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Katharina Klee

Zeit-Los

Standpunkt

Entschuldigung, könnten Sie mir bitte sagen, wie spät es ist?« Wie lange haben Sie eigentlich diesen Satz, an dem - zumindest früher - kein Sprachkurs vorbeikam, schon nicht mehr gehört?

Und wann haben Sie zuletzt auf Ihre Armbanduhr gesehen? Tragen Sie überhaupt noch eine? Um die Zeit abzulesen oder als Schmuckstück? Ich selbst trage keine mehr, schon einige Jahre. Die Zeit lese ich am Computer ab, auf meinem Handy, auf den wenigen verbleibenden Uhren im öffentlichen Raum. Für Pünktlichkeit, die mir sehr wichtig ist, reicht es allemal.

2.300 Stunden Freizeit

Zeit ist relativ, erkannte schon Einstein und verwies darauf, dass fünf Minuten mit einem hübschen Mädchen kurz erschienen, während fünf Minuten auf der Herdplatte als lang empfunden werden. Dabei ist Zeit doch das am gerechtesten verteilte Gut der Erde. JedeR hat täglich 24 Stunden, also 1.440 Minuten bzw. 86.400 Sekun-den zur Verfügung. Die vergehen aber einmal schneller und einmal langsamer, je nachdem, ob wir uns langwei-len oder beschäftigt sind, ob wir im Zahnarztwartezimmer sitzen oder mit Freunden feiern, ob wir alt sind oder jung.

24 Stunden am Tag ergeben 8.760 Stunden im Jahr. Wenn wir nun im Durchschnitt acht Stunden pro Tag davon verschlafen, bleiben uns immer noch 5.840 wache Stunden Lebenszeit. Gehen wir von der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden aus und rechnen wir den Urlaub nicht ein, arbeiten wir 2.080 Stunden im Jahr. Rechnen wir täglich vier Stunden für Hausarbeit, Essen und Körperpflege dazu, ergibt das 3.540. So blei-ben uns 2.300 Stunden Freizeit - Urlaub und Feiertage nicht mitgerechnet. 2.300 Stunden, in denen wir die Zeit nützen könnten, wie wir wollen.

Aber stimmt das tatsächlich? Können die arbeitenden Menschen wirklich selbst über ihre Zeit verfügen? Die ÖsterreicherInnen liegen durch die große Anzahl an Überstunden bei den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten im EU-Spitzenfeld. Die so genannte Flexibilisierung setzt sich durch, Öffnungszeiten werden ausgedehnt und die Arbeit reicht oft so weit in den Abend hinein, dass z. B. ein Theaterbesuch unmöglich wird. Bleibt also Fern-sehen und so verbringen wir - wie die ORF-Medienforschung für das Jahr 2007 erhoben hat - täglich 157 Minu-ten vor der Flimmerkiste.

Auch Wochenende und Feiertage sind längst nicht mehr Zeiträume, die wir für gemeinsame Freizeitaktivitä-ten mit Freunden und Familie nutzen können. Sind sie tatsächlich frei, werden sie oft zu Fortbildung genutzt. Computer und Handy führen in vielen Berufen dazu, dass sich Arbeit immer öfter mit Freizeit vermischt. Moder-ne Geräte erlauben es uns, auch bei der Bergtour einen Blick in unsere E-Mails zu werfen und auch beim Kin-dergeburtstag erreichbar zu sein. Und so gehört unsere Zeit plötzlich nicht mehr ganz uns.

Der »Zeitwohlstand« sinkt. Wir leiden unter Zeitdruck und fühlen uns  häufig ausgebrannt. Die Zeit mag gerecht verteilt sein, Eintei-lung und Lohn sind es nicht immer. Wer es sich leisten kann, steigt aus. »Downshifting« heißt das Modewort, das dafür steht, beruflich einen Gang zurückzuschalten. Viele erfolgreiche Unter-40-Jährige entdecken die Langsamkeit. Sie entscheiden sich für ein Leben mit ihrer Familie, dafür, ihre Träume zu verwirklichen und ge-gen Konsum und Karriere. Leisten können sich diese Entscheidung allerdings meist nur die, die schon eine Art Karriere hinter sich gebracht haben oder die bereit sind, auf Sicherheit zu verzichten. Nur in wenigen Firmen stoßen Downshifting oder die Auszeit »Sabbatical« auf großes Verständnis.

Eine Woche Auszeit

Bleiben die kleinen Auszeiten, die wir uns selbst nehmen können. Vor vier Jahren habe ich erstmals eine Woche schweigend und meditierend in einem buddhistischen Tempel nahe dem Lunzer See verbracht. Ohne Uhr, ohne Handy, ohne Radio, ohne Fernsehen, ohne Zeitung. Ein Gong hat den Tag unterteilt. Er erklang zum frühen Wecken, zu den Mahlzeiten, er rief zur Meditation, zur Gartenarbeit und leitete die Nachtruhe ein.

Zwei, drei Tage lang versuchte ich mir noch ein Zeitgerüst zu zimmern, ich orientierte mich an Meditationspe-rioden und dem Ötscherland-Express, der einmal täglich draußen vorbeifuhr, irgendwann lockerte sich aber mein selbst geschnürtes Zeitkorsett und ich konnte endlich wieder frei durchatmen. Seitdem nehm, ich mir Zeit und versuche dabei, nicht die Zeit der anderen zu stehlen. Meine Armbanduhr ruht seither im Schrank.

Haben Sie eine gute Zeit!

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