topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Foto | Paul Sturm Mobbing ist immer zielgerichtet und hat Methode. Es geht darum, jemanden zu entfernen. Auch Unterwerfungsgesten des Gemobbten helfen nichts.

Ausgegrenzt und isoliert

Schwerpunkt

Nicht alles was einem die Arbeit vermiest, ist Mobbing. Aber es kommt immer öfter vor. Und hat schreckliche Folgen.

Die Kollegin schneidet mich an der Kaffeemaschine. Niemand will mit mir in die Kantine gehen. Anrufe werden nicht ausgerichtet. Unterlagen verschwinden scheinbar. Hinter meinem Rücken wird getuschelt. Es ist Sand im Getriebe. Jede Aktion für sich genommen ist zwar nicht nett und auch nicht professionell, kann aber vorkommen und ist vielleicht nur Ausdruck eines schlechten Betriebsklimas oder eines unaufgearbeiteten Konfliktes.

»Es hat alles ganz harmlos angefangen«, berichtet eine, die selbst Opfer war: »Irgendwie sind Zettel mit Nachrichten verschwunden, und ich bin daher immer öfter mit meiner Arbeit nicht zeitgerecht fertig gewesen oder habe Fehler gemacht, aber ich dachte, das war nur ein Versehen.« Die Fehler häuften sich, niemand in der Abteilung half, niemand gab Auskunft. Die gemobbte Frau S. fing an, sich einzuigeln und auf Ansprache heftig zu reagieren. Die Zimmerkollegin verlangte mit einer Ausrede bei passender Gelegenheit ihre Versetzung in ein anderes Zimmer. Der Bitte wurde stattgegeben. Jetzt saß Frau S. allein im Zimmer und war noch mehr vom Informationsfluss und jeglichem Kontakt zu den KollegInnen abgeschnitten. Das war der Zeitpunkt als sich die Migräneanfälle häuften, und die Schilddrüse verrückt zu spielen begann. Frau S. wurde immer öfter krankgeschrieben und begann Fehler zu machen, die nicht ohne Folgen blieben,

Mobbing hat Methode

Statt spätestens jetzt zum Betriebsrat oder Vorgesetzten zu gehen, igelte S. sich ein, hatte noch weniger Kontakt und auch bei unbeteiligten KollegInnen eine »schlechte Nachred«. Erst nach ihrer Kündigung wandte sie sich an eine Beratungsstelle und arbeitete das Geschehen auf. Geblieben ist ein labiler Gesundheitszustand und die Erfahrung, dass es schon reichte, im privaten Gespräch nicht immer mit dem Strom geschwommen zu sein. Sie wurde zum Opfer, weil sie andere Interessen und Vorlieben hatte als die anderen KollegInnen und das auch artikulierte.

Dr. Brigitte Schmiedl-Mohl, seit 1992 mit dem Phänomen Mobbing befasst, sieht genau hier einen entscheidenden Unterschied zu anderen unfreundlichen Vorkommnissen am Arbeitsplatz und auch zum sogenannten eskalierten Konflikt, bei dem beide Seiten verlieren: »Mobbing ist immer zielgerichtet und hat Methode. Es geht darum, jemanden zu entfernen. Auch ›Unterwerfungsgesten‹ des Gemobbten helfen nichts. Letztendlich gewinnt eine Seite und die andere verliert.« Die Folgen des Mobbings sind für die Betroffenen verheerend: »Das Spektrum ist sehr breit und da Mobbing immer starke Persönlichkeiten trifft, halten es viele auch sehr lange aus. Ich kenne Fälle, da hat das Mobbing acht Jahre gedauert.« Die Expertin: »Das Spektrum der gesundheitlichen Störungen ist breit: Meist beginnt es mit einer akuten Belastungsreaktion, manche Menschen sind wie starr vor Entsetzen, wenn sie begreifen, was ihnen da widerfährt, manche kippen in nahezu ›hysterische‹ Verhaltensweisen.« Klassisch sind Schlafstörungen. In den durchwachten Nächten gehen die  Opfer das Geschehen immer wieder in Gedanken durch und suchen einen Ausweg. Dieser Schlafentzug zehrt zusätzlich an den Ressourcen. Wer bis hierher noch keine Fehler gemacht hat, wird nun beginnen welche zu machen.

