topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Nützliches Netzwerk - eine europäische Wirtschaftsprognose von Experten aus dem gewerkschaftlichen Bereich.

Gesellschaftspolitik

Am 8. Mai wurde in Brüssel zum zweiten Mal eine Prognose der Wirtschaftsentwicklung in der EU für das laufende und das kommende Jahr von einer neuen Initiative veröffentlicht, die sich »ELNEP« nennt - European Labour Network for Economic Policy.

Es handelt sich dabei um eine Kooperation von Instituten und ExpertInnen auf dem Gebiet der Wirtschaftsforschung aus derzeit acht Ländern und dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut. In der Diskussion, die dieser Gründung voranging, stellten die VertreterInnen der teilnehmenden Institute einen besorgniserregenden Mangel an Vielfalt in der europäischen wirtschaftspolitischen Debatte fest, die meist einseitig auf die Angebotsseite fokussiert ist. Reflexartig werden dabei »Markt«-Lösungen statt sozialer Institutionen beschworen und gesamtwirtschaftliche Schlussfolgerungen für Europa auf der Basis von mikroökonomischen Überlegungen und nationalen Erfahrungen gezogen. Der gemeinsame Beschluss war rasch gefasst, dass ein Gegengewicht zum wirtschaftspolitischen Mainstream in Europa notwendig ist.

Europäische Perspektive

Das ELNEP richtet die Aufmerksamkeit bei seinen Analysen und Prognosen auf die Makropolitik und misst dabei Maßnahmen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite eine große Bedeutung zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung bei. Das Netzwerk befasst sich insbesondere mit Fragen des Arbeitsmarkts, der Beschäftigung, der Löhne und der Einkommensverteilung. Dabei werden Probleme in erster Linie aus europäischer - und weniger aus nationaler - Perspektive analysiert.

Die neue ELNEP-Prognose für den Euroraum erwartet für 2008 und 2009 eine markante Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 1,6 Prozent bzw. 1,5 Prozent, was gegenüber den guten Jahren 2006/07 fast eine Halbierung bedeutet. ELNEP liegt mit diesen Werten für das BIP-Wachstum etwas unter den jüngsten Prognosen der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute und der EU-Kommission.

Von diesen und anderen internationalen Prognosen unterscheidet sich die ELNEP-Prognose dadurch, dass sie sich ausführlicher mit der Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung beschäftigt. Die Arbeitslosenrate wird 2008 auf 7,1 Prozent zurückgehen und danach auf diesem Stand bleiben. Deshalb wird sich der Rückgang der Arbeitslosenrate in nächster Zeit nicht mehr fortsetzen. Sinkende Arbeitslosenraten in der Mehrzahl der Mitgliedsländer und steigende Beschäftigung bedeuten längerfristig (seit 1999) eine gewisse, wenn auch sehr allmähliche Verbesserung der Arbeitsmarktlage. Der Beschäftigungszuwachs erfolgte jedoch zu einem guten Teil in Form von Teilzeitarbeit und atypischen Beschäftigungsverhältnissen - eine Entwicklung, die wir seit längerem auch in Österreich beobachten. Eine Knappheit an Arbeitskräften ist auch nur ansatzweise keinesfalls zu erkennen. Das einzige handfeste Anzeichen für zunehmende Arbeitskräfteknappheit wäre eine Beschleunigung des Reallohnwachstums, die von den Daten nicht bestätigt wird.

Lohnanstieg um drei Prozent

Für 2008 rechnet die ELNEP-Prognose mit einem Anstieg der Löhne in der Eurozone um drei Prozent, mit bemerkenswert geringen Unterschieden zwischen den Mitgliedsländern. Dies reicht gerade aus, um die Kaufkraft angesichts der gestiegenen Inflation zu erhalten. Es gibt daher keinerlei Anzeichen für sog. »Zweitrundeneffekte« und daher auch nicht die geringste Veranlassung, von den Gewerkschaften noch mehr Lohnmoderation zu verlangen. Vielmehr zeigt gerade der vergangene Konjunkturaufschwung, dass die geringen Reallohnsteigerungen die Schwäche der Binnennachfrage bedingen.

Schwache Endnachfrage

Seit dem Start der Währungsunion 1999 sind die Löhne in den meisten Ländern der EU real nur sehr wenig oder gar nicht mehr gestiegen. Sinkende Lohnstückkosten verbessern zwar die internationale Wettbewerbsposition. Gleichzeitig aber reduzieren eine schwache Endnachfrage und eine sinkende Lohnquote auch die Motivation der Unternehmungen, in neue Maschinen und Anlagen zu investieren. In der Folge hat sich auch das Produktivitätswachstum der europäischen Wirtschaft verlangsamt. Auch die derzeit letzte Aufschwungsphase der europäischen Wirtschaft hat keine nachhaltige Überwindung der Wachstumsschwäche gebracht. Einen Ausweg aus diesem Dilemma sehen die ELNEP-ÖkonomInnen in der Rückkehr zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik.

Diskussion von Alternativen

Die jüngste Bankenkrise hat wieder einmal die Gefahren einer Dominanz der Finanzmärkte für die wirtschaftliche Stabilität deutlich werden lassen. Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen fordert die ELNEP-Gruppe eine strengere Regulierung des Finanzsektors durch den Staat, wenn dieser nicht immer wieder für die Finanzierung von Ausfällen in Anspruch genommen werden soll.

Besonderes Gewicht legt die ELNEP-Prognose auf die Diskussion von Alternativen der Wirtschaftspolitik in der Reaktion auf Finanzmarktkrise und Wachstumsabschwächung.

Dringend angemahnt wird eine deutlichere Senkung der Leitzinsen durch die EZB spätestens zur Jahresmitte. Eine zusätzliche Senkung um 0,5 Prozent erhöht nach Schätzung von ELNEP das Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozent, die Arbeitslosenrate würde weiter zurückgehen.

WEBLINKS
European Labour Network for Economic Policy
www.elnep.org
Homepage von Günther Chaloupek
www.chaloupek.eu/

KONTAKT
Schreiben Sie uns Ihre Meinung an den Autor
guenther.chaloupek@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at
 

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum