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Ein Handy brächte bessere Verkaufsmöglichkeiten und somit mehr Chancen und Wohlstand in dieses afrikanische Fischerdorf. Ein Handy brächte bessere Verkaufsmöglichkeiten und somit mehr Chancen und Wohlstand in dieses afrikanische Fischerdorf.

Macht und Ohnmacht

Schwerpunkt

Die moderne Wissensgesellschaft öffnet eine digitale Kluft zwischen Jung und Alt, Reich und Arm, entwickelten und Entwicklungsländern.

Wissen ist Macht«, so sprach schon der englische Philosoph Francis Bacon vor rund 400 Jahren. Wer Wissen und Informationen hat kann sie zu seinem/ihrem Vorteil nutzen. Heute können sich die meisten Menschen der Industrieländer des Nordens ein Leben ohne den schnellen Zugang zu Wissen und Information kaum noch vorstellen. Internet und Mobilfunk ermöglichen uns den Informationsaustausch weltweit binnen Sekunden. Besonders in der Wirtschaft kann nur bestehen, wer ständig am Puls der Zeit ist. Ein Informations- und Wissensvorsprung bedeutet - für die, die ihn haben - auch einen großen Machtvorsprung. Das stärkt die Machtposition der reichen Länder der Welt natürlich beträchtlich. Denn was wir gerne vergessen ist: Nur maximal 20 Prozent der Menschen weltweit profitieren von den neuen Medien, Computer, Internet und Mobilfunk. Der Rest der Menschheit bleibt ausgeschlossen.

Digitale Kluft

Wir sprechen von der sogenannten Digital Divide oder digitalen Kluft, die zwischen verschiedenen Gruppen besteht; innerhalb Österreichs zwischen den verschiedenen Einkommens-, Alters- und Bildungsschichten; außerhalb Österreichs zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern, ausgelöst durch die strukturelle Ungleichverteilung beim Zugang zu Internet, Mobilfunk und anderen Medien. Es gibt diejenigen, die wissen und die, die nicht wissen. Nicht zu wissen bedeutet, ohne Macht und Einfluss in der Welt zu sein. Man spricht in diesem Zusammenhang von technischem Analphabetismus - heute ebenso gefährlich wie eigentlicher Analphabetismus. Die gerechtere Verteilung von Informationszugängen ist nach Ansicht vieler Entwicklungsorganisationen genauso wichtig wie der Zugang zu Nahrung, Medikamenten und Bildung. Ob man den Menschen nicht lieber eine warme Mahlzeit spendieren sollte? Nur wer europäisch denkt, stellt solche Fragen, sind viele Menschen in Entwicklungsländern heute überzeugt. »Hilfsprojekte sind keine langfristige Lösung. Zugang zu Computern und Internet hilft den Menschen dabei, sich selbst zu helfen«, sagt Amit Kumar, 22, ehemaliger Slumbewohner. Kumar selbst hat sich hochgearbeitet und hatte Glück. Er arbeitet heute im Telefonmarketing.
Weltweit festigt sich die digitale Kluft immer mehr. Während in einigen asiatischen Ländern, Europa und den USA ein Großteil der Menschen täglich PCs benutzen, viele davon selbst einen Computer besitzen und über einen Internetzugang verfügen, ist dies in den ärmsten Ländern der Welt bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Schlusslicht bilden Länder wie Bangladesh, Pakistan und die meisten afrikanischen Staaten. Hier haben maximal zehn Prozent der Menschen manchmal (z. B. in der Arbeit) einen Computer zur Verfügung, und noch viel weniger haben Zugang zu Internet. Nicht ganz so trostlos sieht die Lage bei den Mobiltelefonen aus. Hier hat sich die Zahl der NutzerInnen in den letzten Jahren vervielfacht.

Fischer und Handy

Doch was nutzt überhaupt einem armen Fischer in Kenia oder anderswo in der »Dritten Welt« sein Handy? Offenbar sehr viel! Studien haben gezeigt, dass Fischer heute ihre Waren mit Hilfe des Handys viel gezielter absetzen können. Früher musste ein Fischer auf gut Glück einen Markt ansteuern, um dort seine Ware zu verkaufen. Heute kann er sich per Handy informieren, auf welchem der lokalen Märkte er die besten Chancen hat, an einem bestimmten Tag seinen Fang gewinnbringend an die Kundschaft zu bringen. Früher passierte es häufig, dass es auf dem Fischmarkt eines Dorfes ein Überangebot gab und die Fische verdarben. Am Markt im Nachbardorf hingegen fehlte es an Fisch - unverschämt hohe Preise waren die Folge. Die Studien zeigen, dass sich die Situation durch die Handys gebessert hat, die Preise lassen sich regulieren und die HändlerInnen können die Fische meist vollständig verkaufen. Es scheint, dass schnelle und richtige Information den Menschen eine wirtschaftliche Hilfe ist. Erst die Zukunft wird zeigen, ob sich die reale Situation tatsächlich verbessert.