In der Mobbingfalle

Nach und nach eskaliert die Lage und das Opfer hat immer weniger Kontakte im Beruf - die totale Isolation beginnt: »Mit der Zeit reagieren die Opfer schon auf kleine Reize enorm.« Dazu kommen für die meisten Menschen, die in die Mobbingfalle geraten sind, Alpträume. Viele Opfer entwickeln im Laufe des Mobbingverlaufs Depressionen oft mit extremen Panikattacken oder anderen Angststörungen kombiniert. Was wie eine Reise durch ein psychologisches Lehrbuch klingt, ist nur ein Ausschnitt aus dem unsäglichen Leid, das Mobbingopfern und ihren Familien zugefügt wird. Denn dass bei derartigen Verläufen Partnerschaften zerbrechen und Kinder leiden können, liegt auf der Hand. Neben psychischen Schäden zeigen sich mit Fortdauer des Mobbings auch schwere Erkrankungen, wie Hochdruckerkrankungen, Diabetes und anderes. »Wenn ein Mobbingverlauf bis zum Ende geführt wird, dann entstehen beim Opfer so gut wie immer Spätschäden in körperlicher wie auch in psychopathologischer Sicht.«

Auffällig ist, dass Mobbing häufiger im öffentlichen Dienst und in solchen Bereichen auftritt, in denen ein geringeres Kostenbewusstsein in der Leitungsebene herrscht: »Richtiges Mobbing ist ein Fulltime-Job, der der eigentlichen Arbeit abgeht. Mobbing kostet die Firmen vom ersten Tag an viel Geld.« Das sei auch ein Grund, so Dr. Schmiedl-Mohl, warum in privatwirtschaftlichen Unternehmen Mobbing immer nur zeitlich sehr begrenzt vorkommt: »Das wird von Firmenleitungen manchmal ›zugelassen‹, wenn zum Beispiel Unternehmen oder Abteilungen zusammengelegt werden und man damit spekuliert, dass Einzelne nicht ins Team passen und daher entfernt werden.« Danach wird das aber ganz schnell und sehr radikal beendet.

Wo es aber keine klare Kostenrechnung gibt, kommt Mobbing immer wieder vor, wenn jemand nicht ins Team zu passen scheint, sich die politischen Verhältnisse ändern, Änderungen schlecht gemanagt werden, oder wenn Jobverlust droht und keine schnelle und klare Kommunikation von oben erfolgt.

Bewusstsein entwickeln

In Skandinavien und Frankreich steht Mobbing unter Strafe. In Österreich gibt es diesen Tatbestand in den Gesetzesbüchern nicht, allerdings kann man bei gut dokumentierten Mobbingverläufen den Dienstgeber, der es zugelassen bzw. nicht verhindert hat - und somit seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen war -, zur Verantwortung ziehen. Vor den Gerichten Recht zu bekommen, ist für Mobbingopfer allerdings alles andere als leicht.

Verbessern kann sich das Klima in Unternehmen und Organisationen nur dann, wenn Vorgesetzte ein Bewusstsein entwickeln, dass Mobbing auch in ihrem Unternehmen auftreten kann und sofort darauf reagieren. Die Botschaft muss klar sein: Mobbing wird nicht geduldet und hat Folgen für die, die mobben. Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, ist es wichtig, auch erste Anzeichen ernst zu nehmen: »Auch Dahingesagtes wie ›den mach ma fertig‹ oder ›die muss weg‹ muss man ernst nehmen«, so Schmiedl-Mohl und sie betont: »Jeder kann zumindest Mitläufer werden, weil so gut wie jeder in so einer Situation Angst hat, selbst zum Opfer zu werden.«

Opfer können am Anfang eines Mobbingverlaufs noch etwas tun, um das Ruder herumzureißen: sich dem Betriebsrat oder, falls nicht vorhanden, dem Vorgesetzten anvertrauen, von Anfang an ein Mobbingtagebuch führen, im dem alle Vorkommnisse dokumentiert werden (ist auch im Fall gerichtlicher Verfahren als Beweismittel hilfreich) oder sich an eine der Hilfsorganisationen wenden. Um nicht total zusammenzubrechen, sollten sie sich in der Freizeit ausgiebig einem entspannenden Hobby widmen: Gartenarbeit und Spaziergänge in der Natur helfen ebenso wie Sport, Stress abzubauen und füllen die leeren Speicher - zumindest vorübergehend - wieder auf.

INFO&NEWS
Wie erkenne ich Mobbing

Der Arbeitspsychologe Heinz Leymann hat folgende Kennzeichen festgelegt:
• Die Schikanen passieren mindestens einmal pro Woche
• Die Situation zieht sich mindestens über ein halbes Jahr hin
• Die Schikane erfolgt nicht zufällig, sondern geplant
• Das Opfer kann sich nur ungenügend wehren
• Mobbing ist gezielt gerichtet

WEBLINKS
Mehr Infos unter:
ÖGB-Mobbingberatung:
www.oegb.at/
Arbeiterkammer FAQ zum Thema Mobbing
www.arbeiterkammer.at/www-413-IP-938-AD-938.html
Hier gibt es Hilfe
www.mobbing.fida-taumer.at/mbstellen.htm
Netzwerk gegen Mobbing:
www.mobnet.at/

KONTAKT
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Autorin
d.gordon@ideenmanufactur.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum