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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Unsportlich betrachtet

Standpunkt

Wir sollten das alles einfach sportlich sehen, sagen wir oft und meinen damit, dass wir etwas nicht so ernst nehmen wollen. Nur beim Sport selbst fällt es uns nicht immer leicht, ihn so sportlich zu sehen. Denn nur allzu oft wird aus Spiel und Spaß bitterer Ernst.

Ernsthaft war wohl auch die Wurzel jeder sportlichen Betätigung - galt sie doch in vielen Kulturen als »Probe« für den Krieg oder als Ritual nach der Schlacht. Denken wir an die mesoamerikanischen Völker, wie Azteken und Mayas, die uns das Ballspiel gebracht haben sollen. Noch ist unklar, wer gegen wen antrat, ob Priester oder Kriegesgefangene versuchten, den Ball durch einen steinernen Ring zu befördern. Fest steht aber, dass es Tote am Schluss gab, auch wenn man nicht weiß, ob Sieger oder Verlierer den Göttern geopfert worden waren.

Fußball zwischen Krieg und Frieden
Fußball spielten die Engländer anscheinend schon im 14. Jahrhundert. Immer wieder wurde das Spiel wegen seiner Brutalität verboten. Und trotzdem immer populärer. 1848 verfassten Studenten der Universität Cambridge schließlich die ersten Fußballregeln. Der weltweite Siegeszug des Spiels begann. Denn das nunmehr reglementierte Fußballspiel war auch völkerverbindend. Wer kennt nicht die berühmte Episode aus dem Ersten Weltkrieg, als Weihnachten 1914 bei Ypern zwischen den feindlichen Schützengräben ein Waffenstillstand eintrat. Damals haben die Soldaten miteinander gesprochen und gegeneinander Fußball gespielt; die Deutschen gewannen 3:2 gegen die Briten. Nach Neujahr aber ging der Krieg in seiner ganzen Brutalität weiter.

Erschütternder ist die nicht so oft erzählte Geschichte von einem Fußballspiel im August 1942 im besetzten Kiew. Damals spielte die Betriebsmannschaft der Brotfabrik Nr. 3 mit Stars der Kiewer Fußballvereine Dynamo und Lokomotive gegen eine Elitemannschaft der deutschen Luftwaffe - und besiegte die Besatzer vor Tausenden Zuschauern mit 5:1. Sie gewannen auch das Rückspiel, überlebt haben sie diesen Sieg nicht lange.

Dann gab es noch den Fußballkrieg, der 1969 nach einem WM-Qualifikationsspiel zwischen Honduras und El Salvador ausgebrochen ist. Das Spiel war nicht die Ursache für die blutigen Auseinandersetzungen, wohl aber der Anlass. Denn Sport und ganz besonders der Männersport Fußball wirkt identitätsstiftend im Guten wie im Bösen. Wie sang einst Helmut Qualtinger: »Wie g´sagt beim Sport bin ich immer national / und jede Niederlage ist katastrophal!« Fragen Sie sich nicht, weshalb für Klagenfurt, wo im Rahmen der EURO 2008 Polen, Kroatien und Deutschland spielen, noch dringend Sicherheitskräfte gesucht werden?

Der Traum von friedlichen Spielen
2008 ist nicht nur ein Fußballjahr. Es finden auch die Olympischen Sommerspiele in Peking statt. Seit mehr als hundert Jahren gehören Olympische Spiele zu unserer Kultur. Als »Treffen der Jugend der Welt«, zur »Völkerverständigung« wurden sie 1894 von Pierre de Coubertin wieder angeregt. Ganz nach dem idealisierten Vorbild der antiken Spiele, die nicht nur ein religiöses und kulturelles Fest, sondern auch ein hochpolitisches Forum waren. Das sind sie auch geblieben. Coubertins Traum von friedlichen Spielen, die Kriege verhindern, ging aber nicht in Erfüllung.

1916 entfielen sie wegen des ersten Weltkrieges. 1936 wurde sie von Nazideutschland zur Propaganda missbraucht. 1940 und 1944 verhinderte der Zweite Weltkrieg Olympische Spiele. 1968 starben kurz vor der Eröffnung des »Jugendfests« in Mexico-City 500 Studenten bei der Niederschlagung von Protesten. Die zwei afroamerikanischen Sieger des 200-Meter Laufs Tommie Smith (Gold) und John Carlos (Bronze) wurden aufgrund einer Black-Power-Geste bei der Siegerehrung heimgeschickt. 1972 dann München, der »schwarze September«. Palästinensische Terroristen nahmen elf Mitglieder der israelischen Mannschaft gefangen. Am Ende stand ein Massaker mit 17 Toten. 1996 explodierte im Olympic Park von Atlanta eine Bombe. Dabei starben zwei Menschen, 111 wurden verletzt. Erst 2003 wurde der Bombenleger Eric Robert Rudolph verhaftet.

Aber dennoch: Sehen wir das sportlich. Denn wir wissen nicht, wie oft das Ventil Sport Schlimmeres verhindert hat, wie viele Leben die in Bahnen gebrachte Aggression gerettet hat, wie viele junge Menschen mit schlechten Startbedingungen an der Gabelung zwischen Verbrechen und Sport die richtige Entscheidung getroffen haben, wie oft auf Spielfeldern und in Sportarenen Signale der Fairness gesetzt wurden.

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