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Fotos | Paul Sturm Die oft von den Arbeitskräfteüberlassern mit den Zeitarbeitskräften vereinbarte Geheimhaltungsklausel über das Entgelt lässt vieles im Dunkeln.

Zeitarbeit

Schwerpunkt

Eine Branche, in der die Anzahl der Beschäftigten jährlich im zweistelligen Prozentbereich zunimmt? Ja, die gibt es: Zeitarbeit!

Nachdem der Begriff »Leiharbeit« durch die zum Teil miserablen Beschäftigungsbedingungen in Verruf geraten ist, haben die Arbeitskräfteüberlasser einen neuen Begriff kreiert. »Zeitarbeit« klingt viel unverfänglicher. Dabei definiert dieser Begriff ganz exakt um was es geht: Dauerarbeitsplätze sind Out. Flexible Beschäftigungen auf Zeit sind In. Dazu kommt dann noch der Vorteil, dass durch das Dreiecksverhältnis Arbeitgeber-Beschäftiger-Arbeitnehmer wesentliche arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen (bspw. Kündigungsschutz) elegant umgangen werden können.

Hat sich also in den letzten Jahren bei den Arbeitsbedingungen der Zeitarbeitskräfte nichts geändert?

Besondere Fähigkeiten gefragt

Die Arbeitskräfteüberlasser betonen in der Öffentlichkeit immer die Qualifikation und Flexibilität ihrer Zeitarbeitskräfte. In der Tat bedarf die Tätigkeit als ZeitarbeiterIn besonderer Fähigkeiten. Sehr rasch muss man sich auf die jeweilige Arbeitsumgebung einstellen, denn der Beschäftiger verlangt von der ersten Minute an die volle Leistung. Dabei gilt es nicht nur die technischen Arbeitsabläufe zu beherrschen, sondern auch die Integration in die Arbeitsgruppe ohne Reibereien zu bewerkstelligen. Da die Stammbelegschaft in den ZeitarbeiterInnen eine Konkurrenz sieht, werden insbesondere die sozialen Fähigkeiten der Zeitarbeitskräfte besonders herausgefordert. Auf Grund dieser besonders hohen Anforderungen an die ZeitarbeiterInnen müssten diese deutlich mehr verdienen als die Festangestellten. Tatsächlich ist jedoch das Lohnniveau deutlich niedriger.

In der Europäischen Union

Auch die jüngste Einigung der Arbeitsminister1 der EU-Mitgliedstaaten auf eine neue EU-Richtlinie zielt nur auf eine Gleichstellung der ZeitarbeiterInnen mit den Festangestellten ab. Und nicht einmal das! Es sollen nämlich Ausnahmen von der Gleichbehandlung zulässig sein, wenn beispielsweise Zeitarbeitskräfte bei ihren Arbeitskräfteüberlassern unbefristet beschäftigt sind. Dann dürfen sie gemäß dem beschlossenen Richtlinienentwurf auch geringer entlohnt werden. Das heißt: Sollten Zeitarbeitskräfte wie Festangestellte unbefristet angestellt sein, dann dürfen sie schlechter behandelt werden. Und das nennt sich dann Gleichbehandlung! Bleibt nur die Hoffnung, dass das Europäische Parlament entsprechende Änderungen an diesem Richtlinienentwurf vornimmt und auch gegenüber den Arbeitsministern durchsetzt.

Die österreichischen Arbeitskräfteüberlasser weisen zu Recht darauf hin, dass in Österreich bereits das derzeit gültige Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) über diese bescheidene EU-Richtlinie hinausgeht. Das AÜG gebietet unter anderem, dass während des Einsatzes einer Zeitarbeitskraft in einem Beschäftigerunternehmen, die Mindestgehälter des für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrages nicht unterschritten werden dürfen.

Immer wieder falsche Einstufungen

In der Praxis wird diese zentrale Bestimmung nach wie vor umgangen. Immer wieder kommt es zu falschen Einstufungen im Entgeltsystem des Beschäftiger-Kollektivvertrages. Häufigste Ursache dabei ist, dass die tatsächliche Tätigkeit über die im Überlassungsvertrag vereinbarte Tätigkeit hinausgeht. Der Beschäftiger »vergisst« auf die Meldung der tatsächlichen Tätigkeit an den Arbeitskräfteüberlasser, wodurch dieser die korrekte Einstufung nicht vornehmen »kann«. Auf die Idee, in Mitarbeitergesprächen die tatsächlichen Arbeitseinsätze zu überprüfen, kommt leider kaum ein Arbeitskräfteüberlasser.

