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Foto | Paul Sturm Petra Ziegler: »Die Dominanz der Finanzmärkte, die Herausbildung immer größerer Spekulationsblasen sind auch das Ergebnis jahrzehntelanger Ungleichverteilung.«
Attac (Hg.): Crash statt Cash - Warum wir die globalen Finanzmärkte bändigen müssen.

Der große Crash

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

»Crash statt Cash« prognostiziert ATTAC in einem topaktuellen Buch und erklärt, warum wir die globalen Finanzmärkte bändigen müssen.

Die Schätzungen über die weltweiten Kosten der Finanzkrise liegen mittlerweile im astronomischen Bereich. Im Zentrum des US-Finanzkapitalismus, der Wall Street, ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Die großen Investmentbanken sind Geschichte. Auf die Not-Verstaatlichung der Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac folgte die Übernahme von 80 Prozent des ehemals weltweit größten Versicherers AIG. Aus Angst vor einer weiteren Kettenreaktion sah sich die US-Notenbank zu diesem Schritt gezwungen. Mit der Bausparkasse Washington Mutual kollabierte zuletzt der bereits dreizehnte US-Bankenriese in Folge. Während die USA mit Milliarden an Steuergeldern den Aufkauf fauler Kredite planen, beginnen die Banken in Europa zu wanken.

Kettenreaktion

Was mit Zahlungsausfällen im amerikanischen Subprime-Hypothekensektor seinen Anfang nahm, wirkt in Schockwellen um den gesamten Globus. Längst sind Russland und weite Teile Asiens involviert. Wie so oft in Zeiten wachsender wirtschaftlicher Instabilität werden große Mengen an Kapital aus den Schwellenländern abgezogen. Obwohl in keiner Weise an den Ursachen des Konjunkturabschwungs beteiligt, werden die Menschen in den betroffenen Gebieten einmal mehr zu Leidtragenden.
In den USA und in Europa schwächt die Krise zunehmend bislang solide Institute, außerhalb des Bankensektors geraten aufgrund der rigider werdenden Kreditvergabe immer mehr Industriebetriebe unter Druck. Mit den Worten »Millionen Amerikaner könnten ihren Arbeitsplatz verlieren«, warb Präsident Bush in einem dramatischen Appell für das rund 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket der US-Regierung. Der Chef des Internationalen Währungsfonds warnt vor einem langfristigen Abschwung der Weltwirtschaft, der deutsche Finanzminister erwartet »überaus negative Auswirkungen« auf die Konjunktur und die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Von den USA über Europa bis Asien werden die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert, eine weltweite Rezession wird immer wahrscheinlicher.
Lange Zeit wurde die Krise massiv unterschätzt, erst im Verlauf des Sommers mehrten sich die Stimmen, die vor massiven Folgen für die Weltwirtschaft warnten, Vergleiche mit der Depression der 30er Jahre wurden laut.
Diejenigen, die stets die Effizienz liberalisierter Märkte gepredigt haben, sind kleinlaut geworden. Statt auf die »unsichtbare Hand« vertrauen angesichts der Situation auf den Finanzmärkten selbst eingefleischte Börsianer lieber auf die schützende Hand des Staates. Hier zeigt sich ein altbewährtes Muster: Verluste aus den Spekulationsgeschäften sollen von der Allgemeinheit aufgefangen werden, die zuvor eingefahrenen Gewinne bleiben in privaten Taschen.

Krise im System

Kaum einmal drei Jahre vergingen seit der Liberalisierung der Finanzmärkte und der Freigabe des internationalen Kapitalverkehrs ohne gröbere Krise. In der Vergangenheit forderte der globale Kapitalmarkt dabei seine Opfer vorrangig an der Peripherie. Neu ist, dass das Epizentrum des Crash direkt an der Wall Street liegt.
Die Logik der Finanzmärkte, die kurzfristige Jagd nach hohen Renditen, gab in den letzten 30 Jahren zunehmend die Rahmenbedingungen für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vor. Der völlig freie Kapitalverkehr erwies sich dabei als hervorragendes Instrument, die Interessen der Konzerne und Kapitaleigner durchzusetzen.
Die Drohung mit Arbeitsplatzverlagerung machte die Nationalstaaten erpressbar. Der »Standortwettbewerb« wird zum einen via Steuerwettbewerb ausgetragen, im Bereich der Unternehmensbesteuerung wurde innerhalb der EU ein regelrechter Dumpingwettbewerb entfacht. Zum anderen putzen sich die Standorte heraus, um für die Vermögen attraktiv zu sein. Das bedeutet in aller Regel: hohe Zinsen, kaum Steuern auf Vermögen, ein schlanker Staatshaushalt und nicht zuletzt Zurückhaltung bei den Löhnen. Einer relativ kleinen Gruppe gelang es so, immer größere Vermögen anzuhäufen, während die Reallöhne der großen Mehrheit stagnierten oder gar rückläufig waren.