Vier Mrd. Telefonanschlüsse

Der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft 2005 in Tunis thematisierte die digitale Kluft. Man fasste den Beschluss, dass bis zum Jahr 2015 zumindest 50 Prozent der Menschen weltweit Zugang zum Internet erhalten sollen. Ein weiter Weg, wenn man bedenkt, dass im Moment in den Industrieländern zwar bereits 65 Prozent der Menschen Zugang haben, in den Entwicklungsländern aber maximal rund 13 Prozent. In Afrika sind es sogar nur etwa vier Prozent der Menschen, die Zugang zu Internet haben. Leider lebt der weitaus größte Teil der Menschheit nicht in Europa oder Nordamerika, sondern zum Beispiel in Indien, China oder eben Afrika. Da es in den Entwicklungsländern fast keine Festnetze gibt, die genutzt werden können, müssen die Menschen die Möglichkeit bekommen, mobil in das Internet einzusteigen. Deshalb ist die rasche Verbreitung der Handys zu begrüßen. Es gibt vier Mrd. Telefonanschlüsse auf der Welt, davon fast drei Viertel mobil und die Märkte explodieren. Die Handys werden in Zukunft den Menschen den Zugang zur Informationsgesellschaft ermöglichen.

Loch in der Wand

Wir wechseln den Schauplatz: Ein riesiger Slum, wie er in Indien überall zu finden ist. Wir schreiben das Jahr 1999; eine indische Computerfirma startet ein neues Forschungsprojekt: In eine Wand, mitten im Schmutz, Gestank und Chaos des Slums, wird ein Bildschirm installiert, der über einen Joystick bedient werden kann. Der Rechner selbst befindet sich außer Reichweite, verfügt aber über Internetzugang. Ohne Worte wird der PC einfach sich selbst überlassen. Innerhalb weniger Minuten können die ForscherInnen beobachten, wie sich Kinder rund um den Computer versammeln. Die indischen Kinder - zum größten Teil AnalphabetInnen und ohne Englischkenntnisse - bringen sich binnen kürzester Zeit den Umgang mit dem PC und Internet bei. Ein unglaubliches Ergebnis! Das Projekt »Loch in der Wand« ist geboren. Weitere ähnliche Projekte in anderen indischen Slums bringen dieselben verblüffenden Ergebnisse.
Die SlumbewohnerInnen holen sich Nachrichten und Informationen aus dem Internet, vor allem sind Gesundheitsdienste, wie z. B. Informationen zur Verhütung, nachgefragt. Normalerweise wissen Kinder den Pfad zu den richtigen Websites, ein/e ÜbersetzerIn aus dem Slum, also eine Person die Englisch lesen kann, liest dann die Information vor. Auf diese Weise kommen die Menschen endlich an Wissen heran. Aber auch die Kinder und die ÜbersetzerInnen profitieren: Denn die bekommen für ihre Dienste ein paar Rupien.

In acht Minuten ins Internet

Niemand hat diesen Menschen je erklärt, was ein Computer oder das Internet ist. Dennoch hat das bloße Vorhandensein dieser Geräte bewirkt, dass sich die Lebensqualität der Menschen verbessert hat. Nur acht Minuten hat es gedauert, bis der erste Junge sich ins Internet einloggen konnte. »5.000 Jahre Menschheitsgeschichte übersprungen!«, ist der Initiator des Projekts Sugata Mitra im Gespräch mit dem Stern begeistert.
Die Computerfirma, die das Projekt initiierte, arbeitet jetzt an Programmen, mit deren Hilfe sich die Kinder an den PCs selbst lesen und schreiben beibringen können. Gelingt dies, wäre das ein unglaublicher Erfolg. In Indien allein gibt es 380 Millionen Kinder im Schulalter - das sind ungefähr so viele Menschen, wie die EU EinwohnerInnen hat. Die BetreiberInnen des Projekts hoffen, dass Firmen wie Microsoft oder IBM in das Projekt investieren werden, denn sie hätten gleichzeitig die Chance, günstig Spitzenkräfte für ihre Unternehmen aus den Slums zu rekrutieren. »Ein solches Projekt würde einen unvorstellbaren, dauerhaften sozialen Wandel in Indien bedeuten«, zeigt sich Mitra überzeugt.

Ein Schritt in Richtung Demokratie

Computer, Internet und Mobiltelefone können helfen, die Armut zu reduzieren und Ungerechtigkeiten in der Welt der beseitigen. Es wäre ein Schritt in Richtung Demokratisierung der Welt, wenn wir die digitale Kluft überwinden könnten. Denn die Informations- und Wissenskluft birgt Gefahr für die Demokratie in sich. Der Cyberspace ist ein moderner Raum, von dem der Großteil der Menschheit heute noch ausgeschlossen ist. Projekte, wie das »Loch in der Wand« können helfen, die Tür zu diesem Raum für viele Menschen zu öffnen.

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Artikel auf Wikipedia zum Thema:
de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Kluft
de.wikipedia.org/wiki/Weltgipfel_zur_Informationsgesellschaft
de.wikipedia.org/wiki/
Wissensgesellschaft
Artikel zum »Loch in der Wand«:
www.indien-netzwerk.de/navigation/kulturgesellschaft/gesellschaft/artikel/computer_slumkids.htm

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