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Neue EBR-Richtlinie

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Die EU-Kommission leitet jetzt das offizielle Verfahren ein. Dabei sollen vor allem Unterrichtung und Anhörung neu definiert werden.

Die längst überfällige Revision der Richtlinie für den Europäischen Betriebsrat (EBR) scheint konkrete Züge anzunehmen: Ende Februar veröffentlichte die Kommission ihr Konsultationspapier, mit dem sie die zweite Anhörungsphase der europäischen Sozialpartnerorganisationen einleitete. EGB und ArbeitgeberInnen haben nun sechs Wochen Zeit, um der Kommission ihre Stellungnahmen zu übermitteln.

Kommission sieht Änderungsbedarf

Das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der ArbeitnehmerInnen hat gemäß Artikel 27 der Grundrechtecharta der EU den Charakter eines Grundrechts. Die EBR-Richtlinie aus dem Jahr 1994 verwirklicht dieses soziale Grundrecht nicht ausreichend. Die Gewerkschaften fordern deshalb seit Jahren eine Verbesserung der Vorschriften und mehr Rechte für EBR. Während der größte Arbeitgeberverband Businesseurope eine Revision der Richtlinie bislang strikt ablehnt, schließt sich die Kommission nun weitgehend der gewerkschaftlichen Position an.

Im Einzelnen spricht sich die Kommission vor allem für eine Neudefinition der Begriffe »Unterrichtung und Anhörung« aus. Diese Rechte der europäischen BetriebsrätInnen sind Kernbereich der Richtlinie, allerdings geben jüngere EU-Vorschriften einen höheren Standard vor als die EBR-Richtlinie 1994. Vorbild ist die Regelung für die Europäische Aktiengesellschaft, die hohe Standards bei der Beteiligung und Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen vorsieht. So fordert nun auch die Kommission, diese Niveaus in die EBR-Richtlinie zu übernehmen. EBR sollen in Zukunft für breitere Themenbereiche zuständig sein. Die Vorschläge der Kommission gehen noch weiter und umfassen unter anderem folgende Punkte:

  • Stärkung der subsidiären Vorschriften, die dann in Kraft treten, wenn keine Verhandlungslösung mit der Unternehmensleitung erzielt werden kann.
  • Bessere Vertretung der Belegschaften im besonderen Verhandlungsgremium durch Abschaffung der maximalen Mitgliederzahl.
  • Ausdrückliche Anerkennung der Rolle von Gewerkschaften.
    Wirksame Sanktionen gegen Unternehmen, die ihre Verpflichtungen gegenüber EBR verletzen.
  • Eine Anpassungsklausel soll die Neufassung oder Neuverhandlung von Vereinbarungen vorschreiben, wenn sich die Unternehmensstruktur grundlegend verändert.

Die Kommission hat zwar wesentliche gewerkschaftliche Forderungen aufgegriffen, jedoch gibt es nach wie vor einige Kritikpunkte an ihren Vorschlägen. So wird die Frage der sogenannten Schwellenwerte überhaupt nicht aufgegriffen. Bislang schreibt die Richtlinie vor, dass EBR in Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten, davon jeweils mindestens 150 in zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten, eingerichtet werden können. Der EGB fordert seit langem eine Senkung dieser Schwellenwerte auf 500 bzw. 100 ArbeitnehmerInnen. Die Richtlinie schreibt übrigens selbst vor, dass die »Zweckmäßigkeit« der Schwellenwerte im Rahmen einer Revision zu überprüfen ist. Umso erstaunlicher, dass die Kommission diese Frage nicht thematisiert.


Auch die gewerkschaftliche Forderung nach einer besseren Definition des Begriffs »herrschendes Unternehmen« sowie die problematische Frage der Vertraulichkeit von Informationen ignoriert die Kommission. Wünschenswert wäre weiters eine Verpflichtung der Unternehmen, ihre aktuellsten EBR-Vereinbarungen registrieren zu lassen.

Entscheidungsfindung im EGB

Das Konsultationspapier richtet sich in erster Linie an die europäischen Sozialpartner, für die ArbeitnehmerInnenseite entscheidet der EGB über den weiteren Fortgang des Verfahrens. In einer ersten Stellungnahme begrüßt der EGB den Vorstoß der Kommission, das Revisionsverfahren einzuleiten, nachdem die Gewerkschaften bereits seit Jahren auf eine substanzielle Verbesserung der Richtlinie drängen (siehe Interview mit Reiner Hoffmann). Grundsätzlich müssten EBR in die Lage versetzt werden, einen staatenübergreifenden sozialen Dialog in einem sich rasch wandelnden, wirtschaftlichen Umfeld zu entwickeln. Trotz der beschriebenen Defizite werden von der Kommission die Probleme der geltenden Richtlinie aufgegriffen und konkrete Änderungen vorgeschlagen.

Verhandlungen ja oder nein?

Der EGB muss nun der Kommission bis Anfang April seine Stellungnahme übermitteln. Hier geht es im Wesentlichen um zwei Fragen: Die Festlegung der inhaltlichen Position zu den Kommissionsvorschlägen sowie die Beantwortung der Frage, ob es Verhandlungen mit den ArbeitgeberInnen geben soll. Letztere ist besonders heikel: Im Rahmen des sozialen Dialogs könnten EGB und Businesseurope versuchen, ein Verhandlungsergebnis über die Änderung der Richtlinie zu erzielen. Dies würde zu einer weiteren Verzögerung führen, wenn es keine Einigung geben sollte und anschließend der »reguläre« Gesetzgebungsweg über Kommission, Rat und EU-Parlament beschritten werden müsste. Für EGB und ÖGB hat die schnellstmögliche Durchsetzung einer verbesserten EBR-Richtlinie absolute Priorität:  In diesem Sinne haben sich zahlreiche europäische Gewerkschaftsverbände beim EGB-Exekutivausschuss im März zurückhaltend bis ablehnend zu möglichen Verhandlungen geäußert. Der soziale Dialog hat zwar gerade für ÖGB und EGB einen hohen Stellenwert, aber er darf nicht durch die Arbeitgeberverbände instrumentalisiert werden, um längst überfällige Verbesserungen zu verschleppen. Dabei sind die politischen Rahmenbedingungen für eine rasche Änderung der EBR-Richtlinie günstig: Mit Ausnahme von Businesseurope herrscht breiter Konsens über die wesentlichen Ziele einer Revision. Das EU-Parlament fordert schon seit längerem eine Überarbeitung. Die Kommission kündigt in ihrem Konsultationspapier einen konkreten revidierten Richtlinienvorschlag für Juni 2008 an, wenn sich die Sozialpartner nicht auf Verhandlungen einigen sollten. Schließlich gibt es auch Signale der französischen Regierung, sich für eine rasche Einigung im Rat der EU-Mitgliedsstaaten einzusetzen, wenn Frankreich im zweiten Halbjahr 2008 den EU-Vorsitz übernimmt. So besteht begründete Hoffnung, bis Jahresende zu einem Ergebnis zu kommen.

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