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Gleichzeitig und rasch

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Bei einer Finanzkrise müssen drei Maßnahmenpakete gleichzeitig umgesetzt werden - das lehrt uns die Geschichte.

Anfang der 1980er-Jahre stellte Hyman Minsky, der nun mit seiner Theorie der finanziellen Instabilität posthum die Anerkennung bekommt, die ihm stets verweigert wurde, in seiner Aufsatzsammlung »Can ›It‹ Happen Again?«1 die Frage, ob sich die Depression der 1930er-Jahre wiederholen könnte. Die Zentralbanken würden, so Minsky, nicht mehr die Fehler der Vergangenheit machen und die Wirtschaft mit ausreichend Liquidität versorgen; Banken würden vor dem Zusammenbruch gerettet, ebenso würden die Regierungen mit ihren heute großen Budgets dem konjunkturellen Einbruch entgegenwirken. Die Finanzkrise selbst sah er allerdings als nicht vermeidbares, wiederkehrendes Phänomen, das dem finanzmarktbasierten Kapitalismus innewohne: Stabilität trage den Keim der Instabilität in sich. Sobald die SteuerzahlerInnen den Karren aus dem Dreck gezogen und die Scherben weggeräumt haben, beginnt das Spiel von neuem.
Die Geschichte lehrt uns, dass bei einer Finanzkrise drei Maßnahmenpakete gleichzeitig umgesetzt werden müssen: die Stabilisierung des Banken- und Finanzsystems, ein Beschäftigungs- und Wirtschaftsstützungspaket und schließlich die umfassende Regulierung des Finanzsystems, um der dem Kapitalismus innewohnenden Tendenz, laufend Phasen des Auf- und Abschwungs hervorzurufen, einen Riegel vorzuschieben. Während ersteres mit dem Bankenrettungsschirm der EU-Länder vorerst gelungen scheint, sind die Eingriffe in die Wirtschaft zur Abwehr der Depression äußerst zaghaft, ganz zu schweigen von den Finanzmarktregulierungsinitiativen, die derzeit international diskutiert werden. Die Geschichte lehrt uns auch, dass die drei Maßnahmenpakete gleichzeitig und so rasch wie möglich umgesetzt werden müssen, will man das Schlimmste vermeiden.

Wenig konkrete Vorschläge

Hyman Minsky hat die Lernfähigkeit staatlicher Bürokratien überschätzt. In den 1980ern wurde nämlich in den Wirtschaftswissenschaften der Keynesianismus durch die Neoklassik verdrängt. Deren Forderung, Fiskal- und Geldpolitik für die Konjunktursteuerung nur begrenzt einzusetzen, ist in der EU stark verbreitet, in den USA allerdings längst aus der Mode gekommen. Das starre Festhalten der Europäischen Institutionen an überkommenen Dogmen erweist sich gerade in dieser Situation als Problem. Die Europäische Zentralbank hat zwar den Banken umfassend Liquidität bereitgestellt; sie hat aber noch im Juli 2008, ein Jahr nach dem Ausbruch der Krise, die Leitzinsen erhöht. Im September hat sie sich aber dem globalen Zinssenkungstrend angeschlossen.
Beim Europäischen Rat in Brüssel Mitte Oktober dieses Jahres konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EU nicht auf ein von Österreich gefordertes, gemeinsam koordiniertes Konjunkturpaket einigen, und das, obwohl das Nettodefizit in der EU im Vorjahr nur 0,6 Prozent betrug. Die vorläufige Einigung in Österreich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf ein Konjunkturpaket, das unter anderem vorsieht, diverse Infrastrukturprojekte vorzuziehen, Mittel für thermische Gebäudesanierung und Investitionsförderungen zu erhöhen sowie das Vorziehen der Steuerreform ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ob ausreichend, wird sich weisen. Es entfaltet auf jeden Fall erst dann seine volle Wirkung, wenn alle EU-Länder an einem Strang ziehen. Dies ist noch nicht in Sicht.
Die Finanzindustrie wird nicht müde, heute den von ihr immer geschmähten Staat auf die Zukunft vorzubereiten: Er habe sich nach hoffentlich erfolgreicher Mission auf seine Kernaufgaben zurückzuziehen und den freien Markt nicht zu behindern. Wenig konkret fallen daher die derzeit bei diversen Gipfeln diskutierten Regulierungsvorschläge aus. Wesentlich ist, nicht nur Katastrophen wie diese in Zukunft zu verhindern, sondern auch das Primat der Politik wieder zu gewinnen. Globale Wirtschaft braucht globale Wirtschaftspolitik.

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1Minsky, Hyman (1982), Can »It« Happen Again?: Essays on Instability and Finance. M.E. Sharpe.

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