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Ende eines Zeitalters

Schwerpunkt

Der neoliberale Finanzkapitalismus erlebt derzeit sein bisher größtes Debakel. Eine Regulierung der Märkte ist jetzt dringend notwendig.

Zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der östlichen Staatswirtschaften erlebt der neoliberale Finanzkapitalismus sein bislang größtes Debakel. Auf deregulierten, mitunter unbeaufsichtigten, Finanzmärkten wurden gigantische Spekulationen so weit getrieben, dass in den USA Mitte 2007 ein Pyramidenspiel mit Immobilienkrediten zusammengebrochen ist. Mittlerweile hat sich die Situation massiv verschärft und ist auch auf Europa und die Realwirtschaft übergeschwappt. Für 2009 stehen die meisten entwickelten Wirtschaften vor einer Rezession oder Nullwachstum. Das Wachstum in der EU-Zone wird voraussichtlich 0,1 Prozent betragen.

Enormes Krisenpotenzial

Der Zusammenbruch von Hedge-Fonds, Investmentbanken, Banken und Versicherungen zeigt das enorme Krisenpotenzial, das sich auf aufgeblähten Finanzmärkten angesammelt hat. In Form von Schockwellen riss die Krise immer weitere Finanzinstitutionen in den Abgrund. Nun zieht diese Entwicklung die »Realwirtschaft« mit nach unten. Wenn Banken von einer zu leichtfertigen zu einer restriktiven Kreditvergabe wechseln, sind Investitionen von Unternehmen gefährdet und werden reduziert. Das bedeutet eine Kürzung der Aufträge für andere Unternehmen. Bis 2007 mussten Unternehmen hoher Bonität nur einen Risikoaufschlag von einem Prozentpunkt gegenüber Staatsanleihen entrichten, dieser hat sich 2008 bis auf vier Prozentpunkte vervierfacht.
Auf den Aktienmärkten findet wie in den Jahren 2000 bis 2003 ein Kursgemetzel statt. Der ATX fiel seit seinem Höchststand 2007 von über 5.000, im Oktober 2008 auf Werte unter 2.000 Punkte! Auch der US-Aktienindex Dow-Jones brach von etwa 14.000 Punkten auf unter 8.000 ein. Das führt nun zu Leistungskürzungen bei Pensionskassen. Die österreichischen Pensionskassen haben von Jahresbeginn bis September Verluste von 8,4 Prozent zu verzeichnen.
Nun springt weltweit die Politik ein und versucht, einen Systemkollaps und eine Wirtschaftskrise zu verhindern. Mit öffentlichen Mitteln werden in den USA und der EU Banken und Versicherungen gestützt, um einen Verfall der Ersparnisse der Kunden hintanzuhalten. Die Kosten für die Rettungspakete zahlt die Allgemeinheit. Auch die meisten KritikerInnen des Neoliberalismus sehen die Rettungsaktionen als unbedingte Notwendigkeit. Denn die Kosten der Alternative wären weit höher. Wenn niemand seiner Bank vertraut und das Geld abzieht, dann stürzen auch jene Banken in den Ruin, die gesunde Bilanzen haben. Das empörende ist, dass es soweit kommen konnte. Außerdem ist es aber aus diesem Titel nicht notwendig, Privatbanken aufzufangen, deren Kunden nur extrem vermögende Personen sind.
Dass der Staat nur Garantien übernimmt, ohne einen Einfluss auf die Banken nehmen zu können, die unterstützt werden, ist scharf zu kritisieren. Diesen Weg ist man aber in Österreich gegangen. In England wird das Bankensystem nur unter weitaus härteren Bedingungen gerettet.

Vorhersehbarer Kollaps

Der Kollaps in den USA war vorhersehbar, nicht jedoch das Ausmaß in dem das gesamte Finanzsystem in den Abgrund gerissen wurde. Es wurden in den USA aber Kredite aggressiv an Menschen gegeben, von denen klar war, dass sie diese nicht zurückzahlen können. Das konnte nicht lange gut gehen. Besichert waren die Kredite mit Immobilien. Als die Immobilienpreise nicht mehr stiegen, sondern fielen, ist das Kartenhaus zusammengebrochen. Banken haben die (nun faulen) Kredite in eigene Zweckgesellschaften ausgelagert, aus ihren Bilanzen gebracht und als »Asset Backed Securities« (ABS) weiterverkauft. So wurde diese Krise »globalisiert«.
Eine weitere Ursache für die gigantischen Verluste auf den Weltfinanzmärkten sind gewaltige Spekulationen mit fremdem Geld. Wenn eine Wette aufgeht, ist die Rendite weitaus höher wenn man mit geborgtem Geld den Wetteinsatz potenziert (»Hebeleffekt«). Viele Hedge-Fonds spekulierten mit enormen Summen an geliehenem Geld. Geht das Geschäft aber daneben, ist nicht nur das eigene, sondern auch das geliehene Geld weg. Und Wetten werden verloren. Die Verluste der einen sind die Gewinne der anderen. Hedge-Fonds unterliegen keinerlei Veranlagungsvorschriften und keiner Kontrolle. Es wusste also niemand, welche Risiken Hedge-Fonds kreditfinanziert eingegangen sind.

