topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Wer will, der hat: das Geld vom Bankomat

Weg in die Schuldenfalle

Schwerpunkt

Während die Zahl der Firmenpleiten sinkt, steigt die Zahl der Privatkonkurse in Österreich unaufhaltsam. Im ersten Halbjahr 2007 waren es 4.300.

In der Schuldnerberatung Wien kennt man die »Kundschaft«: »Ein Klassiker, um in die Verschuldung zu rutschen, ist über Jahre ein wenig mehr Geld auszugeben als man einnimmt. Das sind keine großen Beträge oder unvernünftigen Anschaffungen, das sind kleine Beträge über eine lange Zeit«, weiß Alexander Maly, der langjährige Leiter der Einrichtung. Dieser kleine Knödel wird allein durch die Zinsen immer größer und irgendwann ist das Konto so überzogen, dass die Miete oder die Stromabrechnung nicht mehr abgebucht werden können.

Und dann geht es erst richtig los: Wer nun vertrauensvoll zu seiner Bank marschiert, sieht sich in der Regel einem verständnisvollen Mitarbeiter gegenüber, der neben einer Umschuldung gleich auch noch eine Er- und Ablebensversicherung zur Besicherung des Kredits verkauft. Klingt eigentlich ganz logisch. Ist es aber nicht: Denn wenn das Geld fürs tägliche Leben und den gewohnten Lebensstil schon bisher nicht gereicht hat, womit soll der frisch gebackene Kreditnehmer dann die monatlichen Raten für die Versicherung bezahlen? Die Bank argumentiert mit dem Risiko, falls dem Schuldner etwas zustößt und besteht auf dieser Form der Besicherung, dabei täte es eine reine Ablebensversicherung genauso gut.

Irgendwie geht das dann auch eine Weile wieder ganz gut. Denn das Konto ist ja abgedeckt und die Kreditrate wird bedient. Durch einen neuerlichen Überzug des Kontos. Dieses Spiel kann sich ein paar Mal wiederholen, bevor den Banken die Geduld ausgeht. Dann liegt die Verschuldung im Mittel bei 46.000 (Median) im Schnitt sogar bei 65.000 Euro pro Schuldner.

Wer fällt, wird bestraft

»Wer in Zahlungsverzug gerät, der wird durch beschleunigende Faktoren wie höhere Zinsen, Mahngebühren etc. noch zusätzlich bestraft«, erklärt Maly die Spirale, die die SchuldnerInnen nicht mehr loslässt.

JobhopperInnen, Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, Scheidungsopfer und Arbeitslose - das sind die klassischen KlientInnen der Schuldnerberatung. Statistiken der Österreichischen Nationalbank folgend sind aber auch Besserverdienende ohne Vermögen, also Menschen die gut verdienen und auch sehr gut leben, ebenfalls sehr gefährdet irgendwann nicht nur mehr verschuldet, sondern überschuldet zu sein.

Die zweite Gruppe derer die überdurchschnittlich oft auf eine Schuldnerkarriere zurückblicken können, sind ehemalige Selbstständige - oftmals auch mit Migrationshintergrund. In letzter Zeit finden sich neben den erwartbaren kleinen Gastronomen auch so schicke Berufsgruppen wie GrafikerInnen unter den Pleitiers. Maly geht durchaus hart mit den ehemaligen UnternehmerInnen ins Gericht: »Entweder war die Geschäftsidee nicht so ausgefeilt, oder sie konnten nicht mit Geld umgehen.« Gemeinsam ist beiden Gruppen mangelnde Eigenkontrolle. Wobei Maly anmerkt: »Bei den Unselbstständigen finden sich noch weniger Eigenressourcen zur Lösung des Problems.«

Alarmsignale

Wer auf ein permanent überzogenes Konto schaut, hin und wieder umschuldet oder plötzlich die Miete nicht zahlen kann, der ist schon recht weit am Weg zu einer gediegenen SchuldnerInnenkarriere.

Wer von der Bank mitgeteilt bekommt, dass er wenigstens eine sogenannte Kontaktrate (also eine Rate, die extrem niedrig ist und bestenfalls die Zinsen, nicht aber das Kapital abdeckt) leisten soll, der hat schon ein wirklich großes Problem. Denn ab nun wird, wenn nichts geschieht, der Schuldenberg nur noch größer.

Es gibt aber so gut wie immer einen Weg aus der Schuldenkrise. Alexander Maly: »Wenn man glaubt es ginge gar nichts mehr, dann sollte man sich hinsetzen, zehnmal tief durchatmen und sich überlegen, was wirklich wichtig ist im Leben. Das ist einmal das eigene Leben, ein Dach über dem Kopf und die Kinder.«

Kein Geld für die Bank?

Nach dieser Bestandsaufnahme sollte man sich auch gezielt überlegen, wo man aufhört zu zahlen - die sogenannte Kontaktrate sollte man unter Umständen verweigern, weil sie nur der Bank satte Gewinne beschert, die eigenen Schulden allerdings nicht verringert.

