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Foto | Barbara Lavaud Die AUA-Beschäftigten wehren sich: Betriebsversammlung Ende September.
Foto | Barbara Lavaud

AUA vor dem AUS?

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Die ÖIAG setzt bei der Privatisierung der Austrian Airlines auf die Lufthansa - über Beweggründe, Nutznießer und Draufzahler.

Noch im April verkündete AUA-Vorstandschef Alfred Ötsch, dass die AUA gut aufgestellt sei, mit einer Kapitalaufstockung eigenständig (»stand alone«-Variante) ohne fremden Partner bestehen könne. Im Juni und Juli war dann auf einmal alles anders. AUA-Boss Ötsch und ÖIAG- und AUA-Aufsichtsratschef Peter Michaelis malten die Pleite an die Wand und verlangten nach einem Privatisierungsauftrag zur Suche nach einem »strategischen Partner«. Diesen Auftrag erhielten sie nach entsprechendem Lobbying im August. In der Folge wurden Lufthansa, Air-France/KLM und die russische S7 in die engste Wahl gezogen.

Lufthansa blieb als Bieterin

Bis 28. Oktober, dem vorgesehenen Ende des Privatisierungsauftrages, blieb nur noch die Lufthansa als Bieterin übrig. Die AUA gab während des Verkaufsprozesses neue Verlustzahlen bekannt und machte so Druck auf die Regierung, die Lufthansa-Forderungen zu erfüllen. Die Lufthansa bot 1 Cent pro AUA-Aktie der ÖIAG, verlangte die Übernahme aller AUA-Schulden ohne Garantie für den Bestand der AUA, Arbeitsplätze oder den Flughafen Wien. Daraufhin kam es vorerst zu keiner Verkaufsentscheidung der ÖIAG. Die Regierung verlängerte den Privatisierungsauftrag bis 31. Dezember 2008.
Leopold Abraham, Sprecher der ÖIAG-Betriebsräte (ARGE ÖIAG): »Jahrelang hat man untätig zugesehen, wie die AUA immer stärker ins Trudeln geraten ist. Jetzt hat man es plötzlich eilig. Mit einem unüberlegten Ho-ruck-Notverkauf lässt man die Beschäftigten für die Managementversäumnisse büßen. Unüberlegtes und vorschnelles Handeln gefährdet nicht nur die AUA und deren Beschäftigte, sondern den ganzen Wirtschaftsstandort.«1

Gutachten unter Verschluss

Nicht nur Abraham fragt sich: Warum wurde seit 2006 von der ÖIAG ein Gutachten unter Verschluss gehalten, das im Falle einer Partnersuche zwischen Lufthansa, Britisch Airways und Air France/KLM für die letztere eine Präferenz erkennen ließ?2 Möglicherweise ist der Umstand darin zu suchen, dass damals eben nicht die Lufthansa als Partnerin auserkoren wurde. Tatsache ist, dass die Lufthansa sofort ihr Interesse an der AUA bekundete.3 Die deutsche »Wirtschaftswoche« berichtet sogar, dass die Airline wegen ihrer Probleme im Russlandgeschäft auf die AUA angewiesen sei.4 Zudem sind viele Manager in den Vorstands- und Aufsichtsratsetagen der ÖIAG und der AUA »deutschlastig«, d. h. sie kommen direkt von der Lufthansa wie AUA-Vorstand Andreas Bierwirth, der in Frankfurt schon jetzt als Nachfolger von AUA-Boss Ötsch (ehemals Siemens) gilt. Oder sie kommen von deutschen Banken und Konzernen, die mit der Lufthansa verbunden sind, wie ÖIAG-Chef Michaelis (ehemals Mannesmann). »Die Presse« listet zahlreiche »Seilschaften« auf.5 Aus der Sicht von Alfred Junghans, AUA- Betriebsratsvorsitzender der kaufmännischen und technischen Angestellten, gibt es eine höchst eigennützige, interne und externe Lobby, die die Luftfahrtkrise zu ihrem Vorteil nützen und sich die AUA billigst bis gratis einverleiben will: »Ich kann nur so viel sagen: Sieht man, wie die Übernahme der Swiss durch die Lufthansa gelaufen ist, dann zeigt sich, dass z. B. der Flughafen Zürich stagniert, München aber wächst.« Warum ist nicht schon viel früher etwas geschehen, fragt der AUA-Betriebsrat: »Da hat man ein Drittel der 350 Mio. Kapitalerhöhung von 2006 allein dazu verwendet, um Piloten und Verwaltungspersonal abzubauen. Keine Zukunftsstrategie.« Und etwa die Hälfte der Kapitalerhöhung wurde in US-Aktien angelegt, die bis heute einen Wertverlust von 50 Mio. Euro eingebracht haben.6 Weiters kritisiert Junghans, dass der frühere AUA-Finanzchef die Absicherung für die Treibstoffpreise heruntergefahren habe und die AUA die einzige Fluglinie ohne Absicherung sei. Die Folge: Die hohen Kerosinpreise erzeugten Verluste.7 Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister bezeichnet diese Vorgangsweise als »durchgeplante Notschlachtung«: »In Zeiten eines seit Jahren steigenden Ölpreises nur 20 Prozent der Treibstoffkosten abzusichern, also zu 80 Prozent auf einen Rückgang des Ölpreises zu spekulieren, ist unentschuldbar ... Hätte das Management zu 100 Prozent abgesichert, hätte es keine gravierende Verluste gegeben ...«8
Auch AK-Direktor Werner Muhm sieht keinen Grund für einen überhasteten Abverkauf, »ermöglichen die wirtschaftlichen Gesamtzahlen der AUA wie Eigenmittelquote und Liquiditätssituation eine geordnete Partnersuche. Die Eigenmittelquote beträgt derzeit 26,3 Prozent, und die fiktive Verschuldensdauer liegt bei 13,5 Jahren - beides liegt deutlich außerhalb des Rahmens, welchen das Gesellschaftsrecht als Sanierungsbedarf definiert hat.«9