Undurchsichtige Risiken

Auf den Finanzmärkten wurden extrem undurchsichtige Produkte gehandelt, deren Risiken weder den KäuferInnen, den Aufsichtsbehörden noch den Ratingagenturen klar gewesen sind.
Banken haben in großem Ausmaß Kredite und deren Ausfallsrisiken weiterverkauft. Damit haben sie sich ihres Kerngeschäfts entledigt. Es wurde argumentiert, dies sei sinnvoll, weil sich damit das Ausfallsrisiko gleichmäßiger verteilt und letztlich eine geringere Gefährdung für das Finanzsystem bewirkt wird. Wie sich nun herausstellt, war das Gegenteil der Fall. Risiken, von denen keiner eine Ahnung hatte, wurden potenziert.
Für den Ausgleich zwischen Banken ist der Interbankenhandel unerlässlich. Banken können nicht benötigte liquide Mittel zinsbringend anlegen. Andere Banken, die für Auszahlungen zu wenig eigene Liquidität haben, können sich gegen Zinszahlungen refinanzieren, also Geld von anderen Banken borgen. Der Interbankenhandel ist zusammengebrochen, weil sich die Banken gegenseitig nicht trauen. Damit hat die Krise, die vom US-Immobilienmarkt ausging, das gesamte Finanzsystem getroffen. Viele Banken konnten sich nicht mehr refinanzieren (z. B. die österreichische Kommunalkredit).

Teures Rettungspaket

Das Volumen der Kreditverträge in den USA beläuft sich auf rund zwölf Billionen $.1 Nun sollen mit einem Rettungsfonds von 700 Mrd. $ von den Finanzinstituten Not leidende Wertpapiere und Kredite aufgekauft werden. Es ist höchst fraglich, ob diese Summe reicht. Die Wertverluste werden auch noch nächstes Jahr weitergehen.
Weitere Bankenzusammenbrüche sind wahrscheinlich, denn: viele HausbesitzerInnen sind weiter hoch verschuldet, und die Immobilienpreise fallen immer noch. Der Neoliberalismus ist am Ende. Doch auch bei seinem Scheitern ist er ein verteilungspolitisches Fiasko. Nach den privaten Bereicherungen der vergangenen Jahre, kommen nun alle für die Kosten auf.
Die derzeitige Krise ist bereits die zweite schwere weltweite Finanzmarktkrise in diesem Jahrzehnt. Schon 2001 bis 2003 fielen die Börsenkurse in den Keller. Die derzeitige Krise zwingt zum Umdenken. In den 1930er-Jahren war es auch die mehrjährige Weltwirtschaftskrise, die den festen Glauben an freie Märkte der »goldenen 20er-Jahre« beendet hat. Es folgten Jahrzehnte, in denen die Finanzmärkte reguliert waren und der Staat stabilisierend in die Wirtschaft eingegriffen hat. So lange dies nicht wieder passiert, sind weitere Zusammenbrüche unvermeidbar.

Ausweg

Dieses Debakel kann aber nicht nur durch eine Regulierung der Finanzmärkte gelöst werden. Ursache ist neben zu viel unkontrollierter Spekulation und zu wenig Verantwortung auch, dass es zu viel nach Veranlagungsmöglichkeiten strebendes Kapital gibt. Das hängt mit der ungleichen Einkommensverteilung zusammen. Diese Finanzvermögen suchen permanent Veranlagungsmöglichkeiten, und das kann dazu führen, dass Preise in manchen Märkten plötzlich stark ansteigen, um danach wieder einzubrechen.
Unrealistisch hohe Renditeerwartungen institutioneller Investoren haben zu steigenden Kursen, Blasenbildungen und den darauf folgenden Abstürzen geführt. Die Finanzerträge können aber nicht unbegrenzt laufend stärker steigen als das BIP. Je stärker die Entkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft ist, desto stärker sind darauf folgende Korrekturen.

Notwendige Maßnahmen

  • Alle Risiken, die ein Finanzdienstleistungsunternehmen eingegangen ist, müssen auch aus der Bilanz erkennbar sein. Höhere Risiken bedürfen höherer Eigenmittelunterlegungen.
  • Aufsicht über alle Finanzmarktakteure, auch Hedge-Fonds, Private-Equity-Fonds.
  • Finanztransaktionen zwischen europäischen Firmen und Unternehmen in »off-shore Finanzzentren«, die nicht kontrolliert werden, sollen verboten werden.
  • Pensionen von den Finanzmärkten abhängig zu machen, hat sich als fataler neoliberaler Fehler erwiesen.
  • Private-Equity-Firmen sollten steuerlich genau wie alle anderen Akteure der Finanzbranche behandelt werden. Außerdem sollen sie zu mehr Transparenz verpflichtet werden.
  • Neugestaltung der Bonus- und Entlohnungssysteme für Führungskräfte. Diese haben wegen ihrer kurzfristigen Orientierung zu exzessivem Eingehen von Risiken geführt.
  • In Europa sollte eine öffentliche Ratingagentur aufgebaut werden.
  • Steueroasen müssen trocken gelegt werden. Geschäfte mit Steueroasen sollen gemäß den nationalen Steuervorschriften behandelt werden, wenn nicht eine bestimmte Mindeststeuer fällig wird.
  • Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer.
  • Spekulation mit geliehenem Geld (leverage) drastisch eingrenzen.

Weblinks
GPA-djp
www.gpa-djp.at/
AK fordert: Einkommen stärken
www.arbeiterkammer.at/online/page.php?P=28&IP=43446

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1Bischoff, Oktober 2008

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