nichts mehr durchsetzen, weil das eventuell vor einem leeren Betrieb abgehandelt wird, dann hat man auch keine Druckmittel mehr in der Hand.«
Wenn die Unternehmensleitung von sozialplanfähigen Änderungen informiert, ist der eigene Urlaub ins Wasser gefallen. Man sollte aber auch das Vis-a-vis nicht auf Zeit spielen lassen.
Wichtig ist, dass man schon in der ersten Phase überlegt, was den KollegInnen in dieser Situation nützt: »Man muss Machbarkeiten schaffen. AlleinverdienerInnen können unter Umständen mit einer großzügigen Arbeitsstiftung nichts anfangen, weil sie mit dem Arbeitslosengeld sich und die Kinder nicht durchbringen können. Sie brauchen andere Lösungen«, so Hauser, der bei den Verhandlungen bei der Schließung von Gebauer und Griller, einem Kabelwerk in Niederösterreich, Ähnliches erlebt hat: »Die wollten nur eine Arbeitsstiftung finanzieren unter dem Motto: Wer dort nicht hingeht, hat eben Pech gehabt.« Das wurde von den Arbeitnehmervertretern nicht akzeptiert und schlussendlich wegverhandelt. Firmen sagen schnell Ja zu Arbeitsstiftungen: Sie kommen positiv in die Medien und alles andere zählt eigentlich nicht.

Stufen der Eskalation

Vor allem große Firmen, die auf ihren Ruf achten müssen, einigen sich schneller als andere mit dem Betriebsrat auf eine gute Sozialplanregelung. Zeigen die ersten Verhandlungen, dass dem nicht so ist, muss der Betriebsrat zu den »Kampfmaßnahmen« greifen, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Die Stufen der Eskalation sind:

  • Kurze Betriebsversammlungen
  • Längere Betriebsversammlungen
  • Betriebsversammlungen an öffentlichen Orten
  • Medienarbeit
  • Streik

Wobei mit dem Streik im Falle von stockenden Verhandlungen zu einem Sozialplan vorsichtig umgegangen werden muss. Im Staatsgrundgesetz, das auch das Recht auf Arbeitsniederlegungen regelt, steht, dass Streik nur dann erlaubt ist, wenn einer berechtigten Forderung auch nicht mehr vor Gericht zum Durchbruch verholfen werden kann. Da selbst stockende Verhandlungen durch das Eingreifen der Schlichtungsstelle zu einem positiven Abschluss gebracht werden können, würde das im Falle eines Streiks »für« einen Sozialplan nicht erfüllt. Wenn es also ums Ganze geht, dann wird nicht für den Sozialplan, sondern gegen die Maßnahme - also zum Beispiel die Werksschließung - gestreikt.

Information ist (fast) alles

Die KollegInnen sollten vom Verhandlungsverlauf informiert werden. Es kann allerdings im Einzelfall auch sinnvoll sein, nicht alle Details laufender Verhandlungen weiterzugeben, weil sonst Unruhe entsteht. An regelmäßiger Information kann die Belegschaft erkennen, dass in ihrem Sinn und für ihre Sache gearbeitet wird. Das Wording lautet hier etwa »wir haben uns schon weitestgehend angenähert«, wenn ein positiver Abschluss in greifbare Nähe gerückt ist, »die Vorstellungen liegen noch weit auseinander«, wenn die KollegInnen darauf vorbereitet werden müssen, dass notfalls auch mit Maßnahmen des Arbeitskampfes auf die verfahrene Situation reagiert werden muss.
Ein Sozialplan soll die Nachteile, die aus der Änderungen im Betrieb erwachsen, ausgleichen und ist daher äußerst individuell. Es kann, neben der bereits zitierten Arbeitsstiftung, in der gekündigte MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Neigung und den Möglichkeiten am Arbeitsmarkt ausgebildet werden, auch andere Ausgleichsmöglichkeiten geben. Vielen - oft gut ausgebildeten - MitarbeiterInnen ist eine gute Abfertigung lieber als Weiterbildung, für AlleinerzieherInnen ist eine finanzielle Entschädigung oft zum Überleben notwendig bis sich ein neuer Job gefunden hat. Ältere MitarbeiterInnen können mit Regelungen, die die Zeit bis zum Pensionsantritt überbrücken, abgefunden werden.
In manchen Fällen sind die Aufwendungen zum Ausgleich gar nicht hoch: Siemens hat im Falle einer Standortverlegung mit Fahrtkostenzuschüssen und Prämien dafür gesorgt, dass die MitarbeiterInnen die Nachteile, die durch die »Betriebsänderung« entstanden sind, nicht ganz so hart empfunden haben.

Undankbares Geschäft

Für Betriebsräte ist das Verhandeln eines Sozialplanes eine der schwersten Aufgaben in ihrer an Herausforderungen nicht armen Funktion. Und sie können dabei nicht auf großen Applaus hoffen: Denn egal wie gut sie verhandelt haben, den Betroffenen kommt kaum je ein Wort des Dankes über die Lippen. Das hat rein gar nichts mit mangelnder Wertschätzung zu tun, sondern damit, dass in unserer Gesellschaft Arbeit so ein hohes Gut ist und der Schock über den Verlust tief sitzt.

Info&News
Was ist ein Sozialplan?
Ein Sozialplan ist eine erzwingbare Betriebsvereinbarung.
Unter einem Sozialplan wird ein Maßnahmenkatalog zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der für die ArbeitnehmerInnen nachteiligen Folgen einer einschneidenden Betriebsänderung verstanden.
Der Sozialplan soll auch für bereits ausgeschiedene ArbeitnehmerInnen Ansprüche begründen oder den ArbeitgeberInnen Pflichten auferlegen können, denen keine individuellen Ansprüche von AN gegenüberstehen (z. B. zur Errichtung einer Betreuungseinrichtung für freigesetzte ArbeitnehmerInnen = Arbeitsstiftung).
Was ist eine Arbeitsstiftung?
Eine Voraussetzung für den Eintritt in eine Arbeitsstiftung ist der Anspruch auf Arbeitslosengeldbezug. Es gibt allerdings mehrere unterschiedliche Stiftungsarten. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Arbeitslosenversicherungsgesetz. Beschäftigte in kleineren Betrieben und in Betrieben ohne Betriebsrat sind leider immer noch benachteiligt, da für sie keine Sozialpläne mit einer Stiftung verhandelt werden können.
Die Schulungen sind individuell zugeschnitten und orientieren sich am Bedarf des Arbeitsmarktes. Ziel der Arbeitsstiftung ist schließlich, dass die Menschen wieder Arbeit finden. Durch das Stiftungs-Arbeitslosengeld sind die »Stiftlinge« während ihrer Ausbildung finanziell abgesichert. Der Vermittlungsdruck durch das Arbeitsmarktservice (AMS) fällt in diesem Zeitraum weg. Die Schulungsmaßnahmen sind sehr erfolgreich.

Weblinks
Was ist ein Sozialplan?
de.wikipedia.org/wiki/Sozialplan
Skriptum VOEGB Betriebsvereinbarungen
www.voegb.at/bildungsangebote/skripten/ar/AR-11.pdf

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
d.gordon@ideenmanufactur.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum