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EBR-Richtlinie überfällig Reiner Hoffmann

EBR-Richtlinie überfällig

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Interview mit dem stellvertretenden EGB-Generalsekretär Reiner Hoffmann.

ZUR PERSON
 REINER HOFFMANN
30. Mai 1955 geboren in Wuppertal
1972 bis 1974 Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Hoechst AG
1982 Abschluss als Diplom-Ökonom an der Universität Gesamthochschule Wuppertal
1983 Assistent beim Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) der Europäischen Gemeinschaft, Brüssel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Wuppertal
1984 bis 1994 Mitarbeiter der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, in verschiedenen Positionen
1994 bis 2003 Direktor des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (EGI), Brüssel
seit 2003 stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB)

Arbeit&Wirtschaft: Reiner Hoffmann, wie bewertet der EGB das Papier der EU-Kommission zur Revision der EBR-Richtlinie?

Reiner Hoffmann: Der EGB begrüßt es, dass die Kommission die längst überfällige Revision der EBR-Richtlinie in ihr rechtliches Arbeitsprogramm für das Jahr 2008 aufgenommen hat. Der EGB-Exekutivausschuss hat am 4. März eine erste durchaus positive Einschätzung vorgenommen. Die Kommission ist endlich bereit, die Handlungsmöglichkeiten der EBR zu stärken und rechtliche Unsicherheiten auszuräumen. Wir teilen die Auffassung, dass die EBR in der Lage sein müssen, ihre Rolle gegenüber den Entwicklungsanforderungen an Unternehmen umfassend zu erfüllen, Veränderungen zu begleiten und einen staatenübergreifenden sozialen Dialog in einem sich rasch wandelnden wirtschaftlichen Umfeld zu entwickeln. Allerdings gibt es auch Kritik. In Artikel 15 der Richtlinie war die Überprüfung bis September 1999 vorgesehen, und es wurde verlangt, die Schwellenwerte für die Beschäftigtenzahl zu überprüfen. Der EGB ist erstaunt, dass die Schwellenwerte nirgends im Konsultationspapier erwähnt werden.

Die EU-Kommission hätte 1999 mit der Überarbeitung der Richtlinie beginnen müssen. Symbolisiert diese Verzögerung den Stellenwert des Sozialen Europas in der Kommissions-Politik?

Die sozialpolitische Bilanz der Kommission ist alles andere als zufriedenstellend. Unter Präsident Barroso kam es der Kommission vor allem darauf an, das Umfeld für die Unternehmen zu stärken. Die Gewerkschaften sind nicht grundsätzlich gegen ein verbessertes Unternehmensumfeld und eine bessere Rechtsetzung, wenn diese auch zu mehr und besseren Arbeitsplätzen führt. Allerdings ist in den letzten Jahren die soziale Dimension allzu oft unter den Tisch gefallen!

Was sind die Hauptforderungen der Gewerkschaften an verbesserte Regelungen für europäische Betriebsräte?

Auf die Schwellenwerte habe ich bereits hingewiesen. Im Grundsatz geht es dem EGB darum, die Handlungsmöglichkeiten der EBR zu verbessern, dazu gehören eine präzise Definition der Begriffe »Unterrichtung« und »Anhörung«. Dabei muss sichergestellt werden, dass Unterrichtung und Anhörung rechtzeitig, umfassend, schriftlich und fortlaufend vorgenommen werden. Des Weiteren muss es den EBR möglich sein, mindestens zweimal jährlich zusammenzukommen, und sie müssen das Recht auf Fortbildung haben. Auch müssen sie die Möglichkeit erhalten, externe Experten zu Rate zu ziehen, z. B. bei komplexen Restrukturierungsmaßnahmen. Ein ganz zentraler Punkt ist für uns, dass die Rolle der Gewerkschaften in den EBR anerkannt wird.

Wie realistisch sind die Chancen für eine rasche Durchsetzung? Soll der EGB auf eine Verhandlungslösung mit den Arbeitgeberverbänden setzen?

Die Kommission hat deutlich zu erkennen gegeben, dass sie - falls wir nicht im Rahmen des sozialen Dialogs verhandeln - im Juni einen revidierten Richtlinienvorschlag vorlegen wird. Damit könnte im Rat und im Europäischen Parlament eine Behandlung in der zweiten Jahreshälfte 2008 erfolgen. Möglichen Verhandlungen stehen wir skeptisch gegenüber. Die Arbeitgeber haben bislang massiv jeglichen Revisionsbedarf abgelehnt. Der Präsident von Businesseurope hat auf dem Europäischen Wirtschaftsgipfel im März 2008 in Brüssel erneut deutlich gemacht, dass er keinen Änderungsbedarf sieht. Auf keinen Fall wird der EGB eine weitere Verzögerung akzeptieren.

Die Debatte um Standortverlagerungen in Europa ist hochaktuell, Stichwort Nokia, Novartis. Könnten mehr Rechte für EBR diese Entwicklung stoppen?

Auch mit einer revidierten EBR-Richtlinie werden wir diese Entwicklungen nicht stoppen können. Aber es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, dass frühzeitige Konsultationen erfolgen, die den ArbeitnehmervertreterInnen die Möglichkeit geben, gestaltend zu reagieren. Der Nokia-Standort in Bochum hätte gerettet werden können. In Jucu (Rumänien) sollen mehr als 3.500 Arbeitsplätze entstehen. In Bochum stehen 2.300 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Eine rechtzeitige Einbeziehung der ArbeitnehmervertreterInnen hätte sozialverträgliche Lösungen möglich gemacht. Zumal Nokia auch in Bochum satte Gewinne macht.

Häufig halten Unternehmen ihre Informationspflichten gegenüber EBR nicht ein. Welche Folgen hat dies für den Arbeitgeber?

Immer wieder musste die Erfahrung gemacht werden, dass die Rechte der EBR verletzt wurden. Für die Arbeitgeber bleiben solche Rechtsverstöße folgenlos. Daher hat der EGB wiederholt die Notwendigkeit unterstrichen, in gerichtlichen Verfahren sicherzustellen, dass Verpflichtungen für Arbeitgeber, die sich aus der EBR-Richtlinie ergeben, rechtlich geltend gemacht werden können. Der EGB unterstreicht den Hinweis der Kommission, dass Sanktionen wirksam, angemessen und abschreckend sein müssen. Entscheidungen des Managements, die negative Auswirkungen für die Beschäftigten haben, müssen bei Verstößen gegen ArbeitnehmerInnenrechte ausgesetzt werden.

 

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