Um nicht unversehens dem Exekutor gegenüberzustehen, empfiehlt Maly eine Onlineanmeldung bei der Schuldnerberatung und eine telefonische Erstberatung: »Schon bei der Online-Anmeldung werden ziemlich viele Daten abgefragt und es folgt ein relativ ausführliches Beratungsgespräch am Telefon, das jeder Beratung vorausgeht. Für viele schafft das schon Klarheit - und sie wissen, wie es weitergeht.«

Wer bei der Schuldnerberatung, dem Verein Neustart, der MA40, dem Wiener Hilfswerk oder dem Verein Dialog landet, der findet sich unter Umständen auch bald darauf als Kunde der 2. Bank wieder. Diese Bank ist eine ehrenamtlich geführte Bank, die Menschen auf ihrem Weg unterstützt, die aus welchen Gründen auch immer keine reguläre Bankverbindung mehr bekommen können. Und was das heißt, ist leicht nachzuvollziehen: »Gehälter können nicht überwiesen werden, Strom, Gas, Telefon und Miete nicht bezahlt werden und jede Bareinzahlung kostet mittlerweile horrende Summen«, so ein Betroffener. Mit dem Konto der 2. Bank kann auch wieder ein Dauerauftrag beauftragt werden und bargeldlos überwiesen werden, was gerade für die, die ohnehin jeden Euro zweimal zählen müssen wieder eine kleine Erleichterung darstellen kann. 

Das Problem dabei: Nur wenige KlientInnen nutzen diese Möglichkeiten, die ihnen sogar Geld sparen helfen könnten, sondern heben das Geld mittels Karte ab und zahlen es wieder bar ein, um so die Miete oder die Energiekosten zu bezahlen. Bereits jetzt hat die 2. Sparkasse 2.000 Kunden/Kundinnen und nur einem ganz kleinen Teil dieser wurde das Konto wieder entzogen, so Maribel Königer. Ein Service, das gut angenommen wird und für viele Verschuldete neben dem eigenen Konto ein Schritt zur Normalität ist, ist das Versicherungsservice, das die 2. Bank gemeinsam mit der Wiener Städtischen anbietet: Eine günstige Haushaltsversicherung zum Beispiel bietet Sicherheit in einer ohnehin prekären Situation.

2. Bank als Vorbild

Die 2. Bank ist eine Initiative der Erste Bank Stiftung und will, so deren Sprecherin, Maribel Königer, »etwas zurückgeben an die Gesellschaft«. Das steht den Banken gut zu Gesicht, denn, so Alexander Maly »die Banken tragen mit ihrem Angebot einer Kontoüberziehung und den leichten Umschuldungen maßgeblich dazu bei, dass Menschen in die Schuldenfalle tappen. So wie die Kontoüberziehungen in Österreich gewährt werden, ist das weltweit einzigartig. Krass gesprochen: »Viele Banken verhalten sich wie die Dealer.« In anderen Ländern müssen Kunden/Kundinnen erst einmal ein paar Jahre ein Konto ohne Überziehung geführt haben, bevor sie die Möglichkeit bekommen, zu überziehen oder mittels Kreditkarte ins Minus zu rutschen.

In den USA bekommt man erst Kreditleistungen, wenn man Pluspunkte gesammelt hat. Das sogenannte positive Scoring erzieht vor allem junge Menschen zum vernünftigen Umgang mit dem Konto und anderen Zahlungsmittel.

Bei der 2. Bank muss man ebenfalls drei Jahre - auf diese Zeit ist das Konto befristet (Verlängerungen sind aber möglich) - ohne Überziehungen auskommen. Für viele ist das eine schwere Zeit, und die Frage »wann darf ich wieder überziehen«, hört Maly bei seinen Beratungsgesprächen oft am Ende. »Die Sucht ein wenig über die eigenen Verhältnisse zu leben, ist offensichtlich schwer zu beherrschen.« Wer sich fragt, wie oft blutjunge Burschen zu Autos kommen, die im Schnitt so viel kosten wie ein nettes Einfamilienhaus, der hat beim Leasing die Lösung gefunden. Maly: »Wer drei Lohnbestätigungen vorlegen kann, darf leasen.«
Und so beginnen für viele das Berufsleben und die Schuldnerkarriere beinahe gleichzeitig.

WEBLINKS
Information und Hilfe:
Schuldnerberatung Wien:
www.schuldnerberatung-wien.at/
MA 40:
www.wien.gv.at/ma40/sozial/stelle.htm
Verein Neustart:
www.neustart.at/
Hilfswerk:
www.wien.hilfswerk.at/
Verein Dialog:
www.dialog-on.at

KONTAKT
Schreiben Sie uns Ihre Meinung
an die Autorin
d.gordon@ideenmanufactur.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum