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Foto | Paul Sturm Mehr Deregulierung auf Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkten bedeute mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. Dieses generelle Heilsversprechen ist geplatzt.

Wege aus der Krise

Schwerpunkt

Die aktuelle Krise zeigt, dass der wirtschaftlichen Globalisierung die wirtschaftspolitische folgen muss.

Die Lage ist ernst: Verstärkt durch die dramatische Zuspitzung der Finanzmarktkrise befindet sich die europäische Wirtschaft mitten in einem drastischen Abschwung. Nächstes Jahr ist im Euroraum bestenfalls mit Stagnation, in einigen Ländern sogar mit einer handfesten Rezession, zu rechnen. Wenn die Krise nicht schnell überwunden wird, droht eine Schwächephase, die schlimmer ausfallen könnte als die nach 2001. Dann würden alle Erfolge beim Abbau der Arbeitslosigkeit und der Sanierung der Staatsfinanzen wieder zunichte gemacht. Damit das nicht geschieht, bedarf es einer makroökonomischen Politik, die entschlossen gegensteuert.

Die doppelte Krise

Es geht schließlich nicht um eine Delle im üblichen Auf und Ab der Konjunktur. Es handelt sich vielmehr um eine doppelte Krise. Die Finanzmarktkrise betrifft zunächst den Bankensektor, der durch seine restriktivere Kreditvergabe die Investoren schwächt. Schwächere Investitionen implizieren aber eine schwächere Konjunktur, unter der die Bonität von Schuldnern leidet, was wiederum den Bankensektor schwächt. Finanzmarktkrise und Konjunkturkrise verstärken sich also wechselseitig, und es hat sich folglich eine Abwärtsspirale herausgebildet, die es zu durchbrechen gilt. Denn von allein - wie immer noch einige Ökonomen und auch Politiker zu glauben scheinen - werden sich die Probleme nicht verflüchtigen.

Rolle der Wirtschaftspolitik

Das in weiten Teilen Europas dominierende Paradigma war in den vergangenen Jahren das einer weitgehenden wirtschaftpolitischen Abstinenz. Weder die Geldpolitik noch die Fiskalpolitik wurden als geeignet angesehen, auf konjunkturelle Schwankungen oder gar Krisen angemessen zu reagieren. Die vergangenen Tage und Wochen deuten jedoch eine Zeitenwende an. Mit dem globalen Programm zur Stabilisierung des Finanzsektors in all seinen verschiedenen nationalen Ausprägungen hat die internationale Staatengemeinschaft ein Zeichen gesetzt: Die Wirtschaftspolitik hat sichtbare Verantwortung für die globale wirtschaftliche Stabilität übernommen.
Dies kann als ein wesentlicher Beitrag zu einer wirtschaftspolitischen Globalisierung verstanden werden. Bislang galt, dass die Globalisierung der Märkte die Wirtschaftspolitik nur insofern tangierte, als sie dazu beizutragen hatte, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften zu gewährleisten. Das heißt, die Globalisierung diente zur Begründung für eine nationale, nämlich die nationale Angebotsseite fördernde, Wirtschaftspolitik. Die Finanzmarktkrise hat die Fragilität und auch die Naivität dieses Ansatzes enthüllt. Denn sie zeigt, dass der wirtschaftlichen Globalisierung die wirtschaftspolitische folgen muss. Ihre Aufgabe ist es, globale nicht allein nationale, Stabilität zu gewährleisten. Eine solche global ausgerichtete Politik kann sich nicht auf die Angebotsseite beschränken, sondern muss auch die Nachfrageseite wieder mit ins Bild nehmen.

Blühender Markt braucht Rahmen

Man hat schließlich erkannt, dass das marktwirtschaftliche System durch Belohnung unternehmerischen Gewinnstrebens zwar auf der einen Seite eine Quelle dynamischer Wohlstandsmehrung ist, auf der anderen Seite aber das gleiche Streben auch den Keim der Krisenhaftigkeit durch Übersteigerungen in sich trägt. Die Wirtschaftspolitik hat diese Krisenhaftigkeit (wieder) erkannt und adäquat gehandelt. Das ist eine deutliche Abkehr von der doch recht naiven Sichtweise, die auf einen ständigen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft beruhte, damit der Markt sich voll entfalten könne. Mehr Deregulierung auf Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkten bedeute mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. Dieses generelle Heilsversprechen ist geplatzt. Ein blühender Markt braucht einen staatlichen Rahmen, in dem er sich voll entfalten kann, ohne dass auf Dauer der Wohlstand auch gerade durch den Markt selbst geschädigt wird.
Die Wirtschaftspolitik nicht nur im Euroraum, sondern in allen wirtschaftlich bedeutsamen Regionen scheint bereit, diesen Weg zu gehen. Das eröffnet die Chance, nunmehr endlich auch einen globalen Regulierungs- und Stabilisierungsrahmen durchzusetzen, darunter eine neue globale Finanzmarktarchitektur, die Auswüchse, wie in den vergangenen Jahren erlebt, zumindest unwahrscheinlicher macht.

