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Foto: Paul Sturm SportlerInnen gelten als HeldInnen. Wenn die Luft heraußen ist, interessiert das oft niemanden.

Schatten der Blitzlichter

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Wer sich für den Spitzensport entscheidet, muss nicht nur physisch qualifiziert sein. Längst kümmern sich PsychologInnen um die Seelen der SportlerInnen.

Sport ist Mord, einer der Lieblingssätze der Schriftstellerin Elfriede Jelinek, klingt zwar sehr übertrieben, aber ein Körnchen Wahrheit ist doch dabei. Vor allem, was Spitzensport betrifft. Im medialen Blitzlichtgewitter geben sich die HeldInnen als Lieblinge der Nation, aber ihre physischen Verletzungen und psychischen Tiefs zwischen den Siegen bleiben der Öffentlichkeit verborgen.

Dass einer der größten Fußballer aller Zeiten, Diego Maradona mit Suizidgedanken kämpft, wird als Gerücht abgetan. Dass sich Lukas Wernas, der 22-jährige Anwärter auf die Olympischen Spiele in Peking, Ende April das Leben nahm, oder dass sich der ehemalige DDR-Fußballheld Steffen Krauß vor wenigen Wochen aus dem Fenster stürzte, sind bestenfalls Notizen.

Sportpsychologen/innen sehen in solchen Reaktionen ein Problem, mit dem Erfolg, dem Ende des Erfolgs oder der Leistungsoptimierung fertig zu werden: »Für Spitzensportler ist ganz wichtig, seine goldene Mitte zu finden, so wie Konfuzius sagt«, erklärt Dr. Zhu Lijng, Sportpsychologin an den Universitäten Wien und Peking. »Wer zu wenig trainiert, kann die Leistungsoptimalisierung nicht erreichen, wer zu viel trainiert, allerdings auch nicht«, weiß die psychologische Betreuerin von National- und WeltmeisterInnen und OlympiateilnehmerInnen verschiedener Disziplinen, wie etwa von Tischtennisweltmeister Deng Ya-Ping.

Overtrainingsyndrome

Gerade die Folgen von übertriebenem Training sind nicht zu unterschätzen, weil sich sowohl physische wie psychische Verletzungen einstellen. »Wir nennen das Overtrainingsyndrome«, sagt Zhu Lijing - dazu gehören Erschöpfungszustände und Depressionen mit Suizidgefahr.

Denn das, was gemeinhin als Erfolg bezeichnet werde, sei relativ, erinnert sie sich an den Fall des dreifachen chinesischen Nationalmeisters im Ringen, der mit dem Leistungsdruck nicht mehr zu Rande kann: »Er ist eines Tages auf das Dach der Trainingshalle gestiegen und hinuntergesprungen.«

Überhaupt gäbe es eine Reihe von Symptomen an psychischer Überforderung: angefangen von Angstproblemen, bis hin zur Phobie, Schlafstörungen, die sich in ständiger Müdigkeit ebenso wie Schlaflosigkeit äußern können, Aggressionen, Drogen, und - abgesehen von Doping - Alkoholexzesse und Essstörungen wie Bulimie und Anorexie. Zhu: »Davon sind vor allem Sportlerinnen jener Kampfsportarten, die mit Gewicht zu tun haben, betroffen sowie Geräteturnerinnen, Eisläuferinnen, BergsteigerInnen, LongdistanceläuferInnen.«

Frausein wirkt sich im Spitzensport überhaupt erschwerend aus. 90 Prozent aller Sportlerinnen leiden an Menstruationsproblemen, mit negativen Auswirkungen - später. Auch Essstörungen sind bei Frauen häufiger, erklärt Zhu: »Ich will den Namen nicht nennen, aber eine österreichische erfolgreiche 800-Meter-Läuferin beispielsweise verschwand immer vor dem Start in der Toilette, um zu erbrechen.«

