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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Unter Druck

Meinung

Es fühlte sich an, als würde sich mein Magen zur Faust ballen und kurz darauf bittere Galle meine Kehle hinauf pressen. Fast ein Jahr lang wurde ich Montag bis Freitag noch vor dem Weckerläuten von diesem Gefühl geweckt. Bis ich kündigte und die Symptome von heute auf morgen verschwanden.

An meinem damaligen Arbeitsplatz wechselten sich Unter- und Überforderung ab. Das hing auch damit zusammen, dass ich mir neue Arbeitsgebiete suchte, wenn ich zu viel Zeit hatte, und sie zu Ende brachte, selbst wenn die Zeit knapp wurde. Der Lohn waren oft Neid und Missgunst. Gelobt wurde nie.

Unterwegs ins Burn-out

Das Betriebsklima war nicht das Beste. Eine Kollegin wurde in Ansätzen gemobbt. Ich tat nicht mit, konnte, wollte oder wagte es aber nicht, ihr zu helfen. Mir selbst blieb dieses Schicksal erspart, wohl weil ich die Kollegen regelmäßig zum täglichen Bier nach Feierabend begleitete - aus dem auch einmal zwei oder drei wurden, begleitet von Monologen. Ich hörte zu und bemühte mich da und dort um Lösungen. Verändert hat sich nichts. Nur mir ging es schlechter. Jede Grippe erwischte mich.

Auch bei Freundeskreis und Familie konnte ich nicht wirklich auf Unterstützung hoffen. Sie hatten kein Verständnis für meine Arbeit - und auch kein Ohr für mein Gejammer. Irgendwann hörte ich auf zu erzählen. Bei neuen Bekannten vermied ich es, über meinen Job zu sprechen. Mein Selbstwertgefühl sank, mein Zynismus stieg. Ich fühlte mich leer. Das, wofür ich mich begeistert hatte, wofür ich gebrannt hatte, erschien mir wertlos. Als schließlich von mir sehr geschätzte Kolleginnen die Firma verließen, zögerte ich nicht, das Angebot zur Veränderung anzunehmen.

Es hat lange gedauert, bis ich begriff, dass ich damals schon bis über die Knie im Burn-out war. Erst Jahre später habe ich in meiner Arbeit mit BetriebsrätInnen die Symptome wiedererkannt: Feuer und Asche. Auch sie waren für ihren Beruf und für ihre Berufung entflammt. Wenn die Anerkennung ausbleibt und das Selbstwertgefühl in den Keller sackt, ist das Risiko auszubrennen sehr hoch. Dann reicht oft nur ein Windstoß - ein Problem in der Familie, ein Unfall - und sie verbrennen. Burn-out.

Prävention spart Geld

Arbeit ist kein Zuckerlecken. Sie ist körperlich, geistig und/oder seelisch anstrengend. Arbeit kann krank machen. Muss sie aber nicht. Die Gewerkschaftsbewegung hat sich schon früh für den Schutz der ArbeitnehmerInnen eingesetzt. Gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern setzt sie auf Prävention. Und so wie heute Schutzbekleidung in vielen Berufen unumgänglich ist, können wir uns auch gegen die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz rechtzeitig wappnen. Das zu verabsäumen kostet uns alle Millionen. Denn wer krank ist, kann nicht arbeiten und verursacht dem Gesundheits- und Pensionssystem Kosten.

Während aber die körperlichen Belastungen durch Arbeit in den letzten 15 Jahren fast gleich geblieben sind, steigen die psychischen. Grund dafür sind Arbeitstempo und -druck, die stetig wachsen. Und mit der raschen Zunahme der Kommunikationsmöglichkeiten nimmt die direkte Kommunikation ab. »Wir fragen zu selten ernsthaft nach, wie es jemandem geht, und wir sagen zu selten Danke«, meint der Kriminalpsychologe Thomas Müller.

Wir haben die Wahl

Unter Hochdruck stehen derzeit ja auch die PolitikerInnen und deren WahlhelferInnen. Der Wahlkampf bedeutet für sie Stress und konfliktfrei ist der Arbeitsplatz ersterer auch nicht unbedingt. Sonst hätten wir wohl keine Neuwahlen. Diese Männer und Frauen werden in den kommenden vier Jahren über unsere Arbeitsplätze mitentscheiden, sie werden unsere Arbeitswelt durch Gesetze und Vorgaben mitgestalten. Aber vorher müssen sie von uns gewählt werden.

Das Leben ist keine Aneinanderreihung von Schicksalsschlägen, wie es uns immer dann erscheinen mag, wenn wir besonders unter Druck stehen. Dann sollten wir ausatmen, innerlich einen Schritt zur Seite gehen und uns bewusst werden, dass es an uns ist, Entscheidungen zu treffen: Wir sind verantwortlich für unser Selbstwertgefühl, indem wir unsere Werte leben und unser Leben wertvoll gestalten. Wenn wir um Hilfe fragen, bekommen wir sie meistens. Wir haben in unserer demokratischen Gesellschaft immer wieder die Wahl, nicht nur am 28. September. Wir können unsere Welt täglich verändern, durch engagiertes Eintreten für unsere Werte, aber auch durch ein Lächeln von Zeit zu Zeit, durch die Frage »Wie geht es dir?« und durch ein Danke, wenn jemand seinen Job gut gemacht hat.

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