Radikaler Umbau notwendig

Verantwortlich für diese Entwicklungen ist die Politik der Deregulierung seit den 1970er Jahren. Es liegt in der Hand der politischen Entscheidungsträger, die Spielregeln erneut zu ändern und effektive Regulierungen umzusetzen. Die Vorschläge dafür liegen längst auf dem Tisch.
Der Ruf nach Kontrolle der Finanzmärkte stand am Beginn von Attac. Seit Jahren fordern Globalisierungskritiker und Ökonomen außerhalb des Mainstreams die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen. Damit soll die Spekulation eingedämmt und die Kurzfristorientierung der Märkte verringert werden. Globalisierte Finanzmärkte brauchen globale politische Regulierung. Ebenso alt wie dringlich ist daher die Forderung nach Einrichtung einer internationalen Aufsichtsbehörde. In den vergangenen Jahrzehnten wurden Finanzgeschäfte zunehmend außerhalb der Reichweite nationaler Bankenaufsichten abgewickelt.

Schritt zur Stabilisierung

Die Schließung dieser »rechtsfreien« Zonen bzw. wirtschaftliche Sanktionen gegen Steueroasen wären ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems. Banken und Fonds müssen wieder wirkungsvoll reguliert, Finanzprodukte (etwa Derivate), ähnlich wie Medikamente, einer Zulassungspflicht unterworfen werden - unabhängige, öffentliche Rating-Agenturen könnten diese Aufgabe übernehmen. Kapitalanlagegesellschaften (Hegde- und Private-Equity-Fonds) sollten EU-weit einheitlich geregelt werden, sie sollten für ihre Spekulationsgeschäfte keine Kredite erhalten dürfen. Das Verursacher-Prinzip muss auch auf Schäden, die durch die Finanzmarktakteure ausgelöst werden, ausgedehnt werden.
Die Dominanz der Finanzmärkte, die Herausbildung immer größerer Spekulationsblasen sind auch das Ergebnis jahrzehntelanger Ungleichverteilung. Während das explodierende Kapital auf der Suche nach immer wahnwitzigeren Renditen immer wahnwitzigere Risiken einging, fehlen ebendiese Gelder für reale Investitionen, für Ausgaben in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur. Demokratische Politik darf sich nicht länger von den Finanzmärkten die Regeln diktieren lassen, sondern muss selbst den Rahmen vorgeben. Die Finanzmärkte müssen auf ihre eigentliche Aufgabe, die Finanzierung der Realwirtschaft, zurückgeführt werden. Leider zielen die bisherigen Vorschläge auf internationaler und EU-Ebene vorrangig auf Schadensbegrenzung. Ob eine wirklich substanzielle Veränderung in der Architektur der internationalen Finanzmärkte erreicht werden kann, wird freilich auch vom öffentlichen Druck von uns allen abhängen. Argumentationshilfe dafür bietet das neue Buch von Attac Östereich »Crash statt Cash - Warum wir die globalen Finanzmärkte bändigen müssen.«

Alternativen für stabile Finanzmärkte

Beginnend mit einer Analyse der historischen Entwicklung, zeigt das Buch die zunehmende Verselbstständigung der Finanzmärkte seit der Liberalisierung und die Mechanismen, über die Finanzmärkte zur zunehmenden sozialen Ungleichheit und zur wirtschaftlichen Ineffizienz beitragen. Die einzelnen Beiträge beleuchten die Rolle mächtiger Fonds und die Machtverschiebung zugunsten der Aktienbesitzer (Shareholder) sowie die Folgen und Risiken der Verlagerung der öffentlichen Pensionssysteme auf die Finanzmärkte. Anhand der »Mechanik der aktuellen Immobilienkrise« wird deutlich, dass Krisen ein integraler Bestandteil deregulierter Finanzmärkte sind und einem gemeinsamen Grundmuster folgen.
Der letzte Abschnitt widmet sich ausführlich den Alternativen. Neben einer Palette von Vorschlägen zur Re-Regulierung werden auch notwendige Maßnahmen im Bereich der Steuerpolitik und der gesamtgesellschaftlichen Umverteilung benannt. Keine der vorgeschlagenen Maßnahmen ist das Wundermittel, das die Lösung aller Probleme verspricht, aber jede für sich ist ein Schritt zu einer wirtschaftlich effizienteren und sozial gerechteren Gestaltung der Finanzmärkte.

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