Janusköpfiger Beruf

Nur in seltensten Fällen gestehen die HeldInnen des 21. Jahrhunderts die Janusköpfigkeit ihres Berufes bzw. ihrer Berufung ein. Radprofi Michael Rasmussen zum Beispiel hat doch seine Selbstmord-Gedanken öffentlich gemacht, nachdem er von der Tour de France ausgeschlossen worden war: »Ich hatte die Königsetappe gewonnen und war nicht mehr von der Spitze des Gesamtklassements zu verdrängen. Am Abend wurde ich ausgeschlossen. Ich fuhr im Teamwagen auf einer Landstraße, saß hinten und weinte. Es kamen uns pausenlos Lastwagen entgegen. Ich dachte daran, die Tür zu öffnen, um mich hinauszustürzen, damit der ganze Alptraum ein Ende hätte«, schilderte der 33-jährige Spitzensportler seine damaligen Suizid-Gedanken.

Jenseits von physischen und psychischen Verletzungen stellt sich bei diesem Beruf die Frage, ob es eine SportlerInnenpersönlichkeit gibt. Mit Sicherheit zeigen sich Unterschiede zwischen Team- und EinzelsportlerInnen. Vor allem fordert Teamarbeit höhere soziale Kompetenzen, wie etwa Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität und in gewisser Weise auch Anpassung. Auch müsse aufgrund der verschiedenen Kulturen und Nationalitäten, die in einem Team zusammenkommen, entsprechende Integrationsarbeit geleistet werden, zur gegenseitigen Verständigung, oft gelte es, bikulturelle Konflikte zu lösen. »Die Regeln sind zwar überall gleich, aber die Verhaltensmuster verschieden. Wenn beispielsweise ein Afrikaner mit Rapid spielt, ist das für ihn ein Kulturschock«, weiß die Expertin. Weshalb jedoch bei TeamspielerInnen der Aggressionspegel um einiges höher ist als bei EinzelkämpferInnen, wird gerade in Studien untersucht.

»Allen SportlerInnen sind gewisse Eigenschaften gemeinsam«, beschreibt Zhu die Qualitäten eines Sportprofis, »ein gesunder Narzissmus, Konsequenz, Ausdauer, Zielstrebigkeit und eine hohe Frustrationstoleranz.« Leider hätten sich die immateriellen Werte wie Begeisterung für die Grenzen überschreitende Sportidee, Fairness und gegenseitiger Respekt gerade durch die Entgrenzung der Globalisierung ins Materielle gewendet. Die Idee des Sportgeistes und der Fairness sind noch immens wichtig, »trotzdem rückt Geld immer mehr in den Vordergrund«, bedauert die Psychologin. Auch sei bei internationalen Wettkämpfen die Kluft zwischen den armen Ländern und den reichen immer ausgeprägter, wie es sich schon bei den Olympischen Spielen in China abzeichnet: »Die Sportler der Wohlstandsländer haben Trainer, psychologische Betreuung, medizinische Versorgung, die aus den armen Ländern müssen sich sogar das Flugticket selbst bezahlen - und sind auf sich allein gestellt. Deshalb werden wir im olympischen Dorf ein Zentrum für sportpsychologische Beratung und Doping einrichten. Motto: Fair play - Fair service.«

Fern der Politik

Solche Initiativen hätten auch Vorrang vor dem Ausschlachten des China-Tibet-Konfliktes rund um die Olympischen Spiele. Die Reaktion der SportlerInnen darauf, hält sich laut Zhu in Grenzen: »Die chinesischen Sportler befinden sich in Camps, ihr Leben heißt: Trainieren, trainieren, trainieren. Sie wollen Medaillen erringen. Sie leben in einer eigenen Welt, und bekommen von der Politik nichts mit«, - schon gar nichts von Protestaktionen, Demonstrationen rund um die olympische Fackel oder Olympiaboykottvorschläge. Auch die westlichen SportlerInnen, mit denen Zhu zu tun hat, seien auf Vorbereitungen für die Spiele konzentriert: »Die Olympischen Spiele haben im Grunde nichts mit Politik zu tun, sie sind international, ein Symbol des Friedens, ihr Sinn ist es, die Menschen zusammenzubringen - seit der Antike.«

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