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Foto | Paul Sturm Der hohe Stressfaktor ist für die Beschäftigten nicht nur unangenehm, sondern hat für viele ernsthafte Auswirkungen: Sie leiden an Gesundheitsproblemen.

Unter Konkurrenzdruck

Schwerpunkt

Beschäftigte in der Telekommunikations-Branche erkranken überdurchschnittlich oft an Burn-out. Mitverantwortlich ist der Kampf um Kunden/Kundinnen.

Die KonsumentInnen freuen sich. Wenn man glaubt, billiger geht jetzt aber wirklich nicht mehr, kommt ein neues Dumping-Angebot und Telefonieren wird noch billiger. Kein Wunder, denn mittlerweile gibt es kaum noch Menschen zwischen acht und 80, die kein Mobiltelefon besitzen.

Der Mobilfunkmarkt in Europa ist längst gesättigt. Neue Kundschaft gewinnt man nur noch, indem man die Preise der Konkurrenz unterbietet. Der beinharte Kampf zwischen den Anbietern geht auch an den MitarbeiterInnen nicht spurlos vorüber. »Die Arbeitsbedingungen unter dem extremen Wettbewerbsdruck in der Telekom-Branche machen die Beschäftigten krank«, formulieren es mobilkom-Betriebsratschef Werner Luksch und der Obmann des Zentralbetriebsrats von T-Mobile, Johannes Hofmeister.

Arbeitszeitgesetz nicht eingehalten

Was Gewerkschaften und BetriebsrätInnen schon lange vermuten, bestätigt nun eine Umfrage des Instituts für Empirische Sozialforschung (IFES). Die Ergebnisse sind alarmierend: Die Häufigkeit, mit der MitarbeiterInnen der Telekom-Unternehmen über burn-out-artige Beschwerden klagen, liegt um ein Vielfaches über dem allgemeinen Gesundheitsmonitor der AK Oberösterreich. Die ArbeitnehmerInnen in den Telekomunternehmen stehen unter enormen Arbeitsdruck. Zeit zum Ausspannen bleibt kaum, stattdessen ist Mehrarbeit an der Tagesordnung. Für rund ein Viertel aller Beschäftigten in der Telekom-Branche sind zwei oder sogar mehr Zehn-Stunden-Tage in der Woche die Regel. Fast die Hälfte arbeitet zumindest einmal in der Woche länger als zehn Stunden. Damit wird in den Telekom-Unternehmen das Arbeitszeitgesetz fortlaufend gebrochen. Mit mehr als 42 Stunden im Schnitt arbeiten Telekom-Beschäftigte rund fünf Stunden mehr als ArbeitnehmerInnen in Österreich generell. Für viele von ihnen ist die Arbeitszeit auch schwer berechenbar. Etwa 20 Prozent der Befragten klagen über unregelmäßige Arbeitszeiten.

Stressintensive Arbeit

Zu den Mehrstunden kommt, dass die Tätigkeit selbst oft als belastend wahrgenommen wird. Stress ist an der Tagesordnung. Zwar ist knapp die Hälfte der Beschäftigten in der Branche mit dem Arbeitsumfang zufrieden, bei der Arbeitsbelastung herrscht hingegen eine hohe Unzufriedenheit. Jede/r zweite Beschäftigte klagt über sehr starken oder starken Stress, hervorgerufen durch technische Probleme. Ein knappes Drittel meint, oft seien die Zeitvorgaben zur Erfüllung der gestellten Aufgaben einfach zu knapp. Neben Stress durch technische Probleme und Zeitdruck wird auch die ununterbrochene Bildschirmarbeit als krankmachend empfunden. Etwa die Hälfte der Befragten empfindet diese Belastung als stark oder sehr stark. Ein Drittel fühlt sich besonders unter Druck gesetzt durch die Notwendigkeit, sich permanent zu konzentrieren.

Erhebliche Gesundheitsprobleme

Der hohe Stressfaktor ist für die Beschäftigten nicht nur unangenehm, sondern hat für viele ernsthafte Auswirkungen: Sie leiden an Gesundheitsproblemen. Die Werte liegen hier zum Teil erheblich über denen des aktuellen Gesundheitsmonitors, einer repräsentativen Erhebung über die Gesundheitsprobleme aller ArbeitnehmerInnen Österreichs. Besonders häufig klagen die Befragten über Beschwerden durch Muskelverspannungen im Schulterbereich. Die Hälfte aller Beschäftigten ist davon betroffen. Im Vergleich dazu liegt dieser Wert im allgemeinen Gesundheitsmonitor nur bei 14 Prozent. Auch Rücken- und Kreuzschmerzen sind unter den BildschirmarbeiterInnen der Handy-Branche überdurchschnittlich weit verbreitet. 37 Prozent der Befragten leiden darunter. (Monitor: 16 Prozent). Fast ein Drittel der MitarbeiterInnen leidet zudem an Augenproblemen (Monitor: vier Prozent). Dazu kommen verstärkt Kopfschmerzen und Migräne: 23 Prozent (Monitor: acht Prozent), Erschöpfung, Mattigkeit, rasche Ermüdung und Niedergeschlagenheit: 41 Prozent (Monitor: acht Prozent). Besonders besorgniserregend ist, dass auch Burn-out-Symptome übermäßig stark verbreitet sind. Etwa ein Drittel fühlt sich von der Arbeit ausgelaugt, abends verbraucht oder müde und abgespannt (Monitor: etwa 15 Prozent).

