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Großes Interesse für die von der Projektgruppe organisierte Podiumsdiskussion.

betriebsRATLOS

Schwerpunkt

Eine Projektgruppe des 58. Lehrgangs der Sozialakademie hat sich mit dem Rollenbild von BetriebsrätInnen auseinandergesetzt.

Der § 38 im ArbVG (Arbeitsverfassungsgesetz) lautet: »Die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes haben die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der ArbeitnehmerInnen im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern.« Das ist eine relativ plausible Definition dafür, welche Aufgaben ein Betriebsrat gegenüber der Belegschaft hat; aber eben nur »relativ« plausibel. Wir haben uns im Zuge unserer zehnmonatigen Ausbildung an der Sozialakademie in Mödling das Thema »betriebsRATLOS« als Projektarbeit vorgenommen und uns zum Ziel gesetzt, die Rolle von BetriebsrätInnen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu reflektieren.
Über Monate haben wir uns den Kopf zermartert, wie »BetriebsrätInnen für das 21. Jahrhundert« sein müssen, welche Qualifikationen sie besitzen müssen, welche sogenannten »social skills« erforderlich sind, welche Aufgabenbereiche sie haben, und wovon sie lieber die Finger lassen sollen.

Bis vor einigen Jahren war die Aufgabenteilung klar. Die ArbeitgeberInnen schafften den ArbeitnehmerInnen Arbeit an und diese wurde erledigt. Kam es dabei zu Missverständnissen oder Schwierigkeiten, war der Betriebsrat als »Retter in der Not« zur Stelle und vermittelte zwischen Unternehmensführung und Arbeitnehmerschaft. Auf dem Weg von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft hat sich die Rolle der Beschäftigten von weisungsabhängigen BefehlsempfängerInnen zu selbstständigen TeamarbeiterInnen gewandelt. Früher kümmerte sich der Betriebsrat um alle, heute soll er sich um jede/n Einzelne/n kümmern. Die Anliegen der ArbeitnehmerInnen sind von Betrieb zu Betrieb, von Abteilung zu Abteilung, ja sogar von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz höchst unterschiedlich.

Veränderte Arbeitswelt
Das ArbVG trat am 1. Juli 1974 in Kraft und wurde seither nicht mehr wesentlich verändert. Die Arbeitswelt hat sich aber umso mehr gewandelt. Wir verstehen darunter wirtschaftliche Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit still und heimlich eingestellt haben, oft auch übersehen oder nicht wahrgenommen wurden. Beispiele sind Globalisierung, neue Kommunikationstechnologien, Weiterbildung, geänderte Betriebsformen, Outsourcing, Restrukturierungen, Leasing-MitarbeiterInnen, Übertragen der Kosten- und Gewinnverantwortung auf die Beschäftigten, individualisierte Belegschaft, übergeordnete Betriebsratsgremien und noch vieles mehr.

Globalisierung geht alle an
Freilich meint man oft, dass die Globalisierung nur die »Big Player« betrifft und dieses Schlagwort für heimische Klein- und Mittelbetriebe wenig Bedeutung hat. Doch Preisdruck, Produktionskosten, Qualitätsanforderungen und Expansionen bzw. Fusionen stehen damit in Zusammenhang. Somit sind längst so gut wie alle Unternehmungen davon betroffen. Eine hohe Fluktuation bei Eigentümern und Geschäftsführern macht es in der Betriebsratsarbeit schier unmöglich, längerfristige Vorhaben zu verfolgen, da man sich ständig an neue Charaktere und Strategien gewöhnen muss.

Geringer Handlungsspielraum
Ein geringerer Handlungsspielraum lässt sich zum Teil auf die verschärften Konkurrenzverhältnisse innerhalb einer oder mehrerer Branchen zurückführen. BetriebsrätInnen bekommen immer öfter als Antwort auf ihre Forderungen, dass dafür kein Geld zur Verfügung stünde oder sie nicht umsetzbar wären. Und doch wäre vieles möglich, um den arbeitenden Menschen ein angenehmes Arbeiten und ausreichend Freizeit zu ermöglichen. Betriebsklima und MitarbeiterInnenzufriedenheit könnten verbessert, und gleichzeitig Fehlzeiten durch Krankenstände verringert werden. Oft ist der Betriebsrat auf sich allein und im Härtefall auch aufs Abstellgleis gestellt. Wahnwitzige Spekulationen und enorme Gewinnerwartungen sind für die betriebliche Interessenvertretung ebenso schädlich wie der »große Ausverkauf« staatlicher Unternehmen in den vergangenen Jahren, deren Verkäufe in sozialer wie wirtschaftlicher Hinsicht oft nicht nachvollziehbar sind.

Immer öfter werden innerbetriebliche Wertschöpfungsketten oder sogenannte »Business Units« geschaffen. Eine solche Aufteilung eines Unternehmens in viele Einzelunternehmen ist eigentlich schon pervers. Das Unternehmerrisiko wird auf BereichsleiterInnen abgewälzt. Der interne Konkurrenzdruck, besser als die anderen Abteilungen dazustehen, wächst. Nicht nur in Österreich wirken sich wechselnde Umfeldbedingungen für ein Unternehmen auf sehr viele andere Unternehmen aus (Zulieferer, Konkurrenz usw.). Somit ergibt sich eine Art Billardkugel-Effekt. Betroffen sind aber immer ArbeitnehmerInnen, und deren Interessen werden vom Betriebsrat vertreten.

Atypische Beschäftigung
Atypische Beschäftigungsformen nehmen zu. Der Trend geht weg von der »sicheren« klassischen Beschäftigung zu freien DienstnehmerInnen und ähnlichem. Diese neuen Beschäftigten sind also keine BefehlsempfängerInnen mehr, sondern eigenverantwortliche und selbstbestimmte »ManagerInnen«.
Das macht es aber notwendig, die Betriebsratsarbeit neu auszurichten. Der bzw. die Vorsitzende kann nicht mehr sozusagen im »Alleingang« den Betriebsrat nach außen wie nach innen vertreten. Aufgrund der Erweiterungen des Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsbereiches ist es wichtig, dass die Betriebsratskörperschaft als Team an einem Strang zieht - und zwar jede/r Einzelne an jener Stelle, an der er/sie am effizientesten und besten ist. So könnte z. B. jemand aus der Buchhaltung für den Betriebsratsfonds zuständig sein, ein Organisationstalent sich um Veranstaltungen kümmern etc. Am besten wäre, aus jedem Bereich des Unternehmens ein Mitglied ins Boot zu holen, um so die gesamte Belegschaft zu erreichen.

Für Betriebsräte ergibt sich ein ganz neues Bild der betrieblichen Interessenvertretung. Konnte man früher gemeinsam etwas durchsetzen, was offensichtlich allen zugute kam, muss der Betriebsrat heute oft ArbeitnehmerInnen vor sich selbst schützen. Wenn sie z. B. zu viele Überstunden leisten. Das bringt zwar mehr Geld, birgt aber auch das Risiko von Burn-out. Die Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen muss mit Arbeitszeitmodellen oder ähnlichem auf dieses Gleichgewicht achten. Dabei geht es nicht um Bevormundung, sondern vielmehr um Schutz.

Starker Wandel
Die betriebliche Interessenvertretung hat sich stark gewandelt. Die veränderten Rahmenbedingungen in der Wirtschaft wirken sich auf die Unternehmungen aus. Sie hinterlassen für ArbeitnehmerInnen und BetriebsrätInnen spürbare Wirkung. Ein neues Rollenbild für BetriebsrätInnen entsteht und muss entstehen.

Diese neue Situation für die Belegschaftsvertretung nahmen wir zum Anlass, und luden am 10. Juni 2008 zu einer Diskussion in der Sozialakademie. Unter dem Titel »betriebsRATLOS« sprachen Wilhelm Haberzettl (Gewerkschaft vida), Barbara Budweis (Manpower), Werner Luksch (Mobilkom), Ingrid Stipanovsky (Novartis), Georg Michenthaler (IFES) und Marco Samhaber (Sozialakademie) über ihre Erfahrungen sowie die Aufgaben und Visionen der Betriebsratarbeit. Diese Veranstaltung wurde mitgefilmt und in einen etwa halbstündigen Mitschnitt auf DVD verwandelt.

Die Schlüsse
Die wichtigsten Ergebnisse unserer Projektarbeit und der Diskussion: Um der Zeit und den Bedürfnissen angemessene Betriebsratsarbeit zu leisten ist es wichtig, das Unternehmen und dessen Kultur genau zu kennen, Erfahrungen zu sammeln und auch eine fundierte und hochkarätige Ausbildung zu haben. Hierfür gibt es in der Gewerkschaftsbewegung zahlreiche Möglichkeiten. So zum Beispiel die Gewerkschaftsschulen, BetriebsrätInnenakademie, Zukunftsakademie und Sozialakademie. Aufgrund eigener Erfahrung kann unser Projektteam nur bestätigen, wie hervorragend und wichtig eine fundierte und weit gefächerte Ausbildung ist, wie wir sie auf der Sozak in Mödling genießen durften. Dafür soll und muss Geld und Arbeit investiert werden, um den dort vorhandenen hohen Standard zu wahren und auszubauen. Wo wenn nicht dort werden BetriebsrätInnen auf allerhöchstem Niveau auf die Zukunft vorbereitet?!

INFO&NEWS
Die DVD zur Diskussion »betriebsRATLOS« erhalten Sie bei
manuel.lehner@gpa-djp.at

WEBLINKS
Mehr Infos unter:
www.betriebsraete.at

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Schreiben Sie Ihre Meinung
an den Autor
manuel.lehner@gpa-djp.at
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