Finanzpolitische Maßnahmen

Betrachtet man die Entwicklungen der vergangenen Wochen, gibt es eine Reihe positiver Signale, die auf eine eher schnellere Überwindung der Finanzkrise hoffen lassen. Das gilt zum einen für die konzertierten Leitzinssenkungen mehrerer einflussreicher Zentralbanken, die die Konjunktur mittelfristig stimulieren werden. Zudem wurde die Refinanzierung der Banken bei der EZB erleichtert, indem von einem Zinstender auf einen Mengentender umgestellt wurde: Banken erhalten jetzt zu einem festen und niedrigeren Zinssatz als vorher unbegrenzte Liquidität von der EZB, und zwar nicht nur in Euro, sondern auch in US-Dollar.
Zudem hat die EZB die Sicherheiten ausgeweitet, die sie im Gegenzug akzeptiert. Damit erweitert sie den Zugang und verbilligt zugleich die Bereitstellung von Liquidität. Hilfreich ist auch die enge Koordination auf EU-Ebene: Die EU-Finanzminister kündigten gemeinsam die Rettung systemisch relevanter Banken an. Ein ergänzendes Wachstumspaket zur Stützung der Konjunktur muss einer Reihe von Anforderungen gerecht werden: Es sollte

  • möglichst schnell umgesetzt werden können und wirksam werden,
  • möglichst gezielt sein, d. h. bei den Maßnahmen ansetzen, die über die höchste konjunkturelle Wirksamkeit verfügen,
  • möglichst zeitlich befristet sein, um nach der konjunkturellen Erholung nicht zu einer Überhitzung der Wirtschaft zu führen und mittelfristig die öffentlichen Haushalte wieder entlasten zu können,
    möglichst kompatibel mit einer nachhaltigen mittelfristigen finanzpolitischen Wachstumsstrategie sein sowie
  • vom Impuls her ausreichend dimensioniert sein, um Wirkung zu entfalten und nicht kostbare Zeit zu verlieren.

Die Befürchtung, dass sich Konjunkturprogramme als Strohfeuer erweisen könnten, ist weit verbreitet. Sie ist allerdings unter bestimmten Voraussetzungen unberechtigt. Erst jüngst haben zwei ausführliche Untersuchungen, die eine vom IMF, die andere vom Brookings Institute, gezeigt: Konjunkturprogramme wirken. Es sind jedoch Regeln zu beachten, will man Erfolg haben.

Regel Nr. 1: Die Konjunkturprogramme müssen von der Geldpolitik unterstützt werden.

Eine schnelle und starke Zinssenkung ist in ihrer Wirkung durch nichts zu ersetzen. Zugleich erhöht sie den Wirkungsgrad aller anderen, insbesondere fiskalpolitischer Maßnahmen. Angesichts rückläufiger Preissteigerungsraten und ausbleibender Zweitrundeneffekte ist eine starke monetäre Lockerung nicht nur notwendig, sondern auch vertretbar. Allerdings wirkt selbst eine sofortige Zinssenkung erst mit einiger zeitlicher Verzögerung.
 Dieser Zeitraum muss durch eine anderweitige, sofort wirksame Konjunkturstützung überbrückt werden, um eine zwischenzeitliche Verschärfung der Krise zu vermeiden. Hier kommt der Finanzpolitik nun die entscheidende Rolle zu.

Regel Nr. 2: Es muss schnell gehandelt werden.

Haben sich erst die Erwartungen in Pessimismus verfestigt, fällt die Korrektur umso schwerer, die Krise dauert länger und erfordert einen höheren Mitteleinsatz.

Regel Nr. 3: Es muss koordiniert gehandelt werden.

Empfehlenswert ist daher, dass ECOFIN in Kooperation mit der EZB einen Beschluss fasst, dass jedes Mitgliedsland ein Prozent seines BIP für Konjunktur stabilisierende Maßnahmen einsetzt. Die Details obliegen jedem Mitgliedsland. Darüber hinaus müssen die automatischen Stabilisatoren in vollem Umfang wirken.
Der Abschwung ist unvermeidlich; er hat schon begonnen. Die Frage ist nur noch, wie tief er wird, und wie lang er anhält, wenn alle Staaten, insbesondere auch die Länder der EU, und vor allem der Eurozone nunmehr im Sinne einer wirtschaftspolitischen Globalisierung handeln. Das bedeutet, dass sie zum einen global die Finanzmärkte und zum zweiten jeweils national die Nachfrage stimulieren. Geschieht dies, kann das Jahr 2009 die Erholung bringen.

Weblinks
Offizielle Seite der Keynes-Gesellschaft
www.keynes-gesellschaft.de
Hans-Böckler-Stiftung
www.boeckler.de

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