»Unfassbarer Dilettantismus«

AUA-Kleinaktionäre-Sprecher Hans Schmid kritisiert es als »unfassbaren Dilettantismus«, dass in einem Privatisierungsverfahren nur eine Bieterin übrig bleibt. Angezweifelt werden auch die AUA-Zahlenangaben, »... denn das kann auch taktisch gesteuert sein«.10 Selbst dem Unternehmerblatt »Die Presse« fällt auf, dass die Privatisierungen durch ÖIAG-Chef Michaelis immer nach gleichen Muster ablaufen: »Geheime Informationen wurden publik, es kam zum politischen Schlagabtausch, oft werden die Börsenkurse von ÖIAG-Firmen dank aufgekommener Gerüchte tagelang in Grund und Boden geprügelt ... Letztlich waren aber alle Privatisierungen erfolgreich.«11 Fragt sich nur, für wen?
Ende Oktober überstürzten sich die Ereignisse. Die AUA-Führung gab neue Verlustzahlen bekannt, und der Mitbieter Air France/KLM erhob schwere Vorwürfe: Wichtige Informationen wie die des Star-Alliance-Vertrages seien nicht zugänglich gewesen und brächten der Lufthansa Vorteile.12 Zudem förderte ein AUA-internes Geheimgutachten zutage, dass die AUA seit Jahren gezielt durch die Lufthansa ausgehungert und dieser in deren Arme getrieben werde, und im Falle einer Übernahme ein noch größerer Aderlass zu befürchten sei. Schon jetzt würde in der Allianz von AUA und Lufthansa etwa im Bereich des sogenannten »Nachbarschaftsverkehrs« die AUA statt den vereinbarten 500 Mio. Euro nur etwa 260 Mio. verdienen. Weiters verfolge die Lufthansa die klare Strategie, die österreichischen Bundesländer an den Flughafen München anzubinden oder setze alles daran, dass kein einziger Star-Langstreckencarrier Wien anfliege, obwohl der Wiener Flughafen ein Star-Alliance-Hub sei. Demgegenüber fliegen sehr wohl Flugzeuge von Korean und Delta vom Sky Team rund um Air France/KLM den Flughafen Wien an. Laut dem geheimen Strategiepapier würde es bei Air France/KLM mit dem Streckennetz der AUA nur beschränkte Überschneidungen geben, bei der Lufthansa schon. Die bereits erfolgten Einstellungen von Langstreckenflügen nach Schanghai (wird jetzt von der Lufthansa-Tochter Swiss beflogen), Mumbai und Chicago werden damit im Zusammenhang gebracht und weniger echten wirtschaftlichen Erwägungen zugeschrieben. Zudem kommt das Papier zu dem Schluss, dass eine Kooperation mit der russischen S7 der AUA die zukunftsträchtigen Wachstumsmärkte in Fernost öffnen würde.13
Eine klare Mehrheit von 80 Prozent der Bevölkerung lehnt eine staatliche Schuldenübernahme bei der AUA ab, nur damit diese an die Lufthansa verkauft werden kann.14 Trotzdem haben SPÖ und ÖVP beschlossen, rund 500 Mio. Euro vom Staat, also den SteuerzahlerInnen, für den AUA-Verkauf an die Lufthansa bereitzustellen. Für Wolfgang Katzian, Vorsitzender der GPA-djp, besteht »der Verdacht, dass hier schon vor Monaten Vorabsprachen getätigt und die Weichen in Richtung Lufthansa gestellt wurden«.15
AUA-Betriebsrat Junghans befürchtet, »dass in Anbetracht der Terminhudelei einige mögliche Interessenten keine Chance hatten teilzunehmen. Wenn man nun Air France ›hinausdrängt‹ oder EU-Recht verletzt, kann es sein, dass der Prozess womöglich rückabgewickelt werden muss. Das würde dann die AUA wirklich in Gefahr bringen. Besser wäre es, im Rahmen einer staatlich unterstützten Zwischenlösung - und das ist sogar EU-konform möglich - den Prozess geordnet und neu auszuschreiben - auch mit der Maßgabe der nötigen Zeit. Dann könnte es durchaus auch neue Bewerber geben - aus Zukunftsmärkten, deren Wachstum aus meiner Sicht nach Ende der Krise noch stärker weitergehen wird.«16

Weblinks
Zuständige Gewerkschaften
www.gpa-djp.at
www.vida.at

1Interview mit Leopold Abraham, 19.8.08
2Die Presse, 5.8.08
3Kurier, 8.8.08
4Standard, 3.9.08
5siehe ÖIAG-Geschäftsberichte www.oiag.at; Presse, 20.9.08
6Kurier, 29.10.08
7Interview mit Alfred Junghans, 8.9.08
8Die Presse, 6.8.08
9Presseaussendung AK 216/2008
10Die Presse, 31.10.08; Kurier, 5. 11. 08
11Die Presse, 31.10.08
12Profil Nr. 44, 27.10.08; Kurier, 8.11.08
13WirtschaftsBlatt, 1. + 4.11.08
14Kurier, 30.10.08
15ÖGB, 27.10.08, Nr. 608
16Interview mit Alfred Junghans, 4.11.08

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