Eine andere, weit verbreitete Praxis ist, ein geringes Grundgehalt zu vereinbaren und in den Beschäftigungszeiten mittels »Beschäftigungsprämien« auf das gemäß dem jeweiligen Beschäftiger-Kollektivvertrag zu zahlende Mindestgehalt aufzuzahlen. Das hat für den Arbeitskräfteüberlasser den Vorteil, dass in eventuell anfallenden beschäftigungslosen Stehzeiten nur das geringe Grundgehalt fällig wird.

Kontrolle durch Betriebsrat

Dass diese »Beschäftigungsprämien« meistens nicht in der Bemessungsgrundlage für das 13. und 14. Gehalt sowie nicht in der Berechnungsbasis für Überstunden berücksichtigt wird, ist zwar ein klarer Verstoß gegen das AÜG, bleibt aber oft mangels Wissen über die den Zeitarbeitskräften zustehenden Rechte von diesen unwidersprochen.

Da die meisten Arbeitskräfteüberlasser keinen Betriebsrat haben, kann nur der Betriebsrat im Beschäftigerbetrieb den Zeitarbeitskräften bei der Wahrung ihrer Ansprüche helfen. Die oft von den Arbeitskräfteüberlassern mit den Zeitarbeitskräften vereinbarte Geheimhaltungsklausel über das Entgelt gilt gegenüber dem Betriebsrat des Beschäftigerbetriebes nicht.2 Somit ist dieser der Einzige im Beschäftigerbetrieb, der die Einhaltung der entgeltrechtlichen Bestimmungen bei Leiharbeitskräften kontrollieren kann und darf.

Stamm-Leihpersonal

An den betriebswirtschaftlichen Anreizen und Risken des Einsatzes von Zeitarbeitskräften3 hat sich in den letzten Jahren nichts Wesentliches verändert. In einigen Unternehmen sind die Risken bewusster wahrgenommen worden, letztendlich als Folge der guten Konjunktur und dem damit einhergehenden steigenden Arbeitsplatzangebot. Wenn Zeitarbeitskräfte wählen können, entscheiden sie sich in stark überwiegendem Ausmaß für Festanstellungen. Hochqualifizierte Zeitarbeitskräfte sind oft mehrere Jahre bei ein und dem selben Beschäftiger und bekleiden dann häufig bereits Schlüsselfunktionen. Ein neuer Begriff wurde für diesen Arbeitnehmertypus kreiert: Stamm-Leihpersonal. Auf Grund der Wichtigkeit für das Beschäftiger-Unternehmen werden von diesem für das Stamm-Leihpersonal besondere Anreizsysteme entwickelt, die dieses ans Unternehmen binden soll. Die sinnvolle Alternative einer Festanstellung scheidet meistens wegen personalpolitischer Vorgaben aus.

Die Kosten für Leihpersonal müssen ja nach wie vor im Jahresabschluss nicht offen gelegt werden. Dass damit viele Unternehmenskennzahlen falsch sind, wird von den Eigentümern und Aufsichtsräten seltsamerweise unwidersprochen zur Kenntnis genommen.

Der verstärkte Einsatz von Zeitarbeitskräften und die fortgesetzten Flexibilitätsbemühungen setzen auch die Festangestellten unter zunehmenden Druck. Unterwanderung des betrieblichen Lohn- und Gehaltsniveaus, Abschaffung betrieblicher Sozialleistungen, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Disziplinierung des Stammpersonals sind die Folgen.

Verkehrte Arbeitswelt

Auch die Bemühungen um das so genannte Stamm-Leihpersonal haben zur Folge, dass zunehmend auf dem Rücken der Festangestellten die Flexibilitätsbemühungen ausgetragen werden. Denn diese können nicht ohne Verletzung des Konkurrenzverbots direkt zum Mitbewerber wechseln. Dies ist einer der wenigen Vorteile der Zeitarbeitskräfte, für die kein Konkurrenzverbot gilt.

So gibt es bereits vereinzelt Fälle, wo Festangestellte kurzarbeiten oder gekündigt werden, während die Zeitarbeitskräfte mit voller Beschäftigung bei Laune gehalten werden. Damit diese verkehrte Arbeitswelt nicht Normalität wird, bedarf es dringend verbesserter Rahmenbedingungen für die Arbeitskräfteüberlassung!

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Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at/interessensgemeinschaften
www.gmtn.at/zeitarbeit

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