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Karin Hinteregger, Mag., ÖGB-Beratungszentrum
Dina Djalinous-Glatz, Mag., ÖGB-Sozialpolitik

Mindestsicherung

Meinung

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist die Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung ab 1. Juli 2009 positiv zu bewerten. Mindestsicherung endlich eine Gegensteuerung gegen die hohen Armutsraten. Arme sind oft in der Rolle von Sündenböcken, sozial und materiell ausgegrenzt.

Eine wirksame Absicherung zur Armutsverringerung ist eines der wesentlichen Regierungsvorhaben dieser Legislaturperiode. Denn das Risiko, in Österreich arm zu werden, ist gestiegen. Laut der aktuellen Studie der Statistik Austria zu EU-SILC 2006 »Einkommen, Armut und Lebensbedingungen in Österreich« liegt die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Österreich bei über einer Million Menschen bzw. 12,6 Prozent der Bevölkerung. Die Schwelle zur Armutsgefährdung liegt nach europäischer Definition bei 60 Prozent des Medianeinkommens und beträgt laut EU-SILC 2006 für einen Einpersonenhaushalt in Österreich 893 Euro netto monatlich.

Erwerbstätig und armutsgefährdet

Sogar erwerbstätige Personen sind vermehrt von Armut gefährdet. Als »working poor« gilt, wer im Erwerbsalter von 20 bis 64 Jahren ist, einer Erwerbstätigkeit nachgeht und dessen Haushaltseinkommen dennoch unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Rund sieben Prozent aller Erwerbstätigen in Österreich sind armutsgefährdet. Eine wichtige Maßnahme der Sozialpartner dagegen ist die im Juli vergangenen Jahres getroffene Grundsatzvereinbarung zum Mindestlohn von 1.000 Euro brutto. Zusätzlich verpflichteten sich die Sozialpartner dazu, auch außerhalb ihres unmittelbaren Wirkungsbereiches für eine universelle Geltung des Mindestlohns bis 2009 einzutreten.

Mit einem Prozentanteil von 12,6 Prozent armutsgefährdeter Personen liegt Österreich noch immer deutlich unter dem EU-Durchschnitt (EU-25-Wert 16 Prozent). Dies ist laut EU-SILC 2006 in starkem Ausmaß auf den Umfang und die Treffsicherheit der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen zurückzuführen. Gäbe es keine Pensionen und Sozialleistungen in Österreich würde das Armutsgefährdungsrisiko bei 43 Prozent liegen. Sozialleistungen reduzieren somit deutlich Armut.

Um alle Menschen in Österreich gegen Armut abzusichern, haben Bund und Länder eine Vereinbarung über eine bedarfsorientierte Mindestsicherung entworfen, die nächstes Jahr in Kraft treten soll. Im Folgenden ein kurzer Überblick, wie nach dem Begutachtungsentwurf des Ministeriums für Soziales und Konsumentenschutz diese Mindestsicherung ausgestaltet sein soll: Bisher waren sowohl Höhe als auch Anspruchsvoraussetzungen für die Sozialhilfe je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Durch die Vereinbarung zur Mindestsicherung sollen diese unterschiedlichen Niveaus durch einen bundesweiten Mindeststandard vereinheitlicht werden. Die einzelnen Bundesländer können aber zusätzliche Leistungen, die über die bedarfsorientierte Mindestsicherung hinausgehen, erbringen.

Höhe der Mindestsicherung

Die Höhe der Mindestsicherung orientiert sich am Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende und würde für 2008 daher 709,80 Euro netto monatlich, 14-mal jährlich, betragen. Somit würde sich unter aliquoter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein Betrag von 827,05 Euro netto pro Monat ergeben, der aber noch immer unter der Armutsgefährdungsschwelle nach EU-SILC 2006 liegt. Lebt mit dem/der LeistungsbezieherIn eine andere erwachsene Person ohne genügend Einkommen im gemeinsamen Haushalt, wird die bedarfsorientierte Mindestsicherung um 75 Prozent erhöht.

Personen, die nicht arbeitsfähig sind, sollen so durch ein Leistungsniveau, das die Existenz sichert, gegen ein Abrutschen in Armut geschützt werden. Arbeitsfähige LeistungsbezieherInnen wiederum sollen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Anträge sollen beim AMS entgegengenommen, Informationen angeboten und die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt forciert werden.

Kein arbeitsloses Grundeinkommen

Bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung handelt es sich um kein arbeitsloses Grundeinkommen - wie dies teilweise in der Öffentlichkeit dargestellt wird -, denn der Bezug von Leistungen wird bei arbeitsfähigen Personen von der Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft abhängig gemacht. Fehlt diese, besteht die Möglichkeit, die Mindestsicherung um 50 Prozent zu kürzen.

Langzeitarbeitslosigkeit erhöht die Armutsgefährdung massiv - bei Personen, die länger als zwölf Monate arbeitslos sind liegt sie bei 52 Prozent. Erwerbstätigkeit hingegen reduziert das Armutsgefährdungsrisiko bei Personen im erwerbsfähigen Alter von 19 auf sieben Prozent. Angesichts dieser Fakten ist es gerade für Personen, die bereits länger nicht erwerbstätig waren, wichtig, dass sie vom AMS betreut werden. Das AMS soll nicht »Armut verwalten«, sondern diese Menschen unterstützen, wieder Arbeit zu bekommen.

Im Regierungsprogramm war ursprünglich vorgesehen, dass für arbeitsfähige SozialhilfebezieherInnen das AMS als »One-Stop-Shop« fungiert, bei dem von der Antragstellung bis zur Auszahlung der Leistung alles abgewickelt werden kann. Dieses Prinzip wurde jedoch nicht zur Gänze umgesetzt. Zwar können arbeitsfähige Personen Anträge einbringen und Information über die Mindestsicherung beim AMS erhalten, das Verfahren und die Auszahlung sollen aber wie bisher bei den Sozialbehörden der Länder verbleiben. Problematisch ist an dieser Regelung, dass die Sozialämter somit weiterhin die Möglichkeit haben, die AntragstellerInnen vorzuladen, wodurch insbesondere im ländlichen Raum eine Stigmatisierung eintreten kann.

Keine Rückzahlungspflicht

Eine wesentliche Neuerung der Vereinbarung zur bedarfsorientierten Mindestsicherung ist der Entfall der Rückzahlungspflicht für LeistungsbezieherInnen, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben. Damit fällt eine bisher bestehende Hemmschwelle weg. Denn der (Wieder-)Einstieg in das Erwerbsleben wird wesentlich erschwert, wenn das damit erzielte Einkommen in der Regel sofort wieder zurückgezahlt werden muss. Auch die bisherigen Regressmöglichkeiten von nahen Angehörigen sollen gemäß der Vereinbarung entfallen.

Eine weitere ganz wesentliche Verbesserung zur bisherigen Gesetzeslage stellt die Einbeziehung aller LeistungsbezieherInnen in die gesetzliche Krankenversicherung dar. Gerade Menschen in finanziellen Notlagen muss ein uneingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung offenstehen.

ÖGB ist dafür

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist die Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung positiv und ein entscheidender Schritt, Menschen in Österreich gegen Armut abzusichern und die Reintegration von bisherigen SozialhilfeempfängerInnen in den Arbeitsmarkt zu forcieren. Derzeit ist von Seiten des Sozialministeriums geplant, dass die bedarfsorientierte Mindestsicherung kommenden Juli im Ministerrat und im zweiten Halbjahr 2008 im Parlament beschlossen werden soll. Ihr Inkrafttreten ist für den 1. Juli 2009 geplant.

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