Einkommen nicht leistungsgerecht

Wer unter Hochdruck und auf Kosten der eigenen Gesundheit arbeitet und regelmäßig Mehrstunden leistet, möchte zumindest ordentlich bezahlt werden. So empfinden das auch die Beschäftigten in der Telekommunikation. Angesichts ihrer Kompetenz und der stressintensiven Arbeit fühlen sich zwei Drittel der Beschäftigten nicht angemessen entlohnt.

Wenn der Markt gesättigt ist, wird aus dem Konkurrenzkampf der Unternehmen leicht ein Überlebenskampf und ein beinharter Verdrängungswettbewerb. Das wissen auch die Beschäftigten in der Telekom-Branche. Fast die Hälfte von ihnen sorgt sich daher um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Auch die Hoffnung, dass sich diese Situation entspannen könnte, ist gering. Nur 16 Prozent rechnen damit, dass ihre Arbeitsplätze in Zukunft sicherer sein werden. Ganz im Gegenteil: Jede/r Zweite ist sicher, dass der jetzt schon hohe Arbeitsstress weiter zunehmen wird. Mit verbesserten Aufstiegsmöglichkeiten und wachsender Einflussnahme auf das Arbeitsgeschehen rechnet nur jede/r Vierte.

Vertrauensdefizit

Wer mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden ist und um den Arbeitsplatz fürchtet, verliert am Ende oft das Vertrauen in den/die ArbeitgeberIn. Jede/r dritte Beschäftigte der Telekombranche misstraut der Geschäftsführung. Ganz oder einigermaßen zufrieden ist nur ein Drittel. Nicht als Verantwortliche, sondern offenbar als selbst Betroffene werden die unmittelbar Vorgesetzten wahrgenommen. Mit ihnen sind fast zwei Drittel sehr oder einigermaßen zufrieden.

Für die BetriebsrätInnen der Telekomunternehmen ist die Situation klar. Das Management sei gefordert, hier Abhilfe zu schaffen, sagen sie und fordern Schutz der Gesundheit und mehr Personal: »Wenn die Geschäftsführungen die Ergebnisse der Befragung ernst nehmen, dann müssen sie zunächst einmal dafür sorgen, dass das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird.« Mehr und regelmäßigere Überprüfungen durch die Behörden könnten dazu beitragen, die Verstöße abzustellen. Gleichzeitig könne es nicht sein, dass die MitarbeiterInnen den Wettbewerbsdruck ausbaden müssen, und die gleiche Arbeit auf immer weniger Köpfe aufgeteilt wird. Wenn die Arbeit in der Telekom-Branche nicht krank machen soll, dann brauchen die Unternehmen mehr MitarbeiterInnen. Als berechtigt und als Auftrag für die kommende Lohn- und Gehaltsrunde sehen sie auch die Einkommensforderungen der Beschäftigten. Leistungsgerechte Löhne werden daher eine zentrale Forderung von BetriebsrätInnen und Gewerkschaft sein. Insgesamt sehen sie ihre schon bisher vertretenen Verhandlungspositionen gestärkt.

Die Unsicherheiten wirken sich auch nachteilig auf die Unternehmen aus. Sie führen zu starker Personalfluktuation, die mit hohen Kosten für die Unternehmen verbunden ist, weil Ausbildungsleistungen und Imagewerte verloren gehen. Nur eine Belegschaft, die an die Zukunft des Unternehmens und die Qualität des Managements glaubt, bringt kontinuierlich hohe Leistungen. Es muss daher auch im Interesse der ManagerInnen aller Telekom-Unternehmungen liegen, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern und eine Kommunikationskultur des Vertrauens zu schaffen.

BUCHTIPPS
Jürgen Tenckhoff
Alter(n) in globalen Unternehmen der Telekommunikationsbranche
Aus der Reihe:
»Gesellschaft und Kommunikation. Soziologische Studien«
LIT Verlag, EUR 34,90
ISBN-10:
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ÖGB-Fachbuchhandlung, 1010 Wien, Rathausstr. 21,
Tel.: (01) 405 49 98-